ÖsterreichÖVP feiert Scheinsieg in Oberösterreich und verliert Graz an die Kommunisten

Österreich / ÖVP feiert Scheinsieg in Oberösterreich und verliert Graz an die Kommunisten
Der bisherige Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) muss der KPÖ-Spitzenkandidatin Elke Kahr in der zweitgrößten Stadt Österreichs Platz machen Foto: Erwin Scheriau/APA/dpa

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Auch wenn die Landtagswahlen in Oberösterreich der ÖVP ein kleines Plus bescherten, ist ein Nachlassen der Zugkraft von Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht zu leugnen. In Graz passierte am Sonntag sogar ein türkiser Super-Gau.

Um Superlative ist der Kanzler nie verlegen, wenn es um die Performance seiner Partei geht. So feierte der ÖVP-Chef denn auch Sonntagabend in Linz mit Landeshauptmann Thomas Stelzer ein „großartiges Wahlergebnis“. Genau danach schaut es auf den ersten Blick auch aus: Während die FPÖ um mehr als zehn Punkte auf 19,8 Prozent abstürzte, die SPÖ sich von ihrem 2015 markierten Rekordtief nur um 0,2 auf 18,6 Prozent verbessern konnte, baute die ÖVP ihre Spitzenposition auf 37,6 Prozent (plus 1,2) aus. Nur die Grünen legten von 10,3 auf 12,3 Prozent stärker, wenn auch schwächer als erwartet zu.

Schwächer als erwartet, das trifft jedoch auch auf die ÖVP zu. Denn die war bei der Landtagswahl 2015 am Höhepunkt der Flüchtlingskrise von über 46 auf 36 Prozent abgestürzt. Inzwischen hat Kurz die ÖVP übernommen und die FPÖ in der Ausländerpolitik rechts überholt. Ein Vierer vorm Komma war also die untere Latte für den erstmals antretenden Landeschef Stelzer. Die hat er weit verfehlt. Nur ein Bruchteil der vor sechs Jahren an die FPÖ verlorenen Wähler wurde zurückgeholt. Von denen blieben zwar viele tatsächlich nicht bei den Rechtspopulisten, sie zogen aber weiter zu einer neuen Partei mit nur einem Thema: Die gegen Covid-Schutzimpfung, Schutzmasken und Corona-Tests agitierende Gruppierung „Menschen-Freiheit-Grundrechte“ (MFG) übersprang ohne nennenswertes Wahlkampfbudget und ohne sonstige programmatische Ansagen locker die Vier-Prozent-Hürde. Mit 6,2 Prozent überflügelte sie die liberalen Neos, die es mit 4,2 Prozent gerade noch in den Landtag schafften.

Die ÖVP, die in Oberösterreich wohl ihre Koalition mit der FPÖ fortsetzen wird, strickt weiter an der Erzählung vom Höhenflug mit Kurz. Seit der 2017 Parteichef wurde, hat die ÖVP zwölf Wahlen gewonnen. Dass sie am Sonntag in Oberösterreich den massiven Verlust der vorangegangenen Wahl nur zu einem Bruchteil egalisieren konnte, wird mit dem Hinweis auf neue Mitbewerber ausgeblendet. Die Türkisen feiern – und räumen nur hinter vorgehaltener Hand ein, dass der Kurz-Turbo nicht mehr so wirkt wie vor dem Ibiza-Skandal, der nicht nur die FPÖ als potenziell korrupten Verein entlarvt, sondern auch die türkise Mischpoche in Wien entzaubert hat.

„Stalingraz“

In der zweitgrößten Stadt Österreichs kann sich die ÖVP einen positiven Kurz-Effekt nicht einmal mehr einreden. Denn in der steirischen Landeshauptstadt Graz stürzte sie am Sonntag bei der Gemeinderatswahl um 12 Punkte auf 25,6 Prozent ab und wurde ausgerechnet von den Kommunisten überflügelt. Die im Rest Österreichs bedeutungslose KPÖ schnellte auf 29 Prozent, ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl muss Platz machen für die Kommunistin Elke Kahr.

Obwohl in sozialen Medien „Stalingraz“-Memes schon mit der Angst vorm roten Umsturz spielen, ist Kahrs Beschwichtigung, niemand bräuchte sich zu fürchten, wohl unnötig. Denn die Grazer Genossen haben nichts am Hut mit Stalin und Konsorten, sondern betätigten sich seit mehr als 20 Jahren erfolgreich in der Wohnbaupolitik, für die Kahr als Stadträtin verantwortlich zeichnet. Sie vertreten Mieter in Konflikten mit Vermietern und treiben Investitionen in den Wohnungsbau voran. Jeder steierische KPÖ-Mandatar muss zudem den über 2.300 Euro hinausgehenden Teil seiner Politikergage in einen Fonds für Bedürftige einzahlen. Damit hat die KPÖ vor zehn Jahren schon die SPÖ ins Zehn-Prozent-Nirwana vertrieben, jetzt war die seit jeher dominierende ÖVP an der Reihe.