Nationalmannschaft / Neun Monate Ausnahmezustand: Der Rückblick auf die historische EM-Qualifikation

Neun Monate, zehn Spieltage: Hinter den „Roten Löwen“ liegt eine EM-Qualifikationskampagne, die in die Geschichte eingeht. Nicht nur die Gesamtausbeute von 17 Punkten ist historisch. Ein Rückblick auf eine Mannschaft, die ihr Land in neue Dimensionen der Euphorie versetzt hat.
23. März: 0:0 in der Slowakei
Es war sicherlich kein fußballerischer Leckerbissen, dennoch ein gelungener Einstand. Die fast traditionelle Überraschung des Nationaltrainers Luc Holtz war, dass Kapitän Laurent Jans beim Auftakt der Qualifikationskampagne zunächst auf der Bank saß. Die FLF-Auswahl presste den Gegner hoch, dominierte aber nur optisch. Die Slowaken versuchten es über ihre Tempogegenstöße, allerdings wurde es erst nach der Pause so richtig gefährlich – doch Anthony Moris war zur Stelle. Gerson Rodrigues hatte in der 72. die große Chance zur Führung, doch sein Außenrist-Schuss flog am Tor vorbei. Mit diesem „trockenen und humorlosen Punkt“, wie das Tageblatt damals titelte, reiste die Mannschaft zurück nach Luxemburg. Es wartete drei Tage später der große Favorit der Gruppe J.
Statistiken
SLO – LUX
Ballbesitz: 49% – 51%
Torschüsse: 10 – 6
Ecken: 9 – 2
Pässe: 343 – 330
Abseits: 4 – 1
Torhüter-Paraden: 2 – 3
26. März: 0:6 gegen Portugal
Das Ergebnis war eindeutig – ebenso die späteren Worte des Nationaltrainers: „Wir sind gut gestartet, haben dann das 0:1 bekommen und in den verbleibenden 38 Minuten hätten wir vieles einfach anders machen müssen.“ Gegen seinen Lieblingsgegner hatte Cristiano Ronaldo wieder große Freude: Nach einer Flanke von Bruno Fernandes landete der Ball über Umwege vor den Füßen des Superstars der „Seleção“, der dieses Geschenk schon nach neun Minuten annehmen durfte. Die weiten Bälle und Flanken hinter die Fünferkette bereiteten der FLF-Auswahl mächtig Probleme. Schon nach 18 Minuten stand es 0:3. Die Partie im ausverkauften Haus (9.231 Zuschauer) war mit einem weiteren Ronaldo-Tor eigentlich schon vor der Pause entschieden. Den Schlusspunkt setzte der eingewechselte Leão.
Statistiken
LUX – POR
Ballbesitz: 43% – 57%
Torschüsse: 4 – 13
Ecken: 4 – 2
Pässe: 301 – 517
Abseits: 2 – 3
Torhüter-Paraden: 1 – 1
17. Juni: 2:0 gegen Liechtenstein
Das Debakel musste abgehakt werden – und die „Roten Löwen“ erledigten ihre Pflicht. Trotz drückender Dominanz hatten die Treffer auf sich warten lassen. Danel Sinani (59.) und der eingewechselte Gerson Rodrigues (89.) sorgten für die erlösenden Tore und den allerersten Erfolg gegen das Fürstentum, damals Nummer 199 der Welt. Letzterer war mit seiner Reservistenrolle zwar sichtlich unzufrieden, ragte später als Vorlagengeber und Torschütze aber heraus. Die Freude über den Heimsieg währte nur kurz: Einen Tag später berichteten sämtliche Medien über die Krise in Lipperscheid: Rodrigues hatte das Training geschwänzt, Vincent Thill hatte nach seiner Auswechslung in der Pause aus freien Stücken entschieden, die Mannschaft zu verlassen.
