Must-See-MoviesNoch ein lesbian period drama? „The World to Come“ von Mona Fastvold

Must-See-Movies / Noch ein lesbian period drama? „The World to Come“ von Mona Fastvold

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Vor einem knappen Jahr hatte man sich in der amerikanischen Sendung „Saturday Night Live“ noch über einen vermeintlichen Trend im Autorenkino lustig gemacht. In einem Sketch wurde mit der eingeladenen Carey Mulligan das lesbian period drama verballhornt. Das Historiendrama als Kostümfilm mit einer lesbischen Beziehung im Mittelpunkt des Geschehens.

„Portrait de la jeune fille en feu“ von Céline Sciamma war zu der Zeit ein relativer (Pandemie-Streaming-)Arthouse-Hit in den Vereinigten Staaten und mit „Ammonite“ – der schlussendlich, im Gegensatz zu seinem Debütfilm „God’s Own Country“, nie den Weg auf eine luxemburgische Kinoleinwand geschafft hat – in der Regie von Francis Lee und dem Duo Kate Winslet und Saoirse Ronan in den Hauptrollen kurz danach schien es den Autor*innen von SNL Grund genug zu sein, Faxen zu machen. Auch wenn „The World to Come“ auch noch ein dritter von diesem Schlag Film sein sollte, so steht dieser Trend noch sobald in keinem Verhältnis zu mehr als einem halben Dutzend Superheldenfilmen pro Jahr.

Der zweite Spielfilm der gebürtigen Norwegerin Mona Fastvold spielt sich – um sofort schon einmal einen Unterschied zu den vorhin genannten lesbian period dramas zu nennen – nicht in einer Küstenlandschaft ab. Ganz im Gegenteil: „The World to Come“ verschlägt es in den noch nicht ganz gezähmten Wilden Westen des 19. Jahrhunderts. Jedoch gezähmt genug, dass das patriarchale Wertesystem schon in diesen verschlagenen Gebieten seine Zelte aufgeschlagen hat und die Frauen auf ihre Plätze verweist.

Die von Katherine Waterston gespielte Abigail und ihr Mann Dyer (Casey Affleck) leben auf einem Hof und versuchen trotz der Steine, die die Natur dem Paar in den Weg legt, das Leben zu meistern. Glücklich und erfüllt ist Abigail aber noch lange nicht. Das hängt weniger mit der winterlichen Eiseskälte zusammen, die über Nacht die eigenen vier Wände zu erfrieren scheint, als mit der kläffenden Leere, die der Verlust des eigenen Kindes mit sich gebracht hat. Ihr Dyer lebt seither jedenfalls komplett in sich zurückgezogen und Abigail führt Tagebuch.

Eines Tages steht die benachbarte Tallie auf Abigails Veranda und stellt sich vor. Die beiden lernen sich kennen und werden Freundinnen, verbringen fast täglich Zeit miteinander. Dass diese Freundschaft aufgeladen ist und dass sie keine gutes Ende erfahren wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche, die Abigail seit dem Tod der Tochter nicht mehr besucht hat.

Ob nun bei „Portrait de la jeune fille en feu“, „Ammonite“ oder jetzt auch „The World to Come“: Bei den drei Geschichten ist der female gaze – der von Iris Brey im Buch „Le regard féminin“ verhandelte Begriff, der nicht nur der einfach umgekehrte male gaze ist – von enormer Wichtigkeit.

Wie die Frauenfiguren die Welt und Zwischenmenschliches erfahren und aufnehmen, steht im Zentrum dieser Spielfilme. Im Portrait ist es das Schauen und sinnliche Verarbeiten des Gesehenen, in Fastvolds Film ist es das An-Sich-Reißen seiner eigenen Narrative.

Trotz aller Umstände und der unausweichlichen Traurigkeit des Seins in der gegebenen Welt sind die eigene Feder und Stimme immer da. Der Film lebt einerseits von den Naturbildern des Kameramanns André Chemetoff, der allem Anschein nach versucht, ungefiltert mit künstlichem Licht in Rumänien den Wilden Westen aufleben zu lassen. Andererseits versucht der Film, sich mit den poetischen Tagebucheinträgen von Abigail einen Rahmen zu setzen. Inklusive Voice-over-Stimme. Ob man diesen Rahmen als didaktisch wahrnimmt oder in dem Sinne poetisch, als dass er sich gegen die karge Kälte der gefilmten Naturbilder durchsetzen will – unabhängig davon wärmen Katherine Waterson und Vanessa Kirby „The World to Come“ ganz von alleine auf.

11 Must-See Movies of 20/21

Die städtische Cinémathèque hat zu Jahresbeginn wieder cinephilen Nachhilfeunterricht im Spielplan. Aus verschiedensten Gründen sind die programmierten Filme nicht oder nur sporadisch auf luxemburgischen Kinoleinwänden zu sehen gewesen. Das Tageblatt stellt die sogenannten elf Must-See-Filme an den jeweiligen Vorstellungsdaten vor. Heute läuft „The World to Come“ von Mona Fastvold um 18.30 Uhr.