C.M. Spoo„Papa Spoo“: Heute vor 125 Jahren wurde der erste „Sozialist“ in der Chamber vereidigt

C.M. Spoo / „Papa Spoo“: Heute vor 125 Jahren wurde der erste „Sozialist“ in der Chamber vereidigt
Caspar Mathias Spoo Foto: Archiv Tageblatt/Photothèque de la Ville de Luxembourg/Col. Marcel Schroeder

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Heute vor 125 Jahren wurde der erste „Sozialist“ in der Chamber vereidigt. Caspar Mathias alias C.M. Spoo rüttelte bereits bei seinem Amtseid am erzkonservativen Fundament des Parlaments. Er setzte sich für die Luxemburger Sprache ein und war in vielen anderen Gebieten ein Pionier. Porträt des Mannes, den die Menschen anerkennend „Papa Spoo“ nannten. 

„Hien wor gewessermooßen de Repräsentant vun engem jonge Staat, deen amgaang wuar, sech ze moderniséieren, d.h. d’Rechter an d’Pflichten vu sénge Bierger eescht ze huelen“, sagte der 2018 verstorbene Cornel Meder bei der akademischen Sitzung zum 100. Jubiläum der „Sozialisten an der Chamber“ im Jahr 1996. Am 10. November 1896, also heute vor 125 Jahren, wurde Caspar Mathias Spoo im Alter von 59 Jahren als Deputierter vereidigt. Er war der erste nicht-konservative Politiker im Luxemburger Parlament und mischte mit dem wenige Monate später nachgerückten Michel Welter das erzkonservative politische Establishment auf. Was nichts anderes als den Beginn einer Zeitenwende im Großherzogtum markierte. Und die Geburtsstunde der sozialdemokratischen Politik in der Chamber war. 

Die Zeitenwende begann am Tag seiner Vereidigung. Spoo trat ans Rednerpult und sagte auf Luxemburgisch: „Éier ech mäin Eed ofleen, méicht ech op den Artikel 57 vun onser Verfassung hiweisen.“ Darin hieß es, dass die Deputierten ihren Eid auf den König-Großherzog abzulegen hätten. Luxemburg aber hatte seit 1890 in Adolphe einen eigenen Großherzog. Das Parlament hatte die Verfassung nicht dahingehend geändert, denn dann wären noch weitere Aktualisierungen nötig gewesen und die Chamber hätte sich wegen der Verfassungsfragen auflösen müssen. Das wollten die um ihre Pfründe bangenden Abgeordneten nicht. Also wies Spoo darauf hin, dass er, indem er den Eidesschwur nur auf den Großherzog leiste, gegen die Verfassung verstoße. Im gleichen Atemzug forderte er dessen Reform. Und wenn man schon dabei wäre, dann könne auch der erste Punkt seines Wahlprogramms, die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, in die neue Verfassung aufgenommen werden. Die 44 konservativen Deputierten müssen arg gestaunt haben ob dieser Worte, die die Richtung vorgaben, in die es fortan ging.

Wahl-Escher

Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Luxemburg nach dem Zensuswahlrecht gewählt. Nur Männer ab 25 Jahren durften an die Urnen und sie mussten dafür bezahlen. Bis 1890 waren es 30 Franken, 1892 wurde die Summe auf 15 Franken halbiert, was die Wahlbeteiligung quasi verdoppelte. Allerdings auf sehr niedrigem Niveau, nämlich von 3,5 Prozent der Gesamtbevölkerung (damals rund 200.000) auf 6,8 Prozent. Das System garantierte lange, dass die „bessere Gesellschaft“ bei den Wahlen unter sich blieb und ihresgleichen wählte.

Grab von Caspar Mathias Spoo in Esch
Grab von Caspar Mathias Spoo in Esch Foto: Philip Michel/Editpress

Auch Spoo gehörte zu den Notablen. Er war Industrieller und Geschäftsmann. Geboren wurde Caspar Mathias am 7. Januar 1837 als eines von neun Kinder einer Arbeiterfamilie aus Echternach. Als seine Eltern früh starben, war Caspar Mathias’ Schulkarriere zu Ende. Er trat eine Stelle als Notarschreiber an, wechselte später in die Postverwaltung. Mit 25 heiratete er Barbara Kiesel, mit der er vier Kinder haben sollte, u.a. den späteren Bürgermeister von Esch, Armand Spoo. 1874 gründete C.M. Spoo mit seinem Freund, dem Autor André Duchscher, die „Gebrüder Duchscher & Spoo – mechanische Werkstätte, Schlosserei und Eisenhütte zu Wecker/Luxemburg“ (später „Usines de Wecker“). Schnell wurde eine Filiale in dem sich durch die Stahlindustrie rasant entwickelnden Esch eröffnet. Als es 1888 nach einem Streit zur Spaltung der Firma kam, übernahm Spoo die Ateliers im Süden des Landes. Er etablierte sich in der Escher Gesellschaft, nahm am Vereinsleben teil und engagierte sich für Kunst und Literatur.

Et soll een ëmmer schwätze, mäi Jong, Wéi engem de Schniewel gewues as! D’Trei lieft am Härz, d’Wourecht op der Zong! Verstell déch nët, weis déch, wéi’s de bas!

Caspar Mathias Spoo

1893 wurde Spoo in den Escher Gemeinderat gewählt. Drei Jahre später kandidierte er für einen der sieben Sitze des Kantons Esch im Parlament. Dabei verfolgte er humanistische Ziele: Er forderte das allgemeine Wahlrecht, eine progressive Einkommensteuer, die Entlastung der Gemeinden und soziale Gesetze wie den Arbeiterschutz. Zudem trat er für mehr Gewicht des Escher Kantons ein. Er war ein exzellenter Rhetoriker und publizierte seine Manifeste gemeinsam mit seinem Mitstreiter Dr. Michel Welter im 1895 gegründeten „Escher Courrier“. Die beiden führten so den modernen Wahlkampf in Luxemburg ein. Sie hielten Wahlversammlungen ab und präsentierten ein politisches Programm, das kostenlos verteilt wurde.

Der Grabstein von C.M. Spoo
Der Grabstein von C.M. Spoo Foto: Philip Michel/Editpress

Heimatsprache

Spoo und Welter traten als „Demokraten“ zu den Parlamentswahlen 1896 an. Während Spoo im Juni im zweiten Wahlgang einen Chambersitz ergatterte, rückte Welter im Januar 1897 für den verstorbenen Foetzer Deputierten Théodore de Wacquant ins Parlament nach. Spoo und Welter waren Vertreter der intellektuellen Linken und so die Vorreiter der „Sozialdemokratesch Partei“, die 1902 inoffiziell und 1903 offiziell gegründet wurde und die erste bedeutende Partei des Landes war. Im Parlament bildete sie später mit den Liberalen den sogenannten „Block“ gegen die konservative Übermacht.         

Spoo und Welter scherten sich ganz offensichtlich wenig um Konventionen. Allein die Tatsache, dass C.M. Spoo bei seiner Vereidigung Luxemburgisch sprach, werteten viele als Affront. Als er auch seine Rede in der Budgetdebatte am 9. Dezember 1896 in Luxemburgisch hielt, hatten die restlichen 44 Deputierten die Nase voll. Sie stimmten ab, dass kein Parlamentarier das Recht habe, „de se servir de l’idiome du pays dans nos débats publics“. Artikel 29 der Verfassung von 1868 halte Deutsch als Amtssprache fest und Luxemburgisch sei letztendlich nichts anderes als Deutsch, so die Argumentation.

„Ons Sproch as déi deitsch – an nawell méi al a méi éierwärt … wéi dat sougenannt Houdäitsch“, hatte Spoo dagegengehalten. Sie sei „ee vun den gesontesten a räichsten Idiome vun der germanescher Zong – e feierfeste Geldschaf voll kosperer Sproochrieden a Wierder“. Er publizierte auf Luxemburgisch Texte für „Ons Hémecht“. Darunter eine autobiografische Serie über das Leben seiner Schwester Elisabeth, die später unter dem Titel „Soeur Marie du Bon Pasteur“ als Buch herausgegeben wurde. Es war auch und v.a. Spoos Verdienst, dass Luxemburgisch im Schulgesetz von 1912 zum Pflichtfach in der Primärschule wurde.

Dass er Michel Rodanges Renert in Vorträgen und auf Leseabenden der breiten Öffentlichkeit zugänglich machte, trug zu Spoos Popularität bei. Während Michel Welter den Spitznamen „der rote Doktor“ hatte, wurde Caspar Mathias von den Menschen liebevoll „Papa Spoo“ genannt, was seine außergewöhnliche Popularität unterstreicht. Am 17. März 1914 starb C.M. Spoo im Alter von 77 Jahren und wurde auf dem Escher Sankt-Joseph-Friedhof begraben. Bis zu seinem Tod hatte er in der Abgeordnetenkammer gesessen und seinen Anteil daran, dass 1901 die Arbeiterkrankenkassen, 1902 eine gesetzliche Regelung bei Arbeitsunfällen, 1906 der Bau von Arbeiter-Siedlungen oder 1908 die Alters- und Invalidenrenten für Arbeiter beschlossen wurden. Die treibenden Kräfte aber waren inzwischen andere, vor allem Michel Welter. So konnte sich Spoo auf seine Lieblingsthemen, die Escher Industrie- und Handelsschule sowie eine interkommunale Tram für den Süden, konzentrieren.     

Quellen:
Broschüre „100 Joer Sozialistesch Députéiert 1896-1996“ (POSL)
Luxemburger Autorenlexikon des CNL
Luxemburger Lexikon (Editions Binsfeld)

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