FastenwandernNichts essen als Wohltat für den Körper

Fastenwandern / Nichts essen als Wohltat für den Körper
Einige kombinieren den beliebten Volkssport mit Fasten Foto: Christoph Schmidt/dpa

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Fastenwanderer schwören auf die positiven Auswirkungen ihrer Aktivität auf die Gesundheit. Unter anderem soll sie die Selbstreinigung des Körpers fördern. Auch in Luxemburg gibt es Anhänger der Methode: Der Verein der „Faaste-Wanderfrënn“ zählt mittlerweile um die 300 Mitglieder.

Sommerzeit ist Ferienzeit, und manch einer will die Zeit nutzen, um sich mehr zu bewegen und etwas für seine Gesundheit zu tun. Wandern ist eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen, weil für jeden einfach zu machen. Eine Gruppe von Wanderbegeisterten will den Gesundheitsaspekt des „Trëppelen“ noch toppen, indem sie während ihrer Wanderzeit nichts essen. Die 1992 gegründete und offiziell in Bartringen beheimatete „Faaste-Wanderfrënn Asbl.“ zählt mittlerweile rund 300 Mitglieder.

Für die Anhänger ist Nichts-essen über einen gewissen Zeitraum eine Wohltat für den Körper. Es sei die beste Gesundheitsvorsorge und ermöglicht dem Körper, belastende Stoffwechsel-Rückstände (Schlacken) sowie überflüssige Eiweißspeicher und Fettdepots abzubauen“, heißt es auf der Website der „Faaste-Wanderfrënn“. Und die ideale Form sei, es in Kombination mit dem Wandern zu tun. „Durch das Fastenwandern in frischer Luft entsteht ein nie erlebtes Wohlbefinden, Hunger kommt nicht auf, das Gewicht sinkt, und die Stimmung steigt.“

Léon Thyes, Präsident der Vereinigung, tut es seit 1988 einmal im Jahr und ist von der positiven Wirkung überzeugt, sagt aber auch: „Es soll nur der es machen, der auch gesund ist. Diejenigen, die an einer Fastenwanderung teilnehmen, sollten sich selber kennen; es gebe ab und zu Teilnehmer, die sich selber überschätzen. Auch wer gesund ist, aber noch nie gewandert ist, für den ist es schwierig, 15 Kilometer zu wandern. Manche Teilnehmer, die glauben, sie seien gesund, entdecken bei einer Wanderung, dass sie doch Probleme haben.“ Wie man es vertrage, hänge immer von der individuellen Vorgeschichte ab. „Man soll es mit Vernunft tun“, lautet sein einfacher Ratschlag.

Fast wie eine Sucht

Thyes kann sich selbst noch sehr gut an sein „erstes Mal“ erinnern. „Meine verstorbene Frau und ich, wir sind immer viel gewandert. 1988 hat sie mir eine Tour im Ösling vorgeschlagen. Erst nachdem ich zugesagt hatte, sagte sie mir, es gebe dabei nichts zu essen. Erst später habe ich verstanden, was das genau bedeutet. Dann habe ich es als Herausforderung angesehen.“ Seine erste Wanderung sei gleich „wunderbar, super“ gewesen, erzählt er. „Es war im März, es hat geregnet; obwohl wir alle pudelnass waren, sind wir am Ende sogar noch Treppen hochgelaufen.“ Mittlerweile sei es bei ihm fast zur Sucht geworden. Er selbst betreibe Fastenwandern einmal pro Jahr während zwei Wochen. „Eigentlich machen es die meisten eine Woche, plus eine Woche Vorbereitung, in der man seinen Darm ganz entleeren sollte. Aber ich möchte keine halben Sachen machen, sondern nach dem Motto ‘entweder ganz oder gar nicht’.“

Die ersten Fastenwanderer trafen sich ab 1988 zu ihren Touren. „Das war aber auch die Hoch-Zeit der Engel-Albert-Sekte, und wir wurden damals ebenfalls als Sekte betrachtet. So haben wir uns 1992 als Asbl. etabliert.“ Der Verein bietet mehrmals im Jahr eine Wanderwoche an: Ein Fastenwandertag beginnt in der Regel um 9.00 und endet um 16.00 Uhr. Zur Auswahl stehen entweder 15 oder 20 Kilometer. Bei der 15-Kilometer-Variante wird zusätzlich Yoga angeboten.

