Parallelwelt Studium: So (und darum) studiert man Philosophie

Parallelwelt Studium: So (und darum) studiert man Philosophie

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Die meisten kennen ihn durch seinen Blog. Kaum jemand beschäftigt sich so detailliert mit der rechten Szene wie er: Maxime Weber*. Allerdings ist der luxemburgische Student auch mit Herausforderungen wie Mario-Kart-Rennen, WG-Partys und seinem Philosophiestudium konfrontiert. Teil drei unserer Campus-Serie „Parallelwelt Studium“, die uns in Maximes Uni-Leben eintauchen lässt.

Von Maxime Weber

Wenn ich Menschen davon erzähle, dass ich Philosophie studiere, folgt neben dem berühmt-berüchtigten „Und was willst du später damit machen?“ – dem Nemesis aller Geisteswissenschaftler – gerne mal die Frage, was genau ich denn jetzt eigentlich in meinem Studium anstelle. Nicht zuletzt weil seit einiger Zeit selbst kleinste Unternehmen oder Restaurants ihre Unternehmensstrategien plötzlich als „Philosophien“ betiteln – was zu einer Verwässerung des Begriffs im alltäglichen Sprachgebrauch geführt hat – und die akademische Philosophie im Gegensatz dazu kein besonders großes Talent darin besitzt, sich attraktiv zu vermarkten, erschließt es sich für Außenstehende nämlich oft nur sehr schwer, was das Studium eigentlich ausmacht.

Weil Philosophie so ein fester und unauffälliger Bestandteil meines Alltags geworden ist, dass ich gar nicht mehr bewusst drüber nachdenke, was ich da eigentlich tue, bringt mich besagte Frage dann auch jedes Mal ins Straucheln. Genau diese perplexe Reaktion liefert aber auch schon einen ersten Hinweis auf eine mögliche Antwort darauf.

Staunen über die Welt

Das Staunen, so schrieb Platon – neben den Vorsokratikern und Sokrates der eigentliche Vater der westlichen Philosophietradition – in seinem Dialog Theaitetos, ist „[…] die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt, ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen“. Abgesehen davon, dass in dieser Umschreibung außen vor gelassen wird, dass Frauen auch staunen – was leider exemplarisch für die selbst heute noch im Vergleich zu anderen Geisteswissenschaften erschreckend männerdominierte akademische Philosophie ist –, beschreibt dieser Satz sehr gut, was Philosophie und ihre vielfältigen Teilgebiete im Kern auszeichnet: Man wundert sich über Dinge, die im Dahinleben tagein, tagaus gewöhnlich für bare Münze genommen werden. Warum empfinden wir Kunstwerke als schön? Warum können wir uns in andere Menschen hineinversetzen und mit ihnen mitfühlen? Warum ist überhaupt etwas, und nicht nichts?

Allerdings – und das ist meines Erachtens nach einer der größten Irrglauben über die akademische Philosophie – „philosophiert“ man nun nicht einfach so drauf los, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Zunächst einmal wird im Fach sehr viel Wert auf ein systematisches und argumentatives Vorgehen sowie begriffliche Präzision bei der Ausformulierung der eigenen Gedanken gelegt.

Dazu ist es im Angesicht der mehrtausendjährigen Geschichte, die das Fach bereits auf dem Buckel hat, mehr als sicher, dass sich schon irgendjemand vor einem mit dem spezifischen Thema befasst hat, das einen in Staunen versetzt. Insofern ist das Lesen philosophischer Texte ein zentraler Pfeiler des Studiums. Vor allem im Master verbringt man den größten Teil seiner Studienzeit damit, zu Hause oder in der Bibliothek den allwöchentlichen Lesestoff zu bewältigen, der einem auferlegt wird, und sich eigene Gedanken dazu zu machen. Allerdings findet Philosophie nicht nur im stillen Kämmerlein (oder so wie im Falle von Descartes in einem Heizofen) statt.

Ein weiteres Herzstück des Fachs sind die Diskussionen in Seminaren und Kolloquien. Hierbei werden Studierende sogar oftmals von den Dozenten explizit dazu ermuntert, die in den behandelten Texten oder Arbeiten von anderen Studierenden aufgestellten Thesen anzuzweifeln und Gegenargumente darzubringen. Das wiederum ist ein erheblicher Unterschied zu anderen Studiengängen, in denen die gegenwärtigen Erkenntnisse und Paradigmen der jeweiligen Wissenschaften meist nur vorgetragen werden, ohne dass die Möglichkeit zur kritischen Diskussion besteht. Das ist dann auch der Grund, weswegen es im Philosophiestudium kaum Klausuren gibt – es widerstrebt der auf kritisches Denken und Argumentieren ausgelegten Natur des Fachs selbst, einfach nur Wissen abzufragen. Stattdessen schreibt man in Philosophie als Prüfungsleistungen vor allem Hausarbeiten und Essays, in denen man eigenen philosophischen Fragestellungen nachgeht.

