Mit Systematik zum ZielObstsortenbestimmung – Ein Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt

Mit Systematik zum Ziel / Obstsortenbestimmung – Ein Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt
 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Rund 700 Obstsorten prägten einst das Erscheinungsbild in den Luxemburger Obstgärten. Vielen Mitmenschen ist diese Sortenvielfalt heute unbekannt. Die alten Streuobstwiesen sind vom Aussterben bedroht, Monokulturen bestimmen den Absatzmarkt. Mit verschiedenen Aktionen versucht das Naturschutzsyndikat SIAS, im Osten des Landes die noch verbleibenden Obstsorten zu retten. Am vergangenen Mittwoch führte Biodiversitätsexperte Marc Thiel im Rahmen eines öffentlichen Vortrags im Kulturzentrum in die Identifikation alter Obstsorten ein.

Die wichtigsten Erkennungskriterien, etwa bei Äpfeln, sind die Früchte selbst. Sie unterscheiden sich in Form, Farbe und Gewicht und vor allem durch den Zeitpunkt ihrer Reife und die Haltbarkeit. Die Form, Struktur und Länge des Stängels liefern zusätzliche Hinweise für die Identifikation. In weiteren Etappen geht es um das Innenleben des Apfels, sprich des Fruchtfleischs. Dieses unterscheidet sich durch die Farbe, eine mehlige, saftige oder feste Struktur. Das Kriterium für wahre Gourmets ist der Apfelgeschmack. Dieser kann süß, etwas sauer, manchmal auch mehlig sein. Während moderne Züchtungen nach dem Anbeißen nur wenig
Braunfärbung des Fruchtfleisches zeigen, ist diese Oxidation bei alten Sorten eher stärker ausgeprägt.

Nach der Untersuchung des Fruchtfleischs führt ein weiterer Bestimmungsschritt in das Kerngehäuse des Apfels. Auch hier gibt es wiederum wesentliche Unterscheidungsmerkmale, so Marc Thiel. Beispielsweise die Form, Struktur und Größe. Der Kern kann rundlich oder oval, klein oder groß sein. Die Fasern des Kerns variieren von fest bis grob und können je nach Sorte anders gestreift sein. Nach einer gut gefüllten Portion Theorie führte Marc Thiel die Anwesenden anhand unterschiedlicher Äpfel in die praktische Sortenbestimmung ein.

Das Ende der Biodiversität

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Mit den Obstbestimmungskursen möchte das Naturschutzsyndikat SIAS auf schwerwiegende Probleme in der Biodiversität im Luxemburger Obstanbau hinweisen. Viele alte, teils ungenutzte Streuobstwiesen sind ungepflegt. Die Baumbestände sind sehr alt. Mit dem Umfallen oder Roden von alten Obstbäumen verschwinden die alten Obstsorten, so der Experte. Dass die Sortenvielfalt zusehends schrumpft, hat mehrere Gründe. Diese reichen zurück bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zwischen den beiden Weltkriegen
verdrängten erste Plantagen die Streuobstwiesen. Neue Sorten wurden herangezüchtet, die möglichst überall gepflanzt werden können sollen. Ohne Pflanzenschutzmittel kommen ertragreiche Monokulturen nicht aus.

Alte Sorten sind an die jeweiligen regionalen Bodenbeschaffenheiten sowie an das lokale Mikroklima angepasst. Sie brauchen kaum Pflanzenschutzmittel, sind jedoch weniger ertragreich. Moderne Züchtungen hingegen sind auf maximale Erträge, Transportfestigkeit und Lagerfähigkeit ausgerichtet.

Diese, zum Schaden der Biodiversität negative Entwicklung ist teilweise von der Kundschaft verschuldet, so Marc Thiel gegenüber dem Tageblatt. Zu Beginn des 19. und 20. Jahrhunderts spielte Obst eine wichtige Rolle in der Gesellschaft. So wurde es als Frischobst zum sofortigen Verzehr genutzt oder als Lagerobst über den Winter in kühlen Kellern gehortet. Darüber hinaus wurde es in der Küche zu Marmelade, Kompott, Kuchen oder Trockenobst verarbeitet. Ebenso wurde das Obst in Viezereien und Brennereien zu Saft verarbeitet oder gebrannt.

Kostenlose Obstbäume für den heimischen Garten

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Die Anwendungsvielfalt förderte eine Vielzahl an verschiedenen Obstsorten zutage, die alle auf ihre Weise eine Funktion hatten und speziell hierfür kultiviert wurden. Heutzutage geraten die alten Obstsorten mit ihren speziellen Eigenschaften jedoch mehr und mehr in Vergessenheit. Das Wissen um sie geht verloren und die Nachfrage nach Sorten geht aufgrund des gesellschaftlichen Wandels zurück. Fällt der letzte Altbaum einer Sorte, stirbt mit dem Baum diese Obstsorte aus.

Dem will die biologische Station SIAS entgegenwirken. So wurden im vergangenen Jahr im SIAS-Gebiet insgesamt 2104 Obstbäume gepflanzt und 1.883 Obstbäume zurückgeschnitten, so Marc Thiel. Um den Anbau der alten Obstsorten zu fördern, bietet das Naturschutzsyndiakt in Zusammenarbeit mit den Gemeinden kostenlose Jungbäume an. Diese können Interessenten beim SIAS bestellen. Auskunft erteilt das Syndikat unter der Telefonnummer 34 94 10 oder per E-Mail an die Adresse sias@sias.lu.