EuropaparlamentNeues, schwarz-gelbes Bündnis will erklärte Abtreibungs-Gegnerin an die EU-Spitze bringen

Europaparlament / Neues, schwarz-gelbes Bündnis will erklärte Abtreibungs-Gegnerin an die EU-Spitze bringen
Viele Abgeordnete wollen nicht nach Straßburg fahren und lieber online abstimmen – für wen sie sich entscheiden, bleibt ihr Geheimnis Foto: AFP/Frédérick Florin

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Die konservative Abtreibungs-Gegnerin aus Malta soll die Nachfolge von Parlamentspräsident Sassoli übernehmen. Transparent geht es dabei nicht zu.

Alle zweieinhalb Jahre wechselt das Europaparlament seine Führung aus. So haben es die großen Fraktionen aus konservativer EVP und sozialdemokratischer S&D vereinbart. Doch was eine Routineübung sein sollte, gerät diesmal zum Politikum: Ein neues, schwarz-gelbes Bündnis will eine erklärte Abtreibungs-Gegnerin an die EU-Spitze bringen.

Roberta Metsola heißt die Kandidatin für die Nachfolge von Parlamentspräsident David Sassoli, der am vergangenen Dienstag überraschend gestorben war. Die 42-jährige erzkonservative Politikerin aus Malta wurde auf Druck der deutschen Abgeordneten aus CDU und CSU aufs Schild gehoben. Ihre Wahl am kommenden Dienstag gilt als sicher.

Grüne, Linke und Rechtskonservative haben zwar eigene Kandidaten aufgestellt. Sie wolle „Hand in Hand mit den Bürgern eine nachhaltige und inklusive Zukunft“ aufbauen, sagte die schwedische Grüne Alice Bah Kuhnke. Ihr werden jedoch ebenso wenig Chancen eingeräumt wie der Spanierin Sira Rego (Linke) oder dem Polen Kosma Zlotowski