LuxemburgPlastikfreier Verpackungsmüll: Auf die richtige Entsorgung kommt es an

Luxemburg / Plastikfreier Verpackungsmüll: Auf die richtige Entsorgung kommt es an
Auf dem Weg in eine plastikfreie Zukunft? Cellulose-Verpackungen sollen Verpackungsmüll grüner machen. Symbolfoto: dpa

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Cellulose statt Plastik? Der Luxemburger Bio-Großhändler Biogros möchte mit neuen Verpackungen die Umwelt schonen. Das Abfallsyndikat „Minett-Kompost“ fürchtet eine Flut von verschiedenen Arten von Bioplastik, während das „Oekozenter Pafendall“ Mehrwegverpackungen bevorzugt. Doch wie kreislauffähig und umweltschonend sind die verschiedenen Alternativen eigentlich? Das Luxemburger Umweltamt sieht in der richtigen Entsorgung den Schlüssel zum umweltfreundlichen Verpackungsmüll.

Eine neue Cellulose-Folie, hergestellt aus Holz, soll in Luxemburg den Weg zum plastikfreien Verpackungsmüll ebnen. Das verspricht zumindest der Bio-Großhändler Biogros in einem Presseschreiben, in dem er die neue Folie als „100 Prozent biologisch kreislauffähiges Material“ umschreibt. Der Rohstoff für die Cellulose-Verpackungen stammt laut Biogros aus „Rest- und Abfallholz aus zertifizierter Forstwirtschaft“. Die neue Folie ist bereits seit dem 9. August im Einsatz und hat die alten aus Polylactid, kurz PLA, ersetzt. Die Cellulose-Hülle soll nun zur Reduzierung von nicht-recyclebarem Verpackungsmüll beitragen.

PLA

Polymilchsäure (Polylactid, PLA) ist ein Polymer aus Milchsäure. PLA ist den aus Erdöl hergestellten, herkömmlichen thermoplastischen Kunststoffen sehr ähnlich und kann daher auf vorhandenen Anlagen verarbeitet werden.
Aus PLA lassen sich beispielsweise Getränke- und Joghurtbecher sowie Nahrungsmittelschalen herstellen. PLA kann je nach Zusammensetzung gut bis kaum biologisch abbaubar sein und ist nur eingeschränkt kompostierbar. (Quelle: science.lu)

Dabei ist Cellulose keine Neuheit bei dem Großhändler – Biogros setzt schon seit fünf Jahren Cellulose-Netze für die Verpackung von Zitrusfrüchten ein. Doch der Umstieg war komplizierter als zunächst angenommen. „Die technischen Herstellungsverfahren für Netze sind nicht mit den Herstellungsverfahren von Folien zu vergleichen“, teilt eine Sprecherin von Biogros dem Tageblatt mit. Für dieses technische Problem habe es bisher keine zufriedenstellende Lösung gegeben. Und: „Die reine Cellulose-Folie war bisher nicht heißsiegelfähig“, sagt die Sprecherin. „Das bedeutet, dass sie nicht verschweißt und somit verschlossen werden konnte.“ Gelöst wurde das Problem nun durch eine „neue, wachsartige Beschichtung aus Biopolymeren“.

Biogros wolle sich mit dem Wechsel auf Cellulose von PLA-Verpackungen verabschieden, weil diese nur „in industriellen Anlagen“ kompostierbar waren. PLA wird dem Presseschreiben von Biogros zufolge zwar aus regenerativen Rohstoffen gewonnen. Aber: „PLA ist ein falsches Versprechen.“ Das sagt ein Sprecher des Syndikats „Minett-Kompost“ gegenüber dem Tageblatt. „PLA-Produkte wurden als Wunderplastik gepusht, sind aber nur unter sehr hohen Temperaturen und über einen sehr langen Zeitraum komplett abbaubar.“ Im eigenen Haus- und Gartenkompost könne es jedoch einige Jahre dauern, bis sich PLA  zersetzt habe. PLA besteht aus bis zu 95 Prozent organischem Material – zum Beispiel Maisstärke. Die restlichen fünf Prozent können aber auf Erdöl basieren (siehe Kasten). Die neuen Cellulose-Folien hingegen können nun im Gartenkompost und der Biotonne „problemlos entsorgt werden“, sagt Biogros.