Statistiken
LUX – LIE
Ballbesitz: 66% – 34%
Torschüsse: 19 – 8
Ecken: 9 – 1
Pässe: 429 – 94
Abseits: 8 – 1
Torhüter-Paraden: 1 – 7
20. Juni: 2:0 in Bosnien
Die Umstände, unter denen die Luxemburger in die Hölle von Zenica gereist sind, hätten ungemütlicher nicht sein können. Gerson Rodrigues und Vincent Thill flogen auf unrühmliche Weise aus dem Kader – doch die Spieler bewiesen eindrucksvoll, dass weder die bosnische Hitze noch die beiden Abwesenden ihren Fokus getrübt hatten. Yvandro Borges ließ das Stadion bereits nach nur vier Minuten erstarren – der Gladbacher profitierte von einem kapitalen Fehlpass der Bosnier. Knackpunkt der Partie war aber wohl der verschossene Elfer (52.) von Hadziahmetovic. Der Eifer war gebrochen und Leandro Barreiro leistete nach Ballgewinn im Mittelfeld die große Vorarbeit für Torschütze Danel Sinani. Es war der perfekte Abschluss des Monats der Premieren, denn auch gegen die Balkan-Elf war es der allererste Dreier der Geschichte.
Statistik
BIH – LUX
Ballbesitz: 59% – 41%
Torschüsse: 10 – 5
Ecken: 3 – 1
Pässe: 470 – 194
Abseits: 2 – 3
Torhüter-Paraden: 1 – 3
8. September: 3:1 gegen Island
„Cooler als die Nordmänner“ erlauben, hieß es einen Tag später im Tageblatt. Maxime Chanot (auf Elfmeter, 9.), Yvandro Borges nach Vorlage von Alessio Curci (71.) und ein Schlusspunkt von Danel Sinani (88.) mit einem Heber: Die FLF-Auswahl bewies an diesem Tag nicht nur offensive Variabilität, sondern auch, dass sie gelernt hat, mit Druck umzugehen. Mehrmals verpassten die „Roten Löwen“ das 2:0 – und bekamen die Isländer in dieser Phase nicht richtig in den Griff. Anthony Moris war an diesem Abend ein wichtiger Rückhalt. Nach der Pause brachte die abgebrühten und cleveren Luxemburger selbst das Anschlusstor (88.) nicht aus der Ruhe.
Statistik
LUX – ISL
Ballbesitz: 49% – 51%
Torschüsse: 7 – 4
Ecken: 2 – 6
Pässe: 259 – 336
Abseits: 2 – 0
Torhüter-Paraden: 3 – 4
11. September: 0:9 in Portugal
Mit dem Selbstvertrauen vom Heimsieg brach die FLF-Auswahl nach Faro auf und erlebte dort ohne Christopher Martins und Mathias Olesen den schwärzesten Tag des Fußballjahres. Genau wie im Hinspiel waren die Würfel schon vor der Pause gefallen – nur nahm das Unheil seinen Lauf an diesem Abend ohne den gesperrten Ronaldo. Die erschreckende Niederlage in der Algarve war die höchste seit 1982. Hoffnungslos unterlegen, hatten die „Roten Löwen“ bei der Galavorstellung der Portugiesen, die ihrerseits absolut keine Gnade zeigten, rein gar nichts zu melden. Abstimmungsfehler, Fehlpässe und ein Gegner, der immer und überall einen Schritt schneller war: „Nichts hat geklappt“, sagte Luc Holtz anschließend. „Die Enttäuschung ist sehr groß, aber wir werden uns von diesem Schock erholen.“
Statistik
POR – LUX
Ballbesitz: 61% – 39%
Torschüsse: 24 – 4
Ecken: 5 – 2
Pässe: 566 – 245
Abseits: 0 – 1
Torhüter-Paraden: 1 – 1
13. Oktober: 1:1 in Island
Aufgrund der aussichtsreichen Lage in der Tabelle kündigte Nationaltrainer Luc Holtz die Begnadigungen von Gerson Rodrigues und Olivier Thill an. Ersterer hatte dann nach dem Dreh – nur Sekunden nach seiner Einwechslung – in Reykjavik für den Ausgleich gesorgt und sogar kurz vor Schluss noch das leere Tor verpasst … Der Siegtreffer wäre wohl des Guten zu viel gewesen, denn die Luxemburger hatten bei schwierigen Bedingungen einen schweren Stand. Island setzte die Gäste sofort unter Druck und fand mit schnellen Vorwärtsbewegungen die Löcher in der FLF-Defensive. Luxemburg hatte Glück, dass es zur Pause nur 0:1 stand. Die Leistung der „Löwen“ steigerte sich nach dem Tee und es entwickelte sich ein offener Schlagabtausch. Mit dem Punkt im Gepäck reiste die Holtz-Truppe zurück nach Luxemburg, wo drei Tage später das eigentliche Schlüsselspiel der Kampagne stattfand.
