Waffen, Training, GeheimwissenNiemand unterstützt die Ukraine stärker als die USA – aber wie öffentlich soll diese Hilfe sein?

Waffen, Training, Geheimwissen / Niemand unterstützt die Ukraine stärker als die USA – aber wie öffentlich soll diese Hilfe sein?
Je länger der Krieg dauert, desto mehr unterstützen die USA die Ukraine: Am Montag hat US-Präsident Biden den nächsten Schritt verkündet Foto: AFP/Olivier Douliery

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Niemand unterstützt die Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg gegen Angreifer Russland stärker als die Vereinigten Staaten. Trotzdem ist ein Wandel zu beobachten. Wo in den USA am Anfang geschwiegen wurde, wird jetzt geprahlt. Nicht alle finden das gut.

Anfang März herrschte in den USA noch eisiges Schweigen nach Fragen darüber, ob bereits amerikanische Stinger-Flugabwehrraketen in die Ukraine geschickt wurden oder nicht. Man wollte den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht zu sehr provozieren und mehr aus dem Hintergrund heraus operieren. Der Krieg in der Ukraine hat sich seitdem verändert – und mit ihm die Kommunikation der USA.

Inzwischen werden die Listen des aus den USA an die Ukraine gelieferten Materials mit der Angabe der Stückzahl veröffentlicht. Die Palette ist breit und umfasst Haubitzen, gepanzerte Mannschaftstransporter, Hubschrauber, Radargeräte und Kamikaze-Drohnen – insgesamt verbrachte das Pentagon bislang Kriegsmaterial im Wert von rund vier Milliarden Dollar in die Ukraine. Der weitaus größte Teil davon wurde in den letzten vier Wochen bereitgestellt. Es wird noch mehr kommen: Am Sonntag unterzeichnete US-Präsident Biden ein Gesetz, das die Lieferung von Rüstungsgütern an die Ukraine und andere osteuropäische Staaten noch einmal erheblich erleichtern wird.

Erstaunlicher Wandel

Der Wandel in wenigen Wochen ist bemerkenswert. Der Krieg in der Ukraine konzentriert sich zurzeit auf den Donbass. Putin musste bereits einige empfindliche Rückschläge einstecken. Eine Frage ist, inwieweit die USA zu diesen beigetragen haben. Eine weitere ist: Wie sehr sollen sich die USA aus dem Fenster lehnen und den Russen ihre Unterstützung der Ukraine unter die Nase reiben?

In den USA herrscht zu dieser Frage Uneinigkeit. CIA-Chef William Burns warnte unlängst davor, zu viel preiszugeben. Es sei „unverantwortlich, sehr riskant und gefährlich, wenn Menschen zu viel reden. Egal, ob es sich um ein privates Leak handelt oder um ein öffentliches Gespräch über bestimmte Geheimdienstangelegenheiten“, sagt Burns zu den jüngsten Berichten darüber, wie der US-Geheimdienst die Ukraine bei tödlichen Angriffen unterstützt haben könnte. „Ich glaube, Putin ist in einer Verfassung, in der er nicht glaubt, dass er sich eine Niederlage leisten kann“, so Burns weiter.

Die USA liefern der Ukraine nicht nur Waffen. Auch geheimdienstliche Informationen werden Kiew zur Verfügung gestellt und ukrainische Soldaten werden an amerikanischem Kriegsgerät ausgebildet. Ende April sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Ramstein bei einem Treffen, an dem auch Luxemburgs Verteidigungsminister François Bausch teilnahm, die USA wollten „Russland so schwächen, dass es solche Dinge wie die Invasion in die Ukraine nicht mehr tun kann. Offen gesagt, haben sie bereits große Teile ihrer militärischen Stärke verloren. Und wir wollen sicherstellen, dass sie ihre frühere Stärke auch nicht schnell wieder aufbauen können.“

Der Ruf der amerikanischen Geheimdienste hatte wegen der katastrophal abgelaufenen Evakuierung aus Afghanistan im vergangenen August schweren Schaden genommen. Alle Dienste der USA waren von der Geschwindigkeit, mit der die Taliban Kabul einnahmen, völlig überrascht worden. Es war eine Bloßstellung auf der Weltbühne, das Bild der USA als militärische Weltmacht drohte langfristigen Schaden zu nehmen. Die Versuche, sich wieder ins rechte Licht zu rücken, sind seit den russischen Vorbereitungen zur Invasion der Ukraine kaum zu übersehen. In der Tat haben die USA bereits Wochen vor dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar genau vor einem solchen gewarnt – und damit recht behalten.

Mit Kriegsbeginn ging es dann Schlag auf Schlag. Der von den Ukrainern zurückgeschlagene Versuch russischer Soldaten, den Flughafen Hostomel nahe Kiew einzunehmen, vereitelte das Vorrücken der russischen Armee bis in die ukrainische Hauptstadt. Inzwischen zählt Russland zehn getötete russische Generäle – eine fast schon absurd hohe Zahl. Hinzu kommt der von den Ukrainern auf den Meeresgrund geschossene Kreuzer „Moskwa“, das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte. Die Zweifel an der militärischen Fähigkeit sind weitergezogen – nicht mehr die USA, sondern Russland muss um seinen Ruf fürchten, eine militärische Supermacht zu sein. Haben die Ukrainer das alleine fertiggebracht oder ist die amerikanische Unterstützung noch größer als offiziell verkündet? Worüber eigentlich Schweigen herrschen sollte, wurde kürzlich gegenüber der amerikanischen Presse geplaudert.