Eine Flut an Verpackungen

„Minett-Kompost“ wurde 1994 von 16 Südgemeinden als Pilotprojekt gegründet. Mittlerweile ist das Syndikat auf 21 Mitglieder angewachsen. Es betreibt seit 1997 eine  Kompostierungsanlage in Esch und bietet den hergestellten Kompost zum Privatgebrauch an. Das Syndikat setzt auf Tüten aus Maisstärke zur Entsorgung von Biomüll. „Wir haben gute Erfahrungen mit diesen Produkten gemacht“, sagt der Sprecher. Die Tüten gelten exklusiv als Sammelgefäß von Bioabfall. Die Maisstärke, die hier eingesetzt wird, habe jedoch wenig mit der Maisstärke zu tun, die zur Produktion von PLA benutzt werden kann. „Bei PLA handelt es sich um Milchsäure, die durch Vergärung von pflanzlichem Material entsteht“, erklärt der Sprecher. Mais könne also benutzt werden, um PLA zu produzieren. In den Maisstärketüten von „Minett-Kompost“ befände sich jedoch kein PLA.

Die Verpackungen aus Maisstärke sind sehr einfach zu kompostieren: Nach gut drei Wochen haben die sich  zersetzt“, sagt der „Minett-Kompost“-Sprecher. Sind Cellulose-Verpackungen besser kompostierbar als die aus Maisstärke produzierten Tüten von „Minett-Kompost“? „Wir haben noch keine praktische Erfahrung mit Cellulose-Verpackungen – es ist jedoch möglich, dass einige dieser Verpackungen in unserem Kompost landen.“ Die eigentliche Problematik: die zahlreichen Verpackungsmaterialien, die den Markt überschwemmen. „Die neuen Verpackungsmaterialien lösen Verwirrung aus“, sagt der Sprecher. „Jede Verpackung zersetzt sich anders und es kommt manchmal vor, dass eine angebotene Verpackung sich fast gar nicht zersetzt.“ 

„Der Konsument muss fähig sein, die Verpackung zu unterscheiden – und die biologisch abbaubaren Folien sind oft nicht entsprechend gekennzeichnet“, pflichtet ein Sprecher des Luxemburger Umweltamts bei. Der Konsument müsse derzeit die Entscheidung treffen, ob und wie er die Verpackung recyclen könne, damit diese in den richtigen Kreislauf eingeführt werde. Die Frage, ob Cellulose jetzt besser wäre als PLA, konnte der Abfallexperte nicht beantworten. Aber: „Das Abbauverhalten von Cellulose wird als deutlich besser als das von PLA eingestuft.“

Eine Verpackung ist nur kreislauffähig, wenn sie richtig entsorgt wird

Experte für Kreislaufwirtschaft, Umweltamt

Biogros ist davon überzeugt: „Die neue Cellulose-Folie ist zu 100 Prozent biologisch abbaubar“, sagt der Sprecher des Bio-Großhändlers. Auch sei die Zersetzung im eigenen Hauskompost bei der Cellulose-Verpackung im Vergleich zu PLA wesentlich kürzer: Nach 42 Tagen soll sich die Cellulose-Folie komplett zersetzt haben, sagt die Sprecherin von Biogros.

Ein Urteil darüber, ob Cellulose nun kreislauffähiger als PLA ist oder nicht, will sich das Umweltamt nicht erlauben. „Eine Verpackung ist nur kreislauffähig, wenn sie richtig entsorgt wird“, sagt ein Sprecher aus dem Umweltamt.