Im Clinch mit dem Gesundheitsministerium

Vor Jahren habe die Vereinigung sogar eine kleine staatliche Finanzhilfe erhalten. „Das war, als Mars Di Bartolomeo Gesundheitsminister war, unter Lydia Mutsch bekamen wir allerdings nichts mehr“, beklagt sich Thyes. „Nun liegen wir im Clinch mit dem Gesundheitsministerium, das nicht so ganz überzeugt von der Sache scheint. Wir haben wieder einen Antrag gestellt, aber noch keine Antwort erhalten. Wir verstehen aber, dass das Gesundheitsministerium momentan andere Prioritäten hat“, sagt Thyes. „Unsere Begründung ist ganz einfach, dass wir etwas für die Gesundheit tun. Es wird viel momentan über Gesundheit geredet, aber nicht, wie man sein Immunsystem stärken kann, so wie es z.B. beim Fastenwandern geschieht.“

Wer nach all diesen Zeilen nun denkt, Fastenwanderer seien Asketen, der irrt: „Beim Wandern reden wir viel übers Essen“, sagt Thyes lachend. „Fastenwandern ist nicht dazu da, um abzunehmen. Ich esse zum Beispiel sehr gerne ein schön saftiges, blutiges Steak. Aber nach einer Wanderung ist es besser, nicht sofort ‚dranzefachen’. Allerdings, und das ist auch sehr positiv, nach einer Fastenwoche hat ein einfacher Apfel wieder einen ganz anderen, intensiveren Geschmack.“

Weitere Infos finden Sie auf der Website www.fastenwandern.lu

Positive Auswirkungen auf die Gesundheit“

Anhänger des Fastens, wie auch die „Faaste-Wanderfrënn“, berufen sich heutzutage gerne auf den japanischen Nobelpreisträger Yoshinori Oshumi, der erforschte, wie Zellen ihren eigenen „Müll“ aufessen und so recyceln, was als Autophagie bezeichnet wird.
Für den Biochemiker Frank Madeo von der Universität Graz beruhen die Auswirkungen des Fastens auf jener Autophagie. Wer seinem Körper eine Zeit lang keine Nahrung gibt, kann ihm damit etwas Gutes tun. In einem Interview „Gesundes Fasten: Begrüße den Hunger wie einen Freund“ mit dem Magazin Stern sagt er u.a.: „Durch den Nahrungsentzug wird der erwähnte Selbstreinigungsprozess des Körpers aktiviert.“
Eine 2019 veröffentlichte Studie kommt zu einer positiven Schlussfolgerung speziell über das Buchinger-Fasten (die Methode, auf die sich die Fastenwanderer auf ihrer Website berufen): „Diese einjährige Beobachtungsstudie belegt die Sicherheit des periodischen Buchinger-Fastens von 4 bis 21 Tagen sowie seine positiven Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden. Das regelmäßige Fasten führte zu einer deutlichen Gewichtsabnahme und zu Verbesserungen bei mehreren kardiovaskulären Risikofaktoren wie Übergewicht, Bauchumfang und Blutdruck.“

„Mittelalterlicher Hokuspokus“

Es gibt unter den Wissenschaftlern allerdings auch solche, die das Fasten äußerst kritisch sehen.
Für den britischen Wissenschaftler und Mediziner Edzard Ernst ist Entschlacken, das im Mittelpunkt aller Fastenmethoden steht (oder „Detox“ wie es heute gerne genannt wird), schlicht Humbug. In einem 2014 erschienen Artikel im Guardian sagte er: „Es gibt zwei Arten von Entgiftung: die eine ist seriös, die andere nicht“. Die seriöse sei die medizinische Behandlung von Menschen mit lebensbedrohlicher Drogenabhängigkeit. „Die andere ist das Wort, das von Unternehmern, Quacksalbern und Scharlatanen missbraucht wird, um eine Scheinbehandlung zu verkaufen, die angeblich den Körper von den angesammelten Giftstoffen befreit. (…) Wenn sich Gifte in unserem Körper sammeln würden, die wir nicht ausscheiden könnten, würden wir sterben.“ Ein gesunder Körper habe ohnehin Leber, Nieren, Lungen, Darm und Haut. Das Entgiften, das mache der Organismus ganz allein.
Der deutsche Gastroenterologe Ingolf Schiefke bezeichnet in einem Artikel auf Fokus.de  (17.4.2014) das Heilfasten als „mittelalterlichen Hokuspokus … und nicht ganz ungefährlich“. Da der Darm lange ruht, fördere das die Kristallisierung der Galle, und daraus könnten Gallenblasensteine entstehen.