Porträt / Populistischer Anarchokapitalist: Javier Milei, der neue argentinische Präsident

Javier Milei bedankt sich nach der gewonnenen Wahl bei seinen Unterstützern
Donald Trump ist begeistert: Javier Milei wird neuer Präsident Argentiniens. Viele vergleichen den südamerikanischen Politikneuling und Sieger der Wahl in dem südamerikanischen Land mit dem Rechtspopulisten aus den USA. Dabei bleibt der 53 Jahre alte Argentinier schwer zu fassen.
Manche beschreiben Milei als ultraliberal, andere als Anti-Establishment, wieder andere als Rechtspopulisten oder schlicht als rechtsextrem. Milei selbst bezeichnet sich als Anarchokapitalist. „Es lebe die Freiheit, verdammt noch mal!“, lautete sein Wahlkampfslogan.
Der Wirtschaftswissenschaftler mit dem wirren Haar und dem Image eines Rockstars erreichte im Fernsehen und in den sozialen Medien mit seinen radikalen Ideen ein riesiges Publikum. Er versprach, die Zentralbank „in die Luft zu sprengen“ und den US-Dollar als Währung einzuführen. Bei seinen Auftritten schwang der 53-Jährige eine Kettensäge – Symbol für die von ihm geplanten Kürzungen im öffentlichen Dienst.
Milei ist gegen Abtreibung und Sexualerziehung, leugnet den Klimawandel und befürwortet Organhandel. Außerdem zieht er 40 Jahre nach Ende der Diktatur in Argentinien in Zweifel, dass die Militärs damals wie allgemein anerkannt 30.000 Menschen töteten oder verschwinden ließen. Es seien deutlich weniger gewesen, behauptet er.
Doch Analysten bezweifeln, dass die mehr als 55 Prozent der Wähler, die Milei in der Stichwahl gegen Wirtschaftsminister Sergio Massa ihre Stimme gaben, diese radikalen und extremen Positionen teilen. „Milei kam aus dem Nichts und seine Popularität entstand aus dem wirtschaftlichen Desaster der letzten zwölf Jahre“, sagt der Ökonom Andres Borenstein von der Denkfabrik Econviews.
Es gibt zwar glühende Befürworter Mileis, aber viele Wähler drückten Experten zufolge lediglich ihren Unmut über die Unfähigkeit der langjährigen Mitte-links-Regierungen aus, die Wirtschaft zu stabilisieren, die Armut zu bekämpfen und die Inflation von zuletzt 143 Prozent zu stoppen. „Das sind keine Rechten, sondern verärgerte und enttäuschte Menschen“, sagt Michael Shifter vom Thinktank Inter-American Dialogue in Washington über Mileis Anhänger.
„Der Verrückte“
Der neue Präsident stammt aus einer Familie der Mittelklasse in Buenos Aires. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Seit kurzem ist er mit der Schauspielerin und Komikerin Fátima Flórez liiert. Milei liebt Hunde: Seine vier großen Doggen, die nach liberalen Wirtschaftswissenschaftlern benannt sind, sollen laut der nicht autorisierten Biografie „Der Verrückte“ Klone seines ersten Hundes sein. In seiner Jugend spielte Milei in einer Rolling-Stones-Coverband und war ein begeisterter Fußballer.
2015 begann er im Fernsehen aufzutreten, wo er gegen die Regierung wetterte. Gleichzeitig gewann er mit seinen YouTube-Videos immer mehr Anhänger. 2021 gründete er die Partei La Libertad Avanza und zog als Abgeordneter ins Parlament ein. Im August dieses Jahres überraschte er die Beobachter, als er bei den Vorwahlen, die über die Kandidaten zur Präsidentschaftswahl bestimmen, mit 30 Prozent der Stimmen den ersten Platz belegte. Im ersten offiziellen Wahlgang im Oktober dann wurde er Zweiter, schlug daraufhin moderatere Töne an und ließ die Kettensäge zu Hause.
Nach seinem klaren Sieg in der Stichwahl sind nun die meisten Analysten ratlos, wie Milei als Präsident agieren wird. Mangels Mehrheit im Kongress wird er die meisten seiner Vorhaben nicht umsetzen können. Die Politikwissenschaftlerin Virginia Oliveros prophezeit ein „absolutes Chaos“ bei der Machtübergabe. „Er hat kein Team, keinen Plan. Es ist nicht klar, was er tun wird. Ich glaube, dass die Menschen keine Geduld mit ihm haben werden“, sagt sie.
Manche Argentinier betrachten Milei gar als Verrückten – deshalb auch der Titel der nicht autorisierten Biografie. Darauf angesprochen, sagte er: „Der Unterschied zwischen einem Genie und einem Verrückten ist der Erfolg.“ (AFP)
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