Neben Seminaren und Kolloquien gibt es auch noch die Möglichkeit, außeruniversitäre Lesekreise zu besuchen. Gerade bin ich in einem zu Martin Heideggers „Sein und Zeit“, bei dem ich mich einmal wöchentlich mit Studienfreunden privat treffe, um über solche Sätzen wie „Im Gebrauch des zunächst und unauffällig zuhandenen Uhrzeugs ist die Umweltnatur mitzuhanden“ zu brüten und zu diskutieren.

Nicht nur Selbstzweck

All das ist primär Selbstzweck. Im Studium der Philosophie wird die anthropologische Konstante des Staunens über die Welt in ihre vollendetste Form gebracht; genauso wie alle anderen Wissenschaften hat sie daher intrinsischen Wert und bedarf keiner weiteren Rechtfertigung. Die Diskussionen in ihr werden vor allem um ihrer selbst willen geführt, egal wie abwegig oder haarsträubend sie manchmal auf Außenstehende erscheinen mögen. Insofern ist es eigentlich auch vollkommen unsinnig, den Wert der Philosophie – oder jedweder anderen Wissenschaft – danach bemessen zu wollen, ob sie jetzt „nützlich“ für die Gesellschaft (worunter meistens auch bloß die ökonomische Verwertbarkeit verstanden wird) ist oder nicht.

Nichtsdestotrotz bin ich der Ansicht, dass die akademische Philosophie auch außerhalb ihres universitären Elfenbeinturms sehr viel bewirken kann. Sowohl in den Seminaren als auch beim Lesen philosophischer Werke eignet man sich nämlich langsam ein gewisses systematisches Denken über abstrakte Sachverhalte an, das Klarheit in die eigenen Gedanken bringt. Das wiederum kann einem dann beispielsweise dabei helfen, fehlerhafte Argumente oder begriffliche Unstimmigkeiten in der Rhetorik von Demagogen aufzudecken – weswegen Philosophie auch (wie sie im Laufe der Geschichte bereits mehrmals unter Beweis gestellt hat) ein nicht zu unterschätzendes Potenzial als Werkzeug emanzipatorischer Politik hat. Dazu kann die Philosophie wichtige Erkenntnisse für andere Wissenschaften liefern. So hat beispielsweise die Auseinandersetzung mit parakonsistenter Logik in der analytischen Philosophie zur Entwicklung von „Paraconsistent Artificial Neural Networks“ (PANN) in der Medizin beigetragen, mit deren Hilfe sich schwarzer Hautkrebs leichter diagnostizieren lässt.

Und auch wenn es in der akademischen Philosophie sehr umstritten ist, ob Philosophie jetzt als Lebenshilfe fungieren soll oder nicht, kann ich zumindest für mich behaupten, dass das genaue Lesen von philosophischen Werken im Rahmen meines Studiums meine Beziehung zur Welt tief geprägt und mir auch viel Inspiration für meine kreativen Projekte geliefert hat – was dann auch erklärt, wieso Philosophie so ein fester und deswegen umso unauffälligerer Bestandteil meines Lebens geworden ist.

Abgesehen davon hat mir die Struktur meines Studiums auch sehr viel über Selbstdisziplin bei der Einteilung meiner Zeit beigebracht. Mehr dazu in meinem nächsten Artikel.


Maxime Weber wurde 1993 in Luxemburg geboren und schloss 2017 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München seinen B.A. in Philosophie ab. Zurzeit absolviert er im selben Fach an der Freien Universität in Berlin seinen M.A. Seit 2011 berichtet er auf seinem Blog (der zunächst „Lorgthars mythische Schreibkammer“ hieß, ehe er 2014 in „Maxime Weber Blog“ umbenannt wurde) über die Aktivitäten der rechten Szene in Luxemburg. Im Mai 2018 erhielt er für diese Arbeit von der gleichnamigen Stiftung den „Prix René Oppenheimer“. Daneben schreibt er Prosa- und Songtexte; 2016 wurde seine Kurzgeschichte „Chaudron fêlé“ beim Jugendliteraturwettbewerb „Prix Laurence“ mit dem ersten Preis in der Alterskategorie 18-26 Jahre ausgezeichnet. Momentan sitzt er an einem Roman mit dem Arbeitstitel „Mnemosyne“. Außerdem dreht er hin und wieder Kurzfilme und ist bei diversen musikalischen Projekten tätig. Maxime war zudem Tageblatt-Praktikant.

Leonie
3. Juli 2018 - 15.40

Jo Här Weber.dat froen ech mech scho laang . wéi kann een denken ,denken kënnen ze léieren an dobei denken ze iwerliewen. Ech denke politik wier do viergezeeched!