Europäisches ParlamentPräsident des EU-Rechnungshofs wehrt sich gegen Vorwürfe

Europäisches Parlament / Präsident des EU-Rechnungshofs wehrt sich gegen Vorwürfe
Der Präsident des Europäischen Rechnungshofes wohnt in Luxemburg in einer Wohngemeinschaft, wie der im „Libération“-Artikel erwähnte Briefkasten in der rue des Muguets auf Kirchberg zeigt Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Der Präsident des Europäischen Rechnungshofes stellte sich gestern wegen der vergangene Woche gegen ihn in einer französischen Zeitung erhobenen Vorwürfe dem Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments (EP). Dabei wies er die gegen ihn und andere Mitglieder des Hofes erhobenen Anschuldigungen zurück.

Die Vorwürfe wiegen schwer, die dem Präsidenten des Europäischen Rechnungshofes, dem ehemaligen deutschen CDU-Politiker Klaus-Heiner Lehne, in der Freitag-Ausgabe der französischen Tageszeitung Libération gemacht wurden. Es ist die Rede von Betrug zulasten des EU-Haushalts und der Missachtung von Regeln, an die sich die Mitglieder des EU-Rechnungshofes zu halten haben. In dem Artikel geht die Rede von fiktiven Residenzen der Mitglieder des Rechnungshofes, für die sie aber Zulagen aus dem EU-Haushalt kassierten, sowie dem unerlaubten Gebrauch von Dienstwagen für private Zwecke. In seinen mehrmonatigen Recherchen will der Autor unter anderem herausgefunden haben, dass mehrere Mitglieder des Rechnungshofes den größten Teil der Zeit nicht in Luxemburg residieren oder einige sich Ausgaben für Feiern zu Nationalfeiertagen oder Essen mit Mitarbeitern haben rückerstatten lassen.

Es ist meine Privatsache, wo und mit wem ich in Luxemburg lebe

Klaus-Heiner Lehne, Präsident des Europäischen Rechnungshofs

Die EU-Parlamentarier im Haushaltskontrollausschuss waren sich mit dem Präsidenten der in Luxemburg angesiedelten europäischen Institution darin einig, dass die erhobenen Anschuldigungen und Vorwürfe restlos aufgeklärt werden müssten. Immerhin handele es sich mit dem Rechnungshof um ein Organ der EU, dessen Existenz von Vertrauen und Glaubwürdigkeit abhängt. Dementsprechend offensiv ging Klaus-Heiner Lehne seine Verteidigung an. Die Anfragen von Libération seien vom Rechnungshof „detailliert und umfassend“ beantwortet worden, der daraus entstandene Artikel habe „mit der Realität nicht mehr viel zu tun“. „Er beruht im Wesentlichen auf unbewiesenen und unwahren Tatsachenbehauptungen“ und falscher Interpretation der anwendbaren Regelungen, so der ehemalige deutsche CDU-Politiker. Es sei falsch, dass er nicht in Luxemburg residiere und nie vor Ort sei. Er sehe auch „nicht das geringste Problem“ darin, dass er sich seine Wohnung mit langjährigen Mitarbeitern teile. „Es ist meine Privatsache, wo und mit wem ich in Luxemburg lebe“, so der Rechnungshofpräsident weiter. Auf den Einwand des deutschen Grünen-Abgeordneten Daniel Freund, dass es doch „ungewöhnlich“ sei, wenn ein Präsident einer europäischen Institution mit Mitarbeitern in einer Wohngemeinschaft wohnt, ging Klaus-Heiner Lehne nicht ein.

Es treffe auch nicht zu, dass Residenzzulagen in „rechtswidriger Weise ausbezahlt“ würden. Eine entsprechende Verordnung sehe das vor, diese Zulage sei „Teil des Gehalts“, erklärte Klaus-Heiner Lehne weiter. Es sei zudem falsch, dass Ausgaben für Dienstreisen oder Repräsentanzausgaben von ihm genehmigt würden. Dies sei 2017 auf sein Betreiben hin geändert worden, dafür sei nun der Generalsekretär des Hofes zuständig. Allerdings, die Sache mit den Dienstwagen sei „nicht optimal“ geregelt, gestand der Rechnungshof-Präsident ein. 100 Euro zahlen die Mitglieder des Rechnungshofs im Monat, um den Wagen auch privat nutzen zu können, behauptet Libération. „Das sieht komisch aus“, gab Klaus-Heiner Lehne zu. „Das wird angepasst“, versprach er.

