Luxemburg-StadtPhilosoph: Debatte über Sicherheitsleute ist ein „Medienstunt“

Luxemburg-Stadt / Philosoph: Debatte über Sicherheitsleute ist ein „Medienstunt“
Zwei der Security-Teams, die derzeit in Luxemburg patrouillieren, haben jeweils einen Hund dabei Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Der Einsatz der privaten Sicherheitsleute in Luxemburg-Stadt wirft laut Philosoph Norbert Campagna ernste Fragen auf. Ihre Präsenz sei höchstens ein notwendiges Übel – doch wahrscheinlich handele es sich eher um einen erfolgreichen Medienstunt.

Auf der einen Seite der Straße patrouillieren private Sicherheitsleute, auf der anderen sind staatliche Polizisten zu sehen. Ein Bild, das noch bis zum 31. Januar in der Luxemburger Innenstadt zu sehen sein wird. Für den Luxemburger Philosophieprofessor, Philosoph und Autor Norbert Campagna sei diese Entwicklung ein Schritt in die falsche Richtung.

Die Hauptrolle der Polizei sei es, für die innere Ordnung zu sorgen, sagt Campagna. Der Staat habe normalerweise zwei Gewaltinstrumente: „Die Armee für Gefahren von außen und die Polizei für Gefahren von innen“, so der Philosoph. Die Rolle der Polizei sei es, dafür zu sorgen, dass die Bürger friedlich unter sich zusammenleben, und dann einzugreifen, wenn jemand die Gesetze verletze. „Die Polizei gibt den Menschen auch ein Gefühl der Sicherheit – das ist in Luxemburg-Stadt momentan anscheinend nicht der Fall“, sagt Campagna.

„Der Schöffenrat der Stadt Luxemburg hat deswegen entschieden, dass die Polizei nicht über die nötigen Mittel verfügt, und auf einen Sicherheitsdienst zurückgegriffen“, sagt Campagna. Doch die Mittel der privaten Wachleute seien noch begrenzter. Die Gefahr besteht laut dem Philosophieprofessor darin, dass die Sicherheitsleute nach und nach mehr Rechte zugesprochen bekommen. „Momentan dürfen sie nicht selbst eingreifen“, erklärt Campagna, „und falls die erste Phase gut verläuft, heißt es: ‚Seht ihr, man muss keine Angst vor ihnen haben‘“. Dadurch könne sich die Präsenz der privaten Sicherheitskräfte normalisieren – und ihnen die Tür zu mehr Mitteln öffnen. „Dann stellt sich die Frage: Wo hört das auf?“, sagt Campagna.

Bei wem liegt die Verantwortung?

Laut dem Philosophen leben wir in einer Staatsordnung, in der die einzige Instanz, die eine legitime Gewalt anwenden darf, der Staat ist. Beim öffentlichen Dienst sei klar definiert, wer die Verantwortung trage – „nicht nur die zivil- oder strafrechtliche Verantwortung, sondern auch die allgemeine moralische Verantwortung“, sagt Norbert Campagna. Bei einer staatlich organisierten Polizei gebe es eine Hierarchie. „Wenn die öffentliche Polizei nicht gut funktioniert, dann muss der zuständige Minister abtreten“, so der Philosoph. Doch wenn etwas bei den privaten Sicherheitskräften schieflaufe, wer müsse dies dann verantworten? „Die Privatfirma oder die Gemeinde, die den Auftrag gegeben hat?“, fragt Campagna.

Für Norbert Campagna dürfe der Bereich der öffentlichen Sicherheit nicht den Prinzipien einer privaten Marktwirtschaft folgen. „Wenn ein Unternehmen seine Arbeit nicht gut macht, dann nimmt der Kunde eine andere Firma“, sagt Campagna. Dabei handele es dann um ein Konkurrenzverhältnis. Plötzlich werde das Prinzip der Kosten-Nutzen-Analyse federführend. „Nach den Regeln der privaten Marktwirtschaft soll man den billigsten Anbieter auswählen“, erklärt der Philosoph. „Bei dem Billigsten handelt es sich allerdings nicht unbedingt um den Besten.“ Die Ausbildungskriterien bei den privaten Sicherheitsunternehmen seien nicht klar definiert – „unqualifiziertes Personal ist nun einmal billiger“.  Die Ausbildung der öffentlichen Polizei sei hingegen klar geregelt.

Norbert Campagna sieht das Einsetzen privater Sicherheitsleute als Trotzreaktion des Schöffenrats
Norbert Campagna sieht das Einsetzen privater Sicherheitsleute als Trotzreaktion des Schöffenrats Archivfoto: Alain Rischard/Editpress

Notwendiges Übel

Laut Campagna sind die privaten Sicherheitsleute also keine gute Übergangslösung – es handele sich höchstens um ein „notwendiges Übel“. Für ihn sehe es aus, als laufe die Politik vor der Verantwortung, die Polizei zu reformieren, weg. „Wir wissen, dass in den letzten Jahren Entscheidungen getroffen wurden, die man nicht hätte treffen dürfen, und jetzt bezahlen wir den Preis dafür“, sagt Campagna. Die Bevölkerung sei relativ schnell gewachsen – die Probleme und die Kriminalität auch. „Da hätte man schon vor Jahren vorbeugen müssen, damit genügend Personal zur Verfügung steht“, so Campagna. Vor allem dürfe die Polizei nicht in eine Situation kommen, in der sie jemanden morgens zum ersten Mal festnehme und dann abends zum zweiten Mal.

„Für mich sieht diese Aktion eher wie eine Trotzreaktion vom Schöffenrat aus, der dem zuständigen Minister das Problem vor die Augen halten wollte“, sagt der Philosoph. Es sei der Gemeinde gelungen, eine Diskussion auszulösen. „Es sind Probleme da, ja“, sagt Norbert Campagna, „aber man könnte es auch als Medienstunt sehen.“

Gemeindeverbund Syvicol begrüßt Entscheidung

Der Gemeindeverbund Syvicol stellte sich am Montag in einer Mitteilung hinter die Entscheidung des Schöffenrats der Stadt Luxemburg, einen privaten Sicherheitsdienst im Bahnhofsviertel einzusetzen. In seiner Mitteilung erinnert das Syvicol daran, dass es Aufgabe der Gemeinden sei, für die Einhaltung des Gemeinwohls zu sorgen und optimale Lebensbedingungen zu schaffen, indem sie für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Bürger eintreten. Die Bewahrung der öffentlichen Sicherheit sei nicht nur eine Mission, sondern auch eine moralische Pflicht. Die Entscheidung der Gemeinde Luxemburg, einen privaten Sicherheitsdienst mit dieser Mission zu beauftragen, sei durch die in der Verfassung verankerte Gemeindeautonomie legitimiert.
Gleichzeitig betont der Gemeindeverbund, dass es in keiner Weise darum gehe, die Kompetenzen der Polizei infrage zu stellen, und pflichtet dem Minister für Innere Sicherheit, Henri Kox („déi gréng“) bei, dass es sich hierbei nicht um eine dauerhafte Lösung zulasten der Gemeinde handeln könne. Bis mehr Polizisten eingestellt seien, müssten die Aufgaben, die Sicherheitsagenten im öffentlichen Raum ausführen, klar umrissen sein, fordert der Syvicol. Bereits in der Vorstandssitzung des Syvicol am Montagmittag hatte die Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, Lydie Polfer (DP), sich eine diesbezügliche Aussprache mit Henri Kox gewünscht.

Norbert Campagna
10. Dezember 2020 - 9.31

Ganz einverstanden, titi, nur müssten Sie dann auch angeben, wo meine Behauptungen reines Geschwafel sind. Zeigen Sie das auf, anstatt nur einen Satz zu schreiben. Ich möchte Sie dann auch darauf aufmerksam machen, dass man sich in einem Interview nicht so ausführlich und präzise ausdrücken kann, wie in einem Buch, so dass die Argumentation sicherlich zu kurz kommt. Und noch etwas: Ich habe den Mut, mit meinem vollen Namen zu unterschreiben und mag es nicht, wenn Leute sich hinter einem nicht transparenten Kürzel verstecken, so als ob sie Angst hätten. Doch Angst wovor?

titi
9. Dezember 2020 - 0.10

Man sollte differenzieren zwischen Philosophie und Debattieren im Sinne von Geschwafel.

Campagna Norbert
8. Dezember 2020 - 13.08

Wenn einige Menschen sich über die Rolle der Philosophen in den öffentlichen Debatten in den vergangen Jahrhunderten informieren würden, dann würden sie vielleicht zu einer INFORMIERTEN Meinung kommen. Aber historische Kultur und historische Bildung sind bei vielen Mangelware.

Arm
8. Dezember 2020 - 11.26

Wéi Philosoph? Geet et da nach méi domm...

de Prolet
8. Dezember 2020 - 10.42

@HTK. Da sind wir uns 100% einig. Aber die Lebenserfahrung der "Alten" und das was sie geleiste haben für Famiie und Gesellschaft, das findet wenig oder keine Anerkennung. Da werden die Postämter, die Bankfilialen geschlossen, im Dienstleistungssektor wird kaum Rücksicht auf die " alten Säcke " genommen. Sollen zusehen, dass und wie sie zurecht kommen. Ist eh nur ein biologisches Problem, das sich von selber löst. Psychologie und Philosophie bewirken in verschiedenen Lebenslagen so gut wie überhaupt nichts. Geistige Masturbation!

HTK
8. Dezember 2020 - 9.45

Genau.Nach den Psychologen jetzt auch noch die Philosophen.Und jetzt auch noch Unterricht wie wir unseren Kindern den Sex erklären sollen.Was müssen wir doch degenerierte Trottel geworden sein. Ältere dürfen sich ruhig fragen wie sie es so weit geschafft haben ohne Experten und/oder Smartphone.

de Prolet
7. Dezember 2020 - 17.52

Ja, dieses Problem gehört unbedingt philosophisch beleuchtet und analysiert. Oder wie aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird.