GesundheitskommissionOpposition: Regierung kann Effektivität der Ausgangssperre nicht belegen

Gesundheitskommission / Opposition: Regierung kann Effektivität der Ausgangssperre nicht belegen
Leere Straßen werden das Luxemburger Land auch weiterhin prägen: Die Ausgangssperre wird ausgeweitet Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Insgesamt viermal verwies Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) auf der Pressekonferenz am Montag auf Experten und Wissenschaft, um die erneuten Corona-Maßnahmen zu rechtfertigen. Besonders die Effektivität der umstrittenen Ausgangssperre sollte am Dienstag in der zuständigen Kommissionssitzung belegt werden. Die Opposition vermisst auch nach der Sitzung einen wissenschaftlichen Nachweis.

Zwei Studien hat die Luxemburger Regierung den Abgeordneten im Gesundheitsausschuss der Chamber vorgelegt. Zwei Studien, die belegen sollen, dass die Ausgangssperre eine effektive Maßnahme zur Eindämmung des Infektionsgeschehens ist. „Das ist nicht passiert“, kommentierte der Piraten-Abgeordnete Sven Clement am Dienstagmorgen die Sitzung. „Das war eine Meinungsdiskussion – es wurden jedenfalls keine Studien vorgelegt, die die Ausgangssperre rechtfertigen.“ 

So sieht das auch Marc Baum, Abgeordneter von „déi Lénk“: „Wir haben am Montagabend noch einige Dokumente erhalten, doch auch darin ist kein Beweis für die Wirksamkeit einer Ausgangssperre enthalten“, sagte er. Tatsächlich sei eine französische Studie („Etude ComCor sur les lieux de contamination au SARS-CoV-2“) zitiert worden – die jedoch auf Basis einer Umfrage lediglich herausfinden wolle, wo sich die Leute infizieren. Die Hauptinfektionsquellen liegen im Privaten und auf der Arbeit – da würden dann aber keine weitreichenden neuen Maßnahmen getroffen, sagte Baum. Oder wie Sven Clement kommentierte: „Das nenne ich Cherry Picking der Regierung – auf Deutsch: Rosinenpickerei.“

„Diese Studie wurde zudem erst im Dezember publiziert und die Regierung rechtfertigt anhand dieser Studie jetzt die Schließung des Horeca-Sektors im November“, kritisierte Sven Clement die „Ex-post-Rechtfertigungen“ der Regierung.

„Umstrittene Studie“

Eine zweite – ebenfalls französische – Studie („Evaluating the impact of curfews and other measures on SARS-CoV-2 transmission in French Guiana“), die in der Kommissionssitzung aufgeführt wurde, sei hingegen wissenschaftlich umstritten und die Umstände nicht auf Luxemburg applizierbar, meinten sowohl Sven Clement als auch Marc Baum. Die Studie untersuchte die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen während der ersten Corona-Welle in Französisch-Guyana.

Tatsächlich sind die Umstände in Französisch-Guyana etwas anders als in Luxemburg. Abgesehen von den geografischen, demografischen und klimatischen Bedingungen differiert auch der Umfang der Corona-Maßnahmen. So galt ab dem 11. Mai eine Ausgangssperre in Kombination mit anderen Maßnahmen, die bis zum 25. Juni stetig verschärft wurden. Ab dann galt in dem französischen Überseegebiet eine Ausgangssperre von 17 Uhr bis 5 Uhr morgens in der Woche und ab 13 Uhr am Samstag galt eine Ausgangssperre für das komplette Wochenende. Die französischen Behörden reagierten damit auch auf die Infektionslage im benachbarten Brasilien. Restaurants mussten schließen, die Grenze zu Brasilien wurden geschlossen und 23 „Hoch-Risiko“-Areale wurden komplett in den Lockdown versetzt.

„Korrelation ist nicht gleich Kausalität“

„Ich habe in der Ausschusssitzung noch einmal genauer nachgefragt, wo denn die Beweise für die Wirksamkeit einer Ausgangssperre stehen würden. Als Antwort wurde mir lediglich gesagt, dass das aber sehr schwer nachzuweisen sei“, sagte Marc Baum nach der Kommissionssitzung gegenüber dem Tageblatt.

Auch Sven Clement hat Probleme mit der Beweislogik der Regierung: „Die Argumentation, dass in jedem der Länder, in denen eine Ausgangssperre herrschte, die Infektionszahlen gesunken seien, reicht nicht. Korrelation ist nicht gleich Kausalität.“ Als Gegenbeispiel könne da Antwerpen dienen. Die Stadt habe als eine der ersten Städte in Belgien eine Ausgangssperre eingeführt und sei dennoch sehr stark von der Corona-Krise getroffen worden. Die Regierung solle zugeben, wenn sie nicht wolle, dass die Leute sich zu Hause treffen. Die Ausgangssperre hingegen als sanitäre Maßnahme zu betiteln – „do kréien ech Bauchwéi“, sagte der Piraten-Abgeordnete.

Auch die CSV, die die vorherige Ausgangssperre mitgetragen hat, steht der Ausweitung eher kritisch gegenüber. „Die vorherige Ausgangssperre erschien uns logisch, da das soziale Leben noch teilweise stattfinden konnte und man somit die sozialen Kontakte etwas einschränken konnte. Die Erklärung, die die Regierung für die jetzige Ausgangssperre vorlegt, erscheint uns jedoch nicht ganz schlüssig“, so der CSV-Abgeordnete Claude Wiseler. Auch seien die Schlussfolgerungen aus den zwei Studien, die die Regierung als Basis gebrauche, nicht ganz klar. „Die Ausgangssperre ist ein maximaler Eingriff ins Privatleben. Die Proportionalität der Maßnahmen erschließt sich uns nicht, da das soziale Leben ohnehin stillsteht“, sagte der CSV-Politiker im Gespräch mit dem Tageblatt.

Die ADR bleibt bei ihrer Position und wird die Ausgangssperre weiterhin nicht mittragen. „Das passt nicht zu einer freien Gesellschaft“, erklärte Jeff Engelen, Abgeordneter der ADR im Gesundheitsausschuss. Die Argumentation der Regierung sei auch nur schwer nachvollziehbar. „Es werden Statistiken und Zahlen vorgelegt, doch es fehlen immer wieder relevante Informationen. Wie die Ausweitung der Ausgangssperre bei der aktuellen Situation helfen soll, ist jedenfalls unklar“, sagte Engelen.

Gronnar
25. Dezember 2020 - 12.34

"Regierung kann Effektivität der Ausgangssperre nicht belegen" Also genau wie Subventionen für die Landwirtschaft, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Ortsumgehungen... Ohne Wahrsager ist das schwer.

de Schmatt
24. Dezember 2020 - 13.57

Scheinbar werden hier erneut Äpfel mit Birnen verglichen. Die Polizei soll einschreiten, wann und wo auch immer: Hauptsache ich bin nicht Gegenstand ihrer Kontrolle.

Romain
23. Dezember 2020 - 18.07

D'Ausgangsperr ass allerhand. Wann ech eleng oder matt enger Persoun aus eisem Stoodt ennerwee sinn, waat kann do geschéien. Ons Polizisten hätten besser sie giffen emool "Flagge zeigen" dou wou et néideg ass, wéi z.b. an der Staadt op der gare....

Jean Lichtfous
23. Dezember 2020 - 17.30

Oh Mann, ass dat dann esou komplizéiert ze verstoen ? All ( ! ) Mesuren - zesummen ( ! ) bewierken eppes. Dat ass dach schon honnert mol gesot gin. An et kann ee net eng eenzeg eraushuelen fir dann dorobber ze argumentéieren. Et mengt een déi Häre vun der Oppositioun géifen eppes verpassen wa si owes - fir 5 Wochen - net kennen un de Comptoir ee poutze goen. Wann daat Gefréckels alles ass wat si Opweises hun fir, wéi si net midd gin ze soen, d'Regierung ze "kontrolléieren", ma dann ass et net wäit hir mat hirem politesche Versteesdemech an Asaatz.

Gross
23. Dezember 2020 - 14.49

Lasst die Opposition reden, mit etwas Glück zerstreiten sie sich wieder mal zu unser aller Vergnügen.

en ale Sozialist
23. Dezember 2020 - 9.35

Die Opposition weiss nicht mehr was sie tun soll um sich zu profilieren, also ist sie gegen alles was die Regierung tut, auch wenn es im Falle von Corona ums Wohl der Gesundheit der Bürger geht. Dieser Haufen von Zerstrittenen können von Glück reden, dass sie nicht in der Verantwortung sind, ansonsten wäre das Chaos perfekt.

HTK
23. Dezember 2020 - 9.23

An die Opposition: Muss man einen Beleg dafür haben wenn man davon ausgeht(auch die Spezialisten),dass wer nachts um ein Uhr noch "zirkuliert" das sicher nicht tut um mit dem Hund spazieren zu gehen.Es geht um unnötige Kontakte in diesen Zeiten,um Non Stop Sitzungen um den runden Tisch mit einem Glas in der Hand usw. Ausgangssperren gibt es aus demselben Grund wie Radare oder Bußgelder,weil es eben Leute gibt die Regeln nicht einhalten. Es geht ja hier nicht um Kavaliersdelikte,liebe Opposition,es geht um das Leben ihrer Mitmenschen,wenn das ihre ihnen auch Wurscht ist.