Es ist unverantwortlich, sehr riskant und gefährlich, wenn Menschen zu viel reden – egal, ob es sich um ein privates Leak handelt oder um ein öffentliches Gespräch über Geheimdienstangelegenheiten

CIA-Chef William Burns

„U.S. Intelligence Is Helping Ukraine Kill Russian Generals, Officials Say“, titelte die New York Times in der vergangenen Woche. Im Artikel heißt es, die US-Regierung habe versucht, einen Großteil der Informationen über das Schlachtfeld geheim zu halten, da sie befürchtet, dass dies als Eskalation gewertet wird und Putin zu einem größeren Krieg provozieren könnte. Am Tag darauf berichteten US-Medien, auch bei der Versenkung der „Moskwa“ hätten die Amerikaner die Ukrainer mit Informationen über den Standort des Kriegsschiffes unterstützt. Dabei hat sich Moskau schon mehrfach über die Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine beschwert und wird nicht müde, Konsequenzen anzudrohen. Und wenn Atommächte Konsequenzen androhen, lassen sich diese nicht einfach beiseiteschieben.

Die offiziellen Beschwichtigungen aus den USA folgten auf dem Fuß. John F. Kirby, der Sprecher des Pentagon, räumte ein, dass die Vereinigten Staaten „der Ukraine Informationen und Geheimdienstinformationen zur Verfügung stellen, die sie zur Selbstverteidigung nutzen kann“. Kirby sagte aber auch, dass „wir nicht über die Einzelheiten dieser Informationen sprechen werden“. CIA-Chef Burns wies wiederum darauf hin, die Ukrainer nicht zu unterschätzen. Diesen Fehler habe Putin bereits einmal gemacht. „Ich denke, dass es für jeden von uns ein Fehler ist, zu unterschätzen, was sie in Bezug auf die Verteidigung ihres eigenen Landes an Geheimdienstinformationen zur Verfügung stellen.“ Ernstes Lob an die Seite der Ukrainer oder Angst vor der eigenen Courage bei den Amerikanern – beide Lesarten bleiben möglich.

Kriegsrecht „wahrscheinlich“

Der russische Präsident Wladimir Putin dürfte nach US-Einschätzung im Angriffskrieg gegen die Ukraine das Kriegsrecht verhängen. US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines sagte am Dienstag bei einer Kongressanhörung in Washington, weil Putins Ziele größer seien als die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte, sei es „wahrscheinlich“, dass der Präsident in den kommenden Monaten einen zunehmend „unvorhersehbaren und potenziell eskalierenden“ Weg einschlage.
„Der derzeitige Trend erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Präsident Putin sich drastischeren Mitteln zuwendet, einschließlich der Verhängung des Kriegsrechts, der Umorientierung der Industrieproduktion oder potenziell eskalierenden militärischen Optionen“, sagte die US-Geheimdienstdirektorin laut der Nachrichtenagentur AFP. Ein Einsatz von Atomwaffen sei unwahrscheinlich. Putin dürfte ihn nur anordnen, wenn er eine „existenzielle Bedrohung“ für Russland sehe. (AFP)

Das am Sonntag von Biden unterzeichnete Gesetz fügt sich in den von Austin geäußerten Plan einer langfristigen „Schwächung“ der russischen Streitkräfte ein und lehnt sich an das Lend-Lease-Gesetz aus den Zeiten des Zweiten Weltkriegs an, mit dem die Amerikaner ab März 1941 und damit Monate vor dem eigenen Kriegseintritt alliierte Staaten im Kampf gegen die Nazis mit Waffen unterstützten, vor allem die Briten, aber auch Josef Stalins Sowjetarmee.

Bidens Unterschrift am 9. Mai

Dass das Gesetz am 9. Mai, dem Tag von Russlands Gedenken an den Sieg gegen Nazi-Deutschland, unterzeichnet wurde, war wohl auch als Erinnerung Washingtons an Moskau zu verstehen: Die Sowjetunion hätte den Angriffen von Nazi-Deutschland ohne die vorausgegangene materielle Hilfe der USA nur schwer standgehalten. Nun kommen die Ukrainer in den Genuss einer ähnlichen Vorzugsbehandlung: Sie kriegen Waffen, ohne sie gleich bezahlen zu müssen.

Biden sprach von einem „wichtigen Instrument zur Unterstützung der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Volkes in ihrem Kampf zur Verteidigung ihres Landes und ihrer Demokratie“ gegen den Krieg von Russlands Präsident Wladimir Putin. „Die Kosten des Kampfes sind nicht gering. Aber ein Nachgeben gegenüber der Aggression ist noch teurer.“ Putin weiß aus Russlands Geschichte, was ein solcher Schritt bedeuten kann.

d.w.
11. Mai 2022 - 7.15

Dieser tiefe Hass der USA auf Russland wird so langsam unerträglich. Wenn sich bloß mal die Welt so entschlossen gegen all die angezettelten und geführten Kriege in der Vergangenheit der USA gestellt hätten, wäre ebenfalls sehr viel Leid der Weltbevölkerung erspart geblieben! Aber was tut man als selbsternannte Weltmacht nicht alles, um an Rohstoffe zu kommen? Interessant ist dabei allerdings, dass man sich auch an die größte Atommacht der Welt herantraut und eine noch größere Eskalation in Kauf nimmt. So stellt man sich keinen Friedensstifter vor. Wobei hysterische Medien auch nicht hilfreich sind!