Statistik
ISL – LUX
Ballbesitz: 54% – 46%
Torschüsse: 17 – 8
Ecken: 7 – 1
Pässe: 350 – 238
Abseits: 0 – 3
Torhüter-Paraden: 1 – 2
16. Oktober: 0:1 gegen die Slowakei
Alles war angerichtet für einen geschichtsträchtigen Abend. Die „Roten Löwen“ hatten nur ein Ziel vor Augen: im direkten Vergleich mit den Slowaken einen riesigen Schritt in Richtung Europameisterschaft zu machen. Im Stade de Luxembourg begeisterten die Nationalspieler in den ersten 45 Minuten dann auch durch fantastischen Offensivfußball, wie man ihn so eigentlich noch nie von ihnen gesehen hatte. Selbst der nicht gegebene Elfmeter (nach Foul an Barreiro) war kein Knackpunkt. Dass die FLF-Auswahl es allerdings verpasste, sich für ihren starken Einsatz zu belohnen, wurde bekanntermaßen später bestraft. Nach der drückenden Dominanz – und einem unglaublich energiegeladenen ersten Durchgang – mussten die Luxemburger zusehen, wie die Slowakei nach der Pause besser aus den Kabinen kam. Der einzige Gegentreffer fiel in der 77. Nach diesem Rückschlag versuchte es Rodrigues noch mit einem Schuss aus der Drehung, doch am Ergebnis änderte sich nichts mehr. Besonders kritisiert wurde Holtz, der erst in der 88. frisches Blut brachte.
Statistik
LUX – SLO
Ballbesitz: 61% – 39%
Torschüsse: 24 – 4
Ecken: 5 – 2
Pässe: 566 – 245
Abseits: 0 – 1
Torhüter-Paraden: 1 – 1
16. November: 4:1 gegen Bosnien-Herzegowina
Was Mathias Olesen gegen die Slowakei nicht gelungen war, holte er gegen Bosnien nach: Sein früher Kopfballtreffer war der Auftakt eines spektakulären Fußballfestes. Die FLF-Auswahl dominierte ihr letztes Heimspiel der Kampagne nach Strich und Faden. Leandro Barreiro holte wieder einmal einen Elfmeter heraus, den Gerson Rodrigues verwandelte. Nach einem Eigentor der Bosnier ging es mit 3:0 in die Nachspielzeit. Der Anschlusstreffer nach einer Ecke beeindruckte die „Roten Löwen“ überhaupt nicht – und Rodrigues setzte noch einen zum 4:1 drauf. Es war sein 19. Länderspieltreffer. In der ersten Hälfte hatte sich in der Tabelle der Gruppe J einiges getan und Luxemburg lag sogar Kopf an Kopf mit der Slowakei. Letztlich machte der Tabellenzweite aber alles klar und somit stand nach diesem Abend fest, dass eine EM-Qualifikation über den regulären Weg nicht mehr möglich war.
Statistik
LUX – BIH
Ballbesitz: 55% – 45%
Torschüsse: 8 – 2
Ecken: 4 – 2
Pässe: 393 – 336
Abseits: 1 – 0
Torhüter-Paraden: 1 – 2
19. November: 1:0 in Liechtenstein
Die „Roten Löwen“ liefen in Vaduz ab der 4. Spielminute in Unterzahl gegen ein defensives Bollwerk an. Danel Sinani flog sehr früh vom Platz und wird zum Auftakt der Play-offs gesperrt fehlen. Die mitgereisten 400 Fans sahen ein von Fehlern geprägtes Spiel, für das es zwar keinen Schönheitspreis gab, aber den fünften Dreier der Kampagne. Gerson Rodrigues erzielte in der 69. per Kopf den einzigen Treffer des Abends. Auf den Rängen wurde der Abschluss gebührend gefeiert, doch der Blick geht bereits nach vorne. Nachdem bereits feststand, dass das Halbfinale der Play-offs aus FLF-Sicht auswärts stattfinden wird, entscheidet sich am 23. November in Nyon, ob Luxemburg möglicherweise Gastgeber des Finales sein könnte.
Statistik
LIE – LUX
Ballbesitz: 44% – 56%
Torschüsse: 1 – 9
Ecken: 4 – 6
Pässe: 240 – 437
Abseits: 1 – 3
Torhüter-Paraden: 3 – 1
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