EditorialOb der letzte Abschied erlaubt ist, liegt während der Krise in den Händen der Krankenhaus- und Pflegeheimdirektion

Editorial / Ob der letzte Abschied erlaubt ist, liegt während der Krise in den Händen der Krankenhaus- und Pflegeheimdirektion
Es ist die Aufgabe der Regierung, eine einheitliche Regelung auszusprechen. Damit jeder die Chance auf einen würdigen Abschied hat. Foto: Pascal POCHARD-CASABIANCA / AFP

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Ob Corona-Patienten, die im Sterben liegen, ihre Familie ein letztes Mal sehen dürfen, liegt zurzeit in der Hand der jeweiligen Krankenhaus- und Pflegeheimdirektion. Generell sind Besucher wegen des Ansteckungsrisikos verboten. Das wurde von der Regierung festgelegt. In dem ministeriellen Erlass steht auch, dass der Direktor des Krankenhauses oder des Pflegeheims im Ausnahmefall eine Ausnahmeregelung geltend machen kann. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn jemand im Sterben liege, so das Gesundheitsministerium auf Tageblatt-Nachfrage.

Bei ihrem Besuch der „Hôpitaux Robert Schuman“ (HRS) auf Kirchberg sagte Gesundheitsministerin Paulette Lenert gegenüber dem Tageblatt, dass das Erteilen einer solchen Ausnahmeregelung in der Verantwortung des jeweiligen Hauses liege. Jede Institution sei anders aufgebaut und organisiert und müsse demnach selber entscheiden, was am sichersten sei. „Diese Autonomie müssen wir den Krankenhäusern lassen“, so Lenert. Das Gesundheitsministerium sei in regelmäßigem Kontakt mit den Kranken- und Pflegehäusern und sehe, dass diese bemüht seien, die richtigen Entscheidungen zu treffen. „Natürlich sind das grausame Situationen“, gestand Lenert. Trotzdem könnten diese nicht einfach administrativ gelöst werden.

Obwohl die Häuser sich laut Angaben der Gesundheitsministerin miteinander austauschen, bestehen drastische Unterschiede darin, wie die Kranken- und Pflegehäuser die Ausnahmeregelung handhaben. Im HRS ist der Besuch im Fall eines sterbenden Patienten seit Anfang der Krise erlaubt – auch für mehrere Familienmitglieder. „Wenn ein Patient drei Kinder hat, dürfen sich alle drei nacheinander von ihm verabschieden“, sagte HRS-Generaldirektor Claude Schummer am Donnerstag dem Tageblatt. Im Escher „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ (CHEM) hingegen sind Besuche seit dem Beginn der Krise strikt verboten, Ausnahmen werden keine gemacht.

Wenn der Abschied verwehrt bleibt, wirkt sich das sowohl auf den Sterbenden als auch auf die Angehörigen und das Krankenhauspersonal aus. Alleine sterben zu müssen, sei unmenschlich, hatte die „Patiente-Vertriedung“ in einem offenen Brief an die Gesundheitsministerin geschrieben und an die Ministerin appelliert, bei den zuständigen Instanzen einzugreifen, damit auch in Krisenzeiten das Besuchsrecht sowie die Begleitung sterbender Menschen gesichert werden könnten. Bei Angehörigen verlängert sich der Trauerprozess ohne Abschied und es kommen häufig Schuldgefühle auf. Und auch das Krankenhaus- und Pflegeheimpersonal ist einer enormen Belastung ausgesetzt, wenn es dem sterbenden Patienten als Einziger beistehen kann.

Es darf nicht vom Krankenhaus oder vom Pflegeheim abhängen, ob ein Angehöriger dem eigenen Vater, der Mutter, der Großmutter oder dem Bruder ein letztes Mal die Hand drücken darf. Ein solch wichtiger Moment darf nicht in der Hand eines Krankenhaus- oder Pflegeheimdirektors liegen. Das ist nicht fair. Es ist die Aufgabe der Regierung, eine einheitliche Regelung auszusprechen – damit auch in Krisenzeiten jeder die Chance auf einen würdigen Abschied hat.

titi
2. Mai 2020 - 19.08

@ tonnar. Und wer wählt denn das Parlament und damit indirekt die Regierung? Wer wählt die politisch Verantwortlichen in den Kommunen und auf Landesebene?

tonnar
29. April 2020 - 17.46

@Jean Muller "Und das Schicksal der Regierung liegt in der Hand des Wählers." Nein, das Parlament entscheidet, der Wähler nicht. Das haben wir Ihnen doch schon mehrmals bei den letzten Wahlen erklären müssen.

Antoine
28. April 2020 - 9.07

Daat do ass daat Lescht vum Leschten. Wann eppes an der Colmarer Famill wir, wéi gifft der dann do maachen? Giff do och den Direkter vléicht NEE soen? Mon oeil.

Miette
27. April 2020 - 22.27

Es ist sehr traurig, wenn Sterbende nun nicht von ihren Lieben in den letzten Stunden des Lebens begleitet werden dürfen. Das bricht mir das Herz, wenn ich mir vorstelle so einsam und voller Sehnsucht auf liebevolle Worte und Gesten zu warten...vergeblich? Ich denke an unser Pflegepersonal, das sind Mitmenschen dene in dieser Krise das Herz blutet, wenn sie Sterbenden beistehen und ihnen sagen müssen... Sorry, darf nun keiner ihrer Lieben zu Ihnen, wir sind für Sie da! Danke all jenen, welche nun unsere Sterbenden an Stelle der Angehörigen begleiten. Bleiben sie bitte alle gesund❣❣❣

Anni Klausi
27. April 2020 - 13.40

Ich finde das eine grosse sauerei, man kann doch keinem menschen verbieten abschied zu nehmen von einem geliebten verwannten oder bekannten, das ist unehrenhaft, die menschen so alleine ohne familie sterben zu lassen , man muss sich fragen ob die politiker die dafür gestimmt haben, im fall dass ein familienmitglied von ihnen , sich auch an dieses verbot halten, oder gelten dort andere gesetze, ?

Jean Muller
27. April 2020 - 11.21

Und das Schicksal der Regierung liegt in der Hand des Wählers. Dazu gehören auch die verprellten Angehörigen.

Leila
26. April 2020 - 22.41

Da kann man sich ja bloß wünschen, dass kein Angehöriger oder man selbst dort landet. Hat man einen Einfluß darauf wo man hin kommt? Oder geht es darum, wo ein Bett frei ist, wer Dienst hat, ist es wohnortbedingt oder gar der soziale Status des Patienten?