Um Transparenz bemüht

Mit der Anwesenheit der Mitglieder des Hofes verhalte es sich ebenfalls anders als in dem Artikel dargestellt. Diese müssten vielen Verpflichtungen nachgehen, die sie oft ins Ausland führten, wegen der Teilnahme an Sitzungen in Brüssel oder in ihren Herkunftsländern etwa. Er selbst müsste den Rechnungshof in vielen internationalen Gremien repräsentieren, da könne er nicht jeden Tag in Luxemburg sein, so der Rechnungshofpräsident. Dennoch wiesen die Mitglieder eine 96-prozentige Präsenz an den Sitzungen des Hofes auf, versicherte er. Und um die Transparenz in dieser Hinsicht zu verbessern, werde er von sämtlichen Sitzungen des Kollegiums, des Verwaltungsausschusses und anderer Ausschüsse sowie von Arbeitsgruppen am Rechnungshof künftig die Präsenzlisten auf der Internetseite des Hofes veröffentlichen, versprach Klaus-Heiner Lehne.

Der EP-Ausschuss einigte sich mit dem Rechnungshofpräsidenten schließlich darauf, dass die Mitglieder des Rechnungshofes ihre Unterlagen zu ihren Residenzen in Luxemburg ausgewählten Mitgliedern des Ausschusses zur Einsicht zur Verfügung stellen, um den Verdacht fiktiver Residenzen aus der Welt zu schaffen. Zudem bestehen einige EU-Parlamentarier darauf, dass die im Libération-Artikel erhobenen Anschuldigungen und Vorwürfe von externen Stellen überprüft werden. Auch wenn der Rechnungshofpräsident darauf verwies, dass die EP-Abgeordneten sich vorerst anhören sollten, was die hausinternen Prüfer zu sagen hätten. Das, was im Artikel geschrieben worden sei, nehme er ernst. „Wir haben ein massives Interesse daran, das aufzuklären“, so Klaus-Heiner Lehne. Die Vorwürfe hingegen nehme er nicht ernst. „Sie sind nicht wahr“, versichert er.

Wenn dem so sei, könne er laut französischem Recht Klage wegen Verleumdung gegen die Zeitung erheben, empfahl ihm der französische „Renew“-Abgeordnete Pierre Karleskind. Doch er sollte sich seiner Sache sicher sein, denn der Autor habe damals die Santer-Kommission gestürzt und Jean-Claude Junckers einstigen Kabinettschef in der Kommission, Martin Selmayr, ins Exil getrieben, warnte der liberale EP-Abgeordnete. Auch damit hätten sie sich schon am Hof befasst, sagte Klaus-Heiner Lehne. Allerdings sei der Artikel so geschrieben, dass es sehr schwierig sei, juristisch dagegen vorzugehen.

Mitglieder des Rechnungshofes

Jeder der 27 EU-Mitgliedstaaten entsendet einen Vertreter an den Europäischen Rechnungshof. Immer wieder sind diese „Mitglieder“ ehemalige Politiker, die sich aus dem politischen Leben zurückgezogen haben. Für Luxemburg gehört seit dem 1. Januar 2020 die ehemalige DP-Politikerin Joëlle Elvinger dem Rechnungshof an. Sie ist unter anderem Vorsitzende des Ethikausschusses des Hofes und begleitete gestern den Präsidenten Klaus-Heiner Lehne zur Anhörung im Haushaltskontrollausschuss im EP. Zuvor war der ehemalige DP-Politiker Henri Grethen Luxemburgs Mitglied beim Europäischen Rechnungshof.