Mehrweg statt Einweg

Das „Oekozenter Pafendall“ zieht für seine Einschätzung der Cellulose-Folie noch einen anderen Parameter zurate – die Ökobilanz. Und diese sei bei wiederverwendbaren Verpackungen generell besser als das Einweg-Äquivalent. Denn: „In die Ökobilanz fließt auch ein, wie viel Energie und Wasser zur Herstellung benutzt werden, wie weit die Verpackungen verfrachtet werden müssen und wie viel CO2 bei der Produktion der Verpackung entsteht“, sagt Umweltberaterin Isabelle Schummers vom „Oekozenter Pafendall“. Auch die Entsorgung der Verpackung schlage sich in der Ökobilanz nieder. Bei Mehrwegverpackungen und Tüten sei die Ökobilanz besser – aber nur solange Menschen diese auch mehrmals benutzen. „Mehrwegverpackungen sind besser als eine Einwegverpackung“, sagt Schummers. 

Begriffe wie Bioplastik, unter die auch Cellulose fällt, sind der Umweltexpertin zufolge sehr breit definiert. „Bioplastik bedeutet, dass ein Produkt biologisch abbaubar ist“, sagt Schummers. „Das Produkt kann jedoch sowohl auf Basis eines natürlichen Rohstoffes als auch mithilfe von Erdölchemie hergestellt worden sein.“ Zudem seien Bioplastikprodukte meistens eben auch Einwegprodukte. Der Begriff „biologisch abbaubar“ sei ebenfalls sehr schwer zu definieren. „Ist es in der Natur abbaubar oder nur mithilfe von industriellen Anlagen?“, fragt Schummers. „Und zu wie viel Prozent zersetzt sich das Produkt schlussendlich?“ Es liefen derzeit noch viele Studien zu Bioplastik und Cellulose-Verpackungen, die weitere Erkenntnisse liefern werden.

Die beste ökologische Verpackung nach Meinung der Expertin? „Der richtige Weg sei eigentlich, auf Einwegverpackungen zu verzichten“, sagt Schummers. „Ist das nicht möglich, soll man Mehrwegverpackungen benutzen – wie zum Beispiel Glas.“ Die Frage, ob Cellulose zumindest eine gute Alternative darstellt, konnte die Umweltberaterin nicht beantworten. „Jede Verpackung ist anders, ohne Tests und Analysen ist es schwierig, eine genaue Aussage zu treffen.“ 

Der Gesetzentwurf zur Reduzierung von Verpackungsmüll

Eine europäische Direktive fordert EU-Mitgliedstaaten auf, die Produktion von Verpackungsabfällen zu begrenzen und statt endgültiger Entsorgung von Verpackungsmüll die Wiederverwendung, das Recycling und andere Formen der Verwertung von Verpackungsabfällen zu fördern. Dazu zählen der Einsatz von Mehrwegverpackungen, Maßnahmen zur Verringerung von Verpackungsmüll durch kreislauffähiges Material oder der Entwurf von wiederverwendbaren oder wiederverwertbaren Verpackungen. Auf die europäische Direktive antwortet die Luxemburger Regierung mit einem Gesetzentwurf (7654). In die „Zero Waste“-Strategie der Regierung fällt auch die Reduzierung von Lebensmittelverpackungen. Die Regierung wolle den Gebrauch von Einwegverpackungen begrenzen und mehr auf Mehrwegverpackungen setzen, um zum Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft beizutragen. Beispielsweise wären bestimmte Obst- und Gemüsesorten unter dem Gesetz nur ab einem Gewicht von 1,5 kg in Plastikverpackungen erlaubt. Kritik zu dem Gesetzentwurf gab es reichlich – der Staatsrat hat 17 Mal sein Veto eingelegt. (Quelle: chd.lu)


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Carlo
24. August 2021 - 7.51

Entsorgung - nur schon dieser Austruck ist heuchlerisch! Man wirft seine Verpackungen in eine dazu bestimmte Tonne, und man ist die Sorgen los. Kein Rohstoffverbrauch und Umweltbelastung durch Produktion, Verarbeitung oder Verbrennung mehr. So als ob es sie nie gegeben hätte. Eine saubere Sache! Man könnte das Ganze genauso gut Absolution nennen.