Pressefreiheit in PandemiezeitenParlament besorgt über Angriffe auf Journalisten

Pressefreiheit in Pandemiezeiten / Parlament besorgt über Angriffe auf Journalisten
Guy Arendt und die DP hatten die Aktualitätsstunde beantragt Foto: Editpress/Alain Rischard

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Morddrohungen und Einschüchterungsversuche gegen Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs, Schadenersatzklagen und andere Gerichtsprozesse, um Redaktionen finanziell zu schaden – was man bisher vornehmlich aus dem Ausland kannte, ist während der Jahre der Pandemie auch in Luxemburg Alltag geworden. Der Pressefreiheit in Zeiten der Pandemie war gestern eine Aktualitätsstunde gewidmet, die von der DP-Fraktion beantragt worden war. Sämtliche Parteien unterstützen eine Resolution, in der sich das Parlament für den Schutz der Medien und der Meinungsfreiheit ausspricht.

Auch in Luxemburg gebe es Bewegungen, die der Presse einen Maulkorb verpassen und sie in ihrer Arbeit behindern wollten, so Guy Arendt (DP). In der Vergangenheit konnten Personen ihre Unzufriedenheit über die Berichterstattung in der Zeitung mit der Kündigung ihres Abonnements kundtun. Heute würden Pressevertreter öffentlich bedroht. Mit dem Begriff „Lügenpresse“ werde ihnen ein Etikett verpasst, sie seien von der Politik und vom Staat oder von großen Wirtschaftsgruppen ferngesteuert. 

Die in Luxemburg vor kurzem reformierte Pressehilfe belege, dass die Politik die vierte Gewalt, als die die Presse bezeichnet wird, ernst nehme. Nicht um sie zu beeinflussen, wie jeder sich überzeugen könne, der sie liest bzw. schaut. Die Presse sei eine wichtige Stütze der Demokratie und ein Grundstein der Meinungsfreiheit. Ihre Unabhängigkeit sei der Garant eines offenen Diskurses in der Gesellschaft.

Was derzeit vor sich gehe, sei nicht mehr hinnehmbar. Arendt erinnerte u.a. an die Todesdrohung gegen einen RTL-Journalisten 2019. Seitdem habe sich eine Einschüchterungswelle entwickelt. Die Verantwortlichen stammten oftmals aus Impfgegner-Kreisen. Nicht toleriert werden dürfe, dass Fotografen bedroht, die Privatadressen und Telefonnummern von Journalisten veröffentlicht werden.

Es dürfe nicht sein, dass Journalisten bedroht werden und sie um ihr Leben fürchten müssen, weil sie ihre Arbeit tun, so Arendt. Die Presse gehöre beschützt, so der DP-Politiker. Damit Presse und Journalisten unabhängig und frei arbeiten könnten, dürften sie von keiner Seite beeinflusst oder bedroht werden. 

Arendts Worten schlossen sich die Redner sämtlicher Fraktionen und politischer Bewegungen an. Während der Pandemie hätte die Presse ihr Bestes gegeben, um die Öffentlichkeit zu informieren, und dafür werde sie bedroht, so die CSV-Vertreterin Diane Adehm. Sie erinnerte u.a. an Vorfälle gegen Journalisten am Rande von Demonstrationen gegen die Corona-Politik. In der demokratischen Auseinandersetzung dürfe Angstmacherei kein Mittel sein. Nicht der Staat gefährde die Presse, sondern die Gewaltbereitschaft einzelner Leute. Es gibt aber keine Freiheit zu Gewalt und Hate speech, betonte Adehm. Soziale Medien könnten die Journalisten in ihrer Arbeit unterstützen, sie könnten sie jedoch nicht ersetzen. Die Demokratie brauche Berufsjournalisten, gerade in Zeiten ausufernder Pseudoinformationen. 

Soziale Medien können Presse nicht ersetzen

Mit sogenannten Slapp-Klagen (missbräuchlichen Gerichtsverfahren) würde versucht, Journalisten zu behindern, sie finanziell schachmatt zu setzen. Das Gesetz müsse den Journalismus schützen und notfalls Gesetze nachbessern. 

Einschüchterungsversuche und Druckausübung gegenüber der Presse habe es auch in der Vergangenheit gegeben, so die ehemalige Journalistin und heutige LSAP-Abgeordnete Francine Closener. Immer wieder wurde versucht, die Presse zu manipulieren, Journalisten einzuschüchtern, Medienorgane mit dem Entzug von Werbung unter Druck zu setzen. Das reichte von Klagen über Telefondrohungen bis zu Hausdurchsuchungen in den Redaktionsräumen. Doch was man heute beobachte, sei bisher unbekannt gewesen. „Et geet elo duer“, so Closener, Tageblatt-Chefredakteur Dhiraj Sabharwal zitierend. Während dieser Pandemiezeiten leisteten die Journalisten einen wichtigen Beitrag. Dadurch wurden sie zur Zielscheibe von Menschen, die auf perfide Art versuchten, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu untergraben. 

