Portugal, Spanien, Italien und Griechenland: Wie stehen die südlichen EU-Länder finanziell da?

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Die südlichen Länder der EU traf die Finanzmarktkrise 2008 besonders schwer. Die Wege der Griechen, Portugiesen, Italiener und Spanien aus der Krise waren unterschiedlich, ebenso die Ergebnisse.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird diese Woche in Portugal ein ganz anderes Land erleben als bei ihrem bisher einzigen Besuch im Herbst 2012. Damals, auf dem Höhepunkt der europäischen Staatschuldenkrise, machten viele Portugiesen Berlin für Sozialkürzungen, Steuererhöhungen und Entlassungen verantwortlich. „Raus hier!“, schrien beim Besuch der Kanzlerin vor fünfeinhalb Jahren Zehntausende auf den Straßen. Protestdemos waren an der Tagesordnung. Die von einer konservativen Regierung eingeleiteten Reformbemühungen haben aber Früchte getragen.

Die vier Südstaaten der EU – Portugal, Spanien, Italien und Griechenland – haben die Finanzmarktkrise von 2008 unterschiedlich verdaut. Wachstum, Stagnation oder einfach nur stille Hoffnung auf bessere Zeiten – alles dabei.

Portugal: der Musterschüler

Mit einem Wachstum von 2,7 Prozent lag Portugal 2017 in der Eurozone gut vorne. Die Arbeitslosenrate, die 2013 auf 17,5 Prozent geklettert war, fiel zuletzt unter die Acht-Prozent-Marke, auf den niedrigsten Stand seit 2004. Das Land feiert Rekorde bei der Emission von Anleihen und zahlt Kredite vorzeitig zurück. Nicht minder wichtig: Portugal genießt eine politische Stabilität, um die es von nicht wenigen in der EU beneidet wird.

Der sozialistische Ministerpräsident António Costa, seit Ende 2015 an der Macht, lockerte nach und nach die Sparpolitik und stellte somit weite Teile der Bevölkerung zufrieden. Er hält sich aber auch an die Vorgaben aus Brüssel. Mit 0,9 Prozent erreichte Lissabon 2017 das niedrigste Etatdefizit seit der „Nelkenrevolution“ 1974. Nur wegen des Einmaleffekts der Rekapitalisierung der Bank CGD stehen bei Eurostat drei Prozent zu Buche. In der Europapolitik zieht Costa mit Merkel an einem Strang.

Spanien: zwischen Krise und wirtschaftlicher Erholung

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy ist einer der wichtigsten Verbündeten von Angela Merkel bei der Gestaltung der Zukunft der EU. Die jüngsten Nachrichten aus Madrid wird man in Berlin deshalb mit einigem Schrecken vernommen haben. Am Freitag muss sich der konservative Politiker, der seit dem Herbst 2016 keine Mehrheit mehr hat, im Parlament einer Abstimmung über einen Misstrauensantrag der Sozialisten stellen. Eine Abwahl gilt (noch) als eher unwahrscheinlich. Dafür dürften Neuwahlen noch in diesem Jahr unumgänglich sein. Korruptionsaffären und Katalonien-Krise haben den 63-Jährigen viele Vertrauenspunkte gekostet.

In Sachen Wirtschaft kann man der Rajoy-Regierung aber nicht viel vorwerfen. Sie zog das Land mit Reformen und Sparplänen aus der Krise. Im vorigen Jahr wurde zum dritten Mal in Serie ein Wachstum von mehr als drei Prozent verzeichnet. Die Arbeitslosenrate fiel zuletzt auf knapp 17 Prozent, allein 2017 wurde eine Senkung um gut zwei Prozentpunkte registriert. Im Zuge der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 und der Euro-Schuldenkrise waren in Spanien insgesamt 3,3 Millionen Arbeitsplätze vernichtet worden. Anfang 2013 erreichte die Arbeitslosenrate ein Rekordhoch von 26,9 Prozent. Trotz der Erholung der letzten vier Jahre zählt die spanische Quote aber weiter zu den höchsten in der EU.

Italien: politisches Chaos und Verschuldung

Italien erlebt derzeit ein schlimmes Déjà-vu: Nach dem Scheitern einer geplanten populistischen Koalition sind die Finanzmärkte in heller Aufregung und setzen das Land wie schon in der Eurokrise 2011/12 auch politisch enorm unter Druck. Italien hat nach Griechenland die höchste Staatsverschuldung in der Eurozone, nämlich mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung – erlaubt sind eigentlich nur 60 Prozent.

Nach einer langen Rezession wächst die Wirtschaft erst wieder seit 2015, aber nur schwach. Dieses Jahr werden 1,4 Prozent erwartet. Die Arbeitslosigkeit verharrt mit rund elf Prozent auf hohem Niveau. Reformen sind in den vergangenen Jahren von der damaligen sozialdemokratischen Regierung zwar teils angegangen worden, aber nicht genug. Viele fühlen sich abgehängt.

Das nutzt Parteien wie der rechten Lega und der Anti-Establishment- Partei Fünf Sterne. Sie haben trotz der hohen Schulden Steuersenkungen und ein Grundeinkommen versprochen, das aber kaum finanzierbar ist. Zudem hat sich ihre Anti-Europa-Rhetorik immer weiter verschärft. Weil die Märkte in Alarmstimmung sind, hat Staatspräsident Sergio Mattarella die Notbremse gezogen, und einen eurokritischen Finanzminister der geplanten Koalition nicht abgesegnet. Jetzt ist das Bündnis geplatzt. Allerdings wächst die Wut vieler Italiener dadurch noch mehr: Sie fühlen sich von der EU, von den Deutschen und vom Establishment gegängelt. Bei einer Neuwahl wird daher erwartet, dass die Lega und die Sterne noch stärker werden.

Griechenland: Hoffnung auf Wachstum

Das Land steht an einem Wendepunkt: Im August läuft das dritte Hilfspaket seit 2010 in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro aus. Athen hofft, bis dahin das nötige Vertrauen an den Finanzmärkten zurückgewonnen zu haben, um sich wieder eigenständig Kapital beschaffen zu können.

Die Koalitionsregierung des Bündnisses der radikalen Linken (Syriza) und der rechtspopulitischen Partei der Unabhängigen Griechen (Anel) steht zurzeit unter Druck. Sie muss weitere Reformen und schmerzhafte Kürzungen von Renten in die Tat umsetzen. Bislang hat Regierungschef Alexis Tsipras alle Reformen in die Tat umgesetzt. Jetzt aber nähern sich die Wahlen, spätestens im September 2019.

Die Lage ist noch kritisch: Die Staatsverschuldung hat mit knapp 180 Prozent Rekordwerte in der Eurozone. Ein Abbau des Schuldenberges wäre absolut notwendig. Das erwartete Wachstum von 1,9 Prozent für dieses Jahr und höchstens 2,3 Prozent 2019 kann die Wunden nicht heilen. Die Arbeitslosigkeit greift mit gut 20 Prozent um sich. Fast jeder dritte Arbeitnehmer wird teilbeschäftigt. Gut 40 Prozent der jungen Leute sind ohne Job. Mehr als 400 000 gut ausgebildete Griechen sind ausgewandert.

Süden
31. Mai 2018 - 11.34

Serenisima, da muss ich widersprechen. Die EZB Politik taugt nur für die Südländer wie Italien, sonst hätten wir längst schon wieder ein normales Zinsniveau. Mario Draghi hat den Zeitpunkt für eine restriktivere Geldpolitik schon verpasst; nun wird es sehr schwer. Ich hoffe nur, daß wir keine japanischen Verhältnisse in Europa bekommen.

Serenisima
30. Mai 2018 - 18.41

Wirtschaftliche schwache Länder aus dem Club Med mit ihren hohen Staatsschulden können am Euro nicht genesen....diese Währung ist ein "deutsches Gefängnis" wie der italienische Ökonom mit Recht gesagt hat...! Die monetäre Politik der EZB taugt nur für wirtschaftliche starke Länder ohne hiohe Staatsschulden...!