Peacekeeping auf dem Prüfstand

Peacekeeping auf dem Prüfstand

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

„Fettränder“ – mit diesem Wort hat Nikki Haley die aus ihrer Sicht ausufernden Kosten für die weltweiten Friedenseinsätze der Vereinten Nationen beschrieben. Die UN-Botschafterin der USA stellte im Sommer klar, dass man beim sogenannten Peacekeeping den Rotstift ansetzen müsse. Kommt Präsident Donald Trump mit seinen geplanten Kürzungen beim UN-Budget durch, werden im Jahr 2018 so manche Blauhelme ihre Sachen packen müssen.

Derzeit gibt es weltweit 15 UN-Missionen. Die größten und gefährlichsten sind in Afrika, aber auch im Libanon, auf Zypern und im Norden Pakistans gibt es UN-Mandate. Haley brüstet sich bereits mit ersten Einsparungen, doch sie fordert weitere Kürzungen: „Wir fangen gerade erst an“, verkündete sie über Twitter. Die Einsätze im Kongo und in Haiti wurden vor allem auf Druck der USA hin – dem größten Beitragszahler – bereits eingedampft.

„Je weniger ich kriege, desto weniger kann ich machen“

Die UN sollen als Weltpolizei mehr Verantwortung übernehmen, aber die Mittel schrumpfen. „Wenn ein wesentlicher Beitragszahler ausfallen würde, würde das natürlich auf die Missionen oder das Hauptquartier zurückschlagen“, sagt Carsten Twelmeier, Leiter der Polizeikomponente in der UN-Mission im Kosovo. „Je weniger ich kriege, desto weniger kann ich machen.“ In den größten Einsätzen in Afrika – Kongo, Südsudan, Mali und Zentralafrikanische Republik – sind für die UN knapp 60.000 Soldaten und Polizisten im Einsatz. Sie sollen Bürgerkriegswirren, Islamisten und Rebellen im Zaum halten – doch Erfolge gibt es dabei eher in homöopathischen Dosen.

Diese Einsätze zeigen, wie sehr sich die Rolle der UN-Missionen gewandelt hat. Anfangs sei es das Ziel gewesen, Friedens- und Waffenstillstandsabkommen zu sichern, sagt Stefan Feller, der im November das Amt als Polizeiberater des UN-Generalsekretärs abgab. Solch klassische Einsätze bei „eingefrorenen Konflikten“ gebe es nur noch selten, zum Beispiel in Zypern. Heute gehe es eher um innerstaatliche Konflikte, Extremismus und Terrorismus.

Die gefährlichsten Einsätze: Kongo und Mali

Im westafrikanischen Mali etwa bemüht sich die UN-Friedenstruppe Minusma – darunter auch rund 1.000 im nördlichen Gao stationierte Soldaten der Bundeswehr – darum, das von islamistischen Terroristen und Rebellen heimgesuchte Land zu stabilisieren. Die Weiten der Sahara im Norden des Landes bieten mit Al-Kaida verbundenen Terroristen jedoch ideale Rückzugsgebiete. Bei Anschlägen und Angriffen sind seit Beginn der Mission 2013 rund 90 Blauhelme getötet worden – was Mali zum derzeit gefährlichsten UN-Einsatz macht. Eine signifikante Verbesserung der Lage ist bislang nicht in Sicht.

Auch der teuerste und größte Blauhelm-Einsatz, die Monusco-Mission im Kongo, lässt kaum Optimismus zu. Die Denkfabrik International Crisis Group (ICG) befürchtet eine weitere Eskalation der Gewalt in dem zentralafrikanischen Land, zumal Präsident Joseph Kabila gewillt scheint, sich weiter mit allen Mitteln an die Macht zu klammern. Mindestens zehn der 26 Provinzen des Landes seien „in den Klauen von bewaffneten Konflikten“, erklärt ICG. Wegen Massenflucht, Hunger und Gewalt gehört der Kongo UN-Angaben zufolge neben Syrien, dem Irak und dem Jemen zu den schlimmsten humanitären Krisen der Welt.

Eine Milliarde Euro Kosten

Die rund 17.000 UN-Soldaten und Polizisten konnten den Ausbruch einer neuen Krise in der zentralen Kasai-Region seit dem vergangenen Jahr so wenig verhindern, wie sie im Stande scheinen, die Gewalt von Milizen im rohstoffreichen Osten des Landes unter Kontrolle zu bringen. Bei einem Angriff auf einen UN-Stützpunkt im Osten des Landes wurden Anfang Dezember 14 Blauhelme getötet und Dutzende weitere verletzt. UN-Generalsekretär António Guterres sprach vom „schlimmsten Angriff auf UN-Friedenstruppen“ der jüngeren UN-Geschichte.

Der Einsatz im Kongo kostet jährlich etwa eine Milliarde Euro, doch niemand erwartet, dass die Blauhelme dort tatsächlich für Frieden sorgen können. Die US-Regierung scheint daher den Sinn des Einsatzes infrage zu stellen. Doch Experten warnen, dass ein Abzug zu einem Bürgerkrieg führen könnte, der dann auch wieder die Nachbarn in Mitleidenschaft ziehen würde, zum Beispiel Ruanda. Die UN-Truppen verhindern also zumindest einen Staatszerfall. Die Gefahr ist real: Im September etwa versuchte eine Miliz, die östliche Großstadt Uvira einzunehmen. Sie wurde mithilfe der Monusco zurückgeschlagen.

Kritik durchaus berechtigt

Doch für die UN-Zentrale ist es oft nicht leicht, das Budget der weltweiten Einsätze von 7,3 Milliarden Dollar (6,8 Milliarden Euro) gegen Kritik zu verteidigen. Hinzu kommen Fälle schweren Versagens wie in Haiti, wo nepalesische Blauhelme 2010 Cholera einschleppten und so den Tod von mehr als 9.300 Menschen herbeiführten. Zudem gibt es Hunderte Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen Blauhelme, vor allem in Haiti und der Zentralafrikanischen Republik.

Glaubt man einer Studie der Columbia-Universität, „funktioniert“ Peacekeeping trotzdem. Sind nach Ende eines Bürgerkriegs Blauhelme in einem Land stationiert, sinkt dort die Wahrscheinlichkeit erneuter Kämpfe demnach um fast 70 Prozent. Selbst Trump gestand in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung, dass die UN-Einsätze einen „unschätzbaren Beitrag“ zur Stabilisierung von Konflikten in Afrika geleistet hätten. Den Rotstift zückte er, als es um den künftigen US-Haushalt ging, an dieser Stelle allerdings trotzdem.

Jeannosch
27. Dezember 2017 - 15.51

Srebenica,Bouake,Südsudan,Haiti,......sind Synonyme für Peacekeeping Missionen die für die Bevölkerung zum Trauma wurden."Bereits 2005 hatten die UN eine "Null Toleranz" Politik gegenüber sexuellen Übergriffen durch Blauhelme erklärt.Seitdem zählt die Nachrichtenagentur AP bis Anfang dieses Jahres knapp 2000 Anschuldigungen gegen Soldaten und zivile Mitarbeiter von UN-Friedensmissionen.In 300 Fällen seien die Opfer Kinder gewesen.Die Vereinten Nationen selbst sprechen von 311 "bekannten Opfern" allein im vergangenen Jahr.Und räumen ein :"Wir sind sicher ,dass nicht alle Fälle angezeigt wurden." / (Quelle.Welt-Sichten/ Gesine Kauffmann/23/0817)