Djuna Bernard („déi gréng“) unterstrich, dass jene Personen, die stets am lautesten Meinungsfreiheit forderten, die ersten seien, die vor Gericht liefen, wird ein schlechtes Wort gegen sie gesagt. Heute schwinde das Vertrauen in die Medien. Die Journalisten müssten sich dieses Vertrauen immer wieder neu erkämpfen. Ihnen müsse die Politik die notwendigen Mittel geben, damit sie ihre Arbeit machen könnten. Dazu zählte sie ein modernes Pressegesetz, den anstehenden Gesetzentwurf zum Schutz von Whistleblowern und ein Informationszugangsgesetz. 

Oberweis hebt den Finger

Auch der ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser verurteilte Angriffe und Bedrohungen gegen Journalisten. Sie sollten die Politik hinterfragen; die Presse müsse und solle aufdecken, was falsch laufe, und die drei anderen Gewalten im Staat kontrollieren. Dieser Rolle würden sie jedoch nicht immer gerecht. In vielen Ländern wurden sie zu einem Sprachrohr der Regierungspolitik. Der politisch korrekte Mainstream toleriere keine anderen Meinungen. Dies wollte Kartheiser an der Berichterstattung über Migrationspolitik, über die Problematik Klimawandel und nun am Thema Impfpflicht festmachen. Massiv kritisiert würden die Menschen, die sich zusammenschließen, um sich gegen die Regierungspolitik zu äußern.

Eine logische Folge der Pressefreiheit sei ihre Verantwortung für Meinungsvielfalt und gepflegte Streitkultur. Personen würden sich wehren, würden sie in Zeitungen angegriffen.

Als einzige Rednerin nannte Nathalie Oberweis („déi Lénk“) Ross und Reiter, indem sie in Sachen Angriffe auf die Presse auf die ADR und ihre Abgeordneten verwies. Unabhängige Journalisten seien in Spannungszeiten oftmals unerwünscht. Es würde ihr nicht im Traum einfallen, vor Gericht zu gehen, würden ihr Presseberichte nicht gefallen. Sie beschuldigte die ADR, Stimmung gegen unabhängige Medien zu machen. Wenn Leute in diesem Haus (Parlament) Stimmung gegen Journalisten machen, verwundere es nicht, dass sie draußen angefeindet würden.

Oberweis warf Kartheiser im Zusammenhang mit der Drogenproblematik im hauptstädtischen Bahnhofsviertel rassistische Aussagen vor, was dieser jedoch vehement zurückwies. Wenn der Staatsanwalt die Parlamentarier informiere, dass die meisten Täter aus Nigeria und der Subsahel-Zone stammten, sei das kein Rassismus. In der ADR toleriere man keinen Rassismus. 

Wem Presseberichte nicht gefallen, könne darauf reagieren, indem er einen Leserbrief schreibt, sich in den sozialen Medien äußert oder beim Presserat vorspricht, so Sven Clement (Piratepartei). Einen Journalisten unter Druck zu setzen, das gehe nicht. Mit Erpressungen erreiche man nichts. Wer sofort zum Staatsanwalt laufe, zeige lediglich, dass er Druck auf den Journalisten ausüben wolle.

Bettel schließt Anpassungen an Transparenzgesetz nicht aus

Die Problematik missbräuchlicher Gerichtsklagen Slapp (für „Strategic Lawsuits against Public Participation“) beschäftige auch die EU-Kommission, so Premier- und Medienminister Xavier Bettel. Der EU-Text werde sofort in luxemburgisches Recht umgesetzt. Nicht annehmbar sei, was derzeit gegenüber der Presse geschehe. Man lebe in einem Land mit Meinungsfreiheit, aber Hass sei keine Meinung, Einschüchterung und Gewalt ebensowenig. Besonders heute sei es wichtig, dass Journalisten frei arbeiten könnten. Und dazu gehöre auch der Zugang zur Information. Die sogenannte Circulaire Bettel habe ihr Ziel verfehlt, so Bettel. Das Rundschreiben verpflichtet Beamte, dem jeweiligen Pressesprecher der Behörde die vom Journalisten beantragte Information weiterzureichen. Er schloss Anpassungen am Transparenzgesetz, das Einsicht in Verwaltungsakten ermöglicht, nicht aus.

Es bestehe derzeit kein spezifischer Gesetzesrahmen zum Schutz von Journalisten, sagte Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“). Für sie gelten wie in Belgien und Deutschland die Bestimmungen des Strafgesetzbuches. Anders in Frankreich. Dort bestrafe ein Gesetzesartikel ausdrücklich die Veröffentlichung von Daten, die es erlaubten, die Identität einer Person festzustellen und damit diese Person zu gefährden. Dabei werde ausdrücklich auf Journalisten hingewiesen. Auch seien höhere Strafen vorgesehen. Dies unterstreiche, dass es nicht harmlos sei, wenn die Adresse von Personen oder wie sie erreichbar sind, veröffentlicht würde, so Tanson. – Der ADR-Abgeordnete Roy Reding hatte in einem Telegram-Kanal von Impfgegnern die Handy-Nummer eines Tageblatt-Journalisten veröffentlicht.

Einstimmig verabschiedete das Parlament eine Resolution, in der die Abgeordneten ihre Bereitschaft unterstreichen, die Medien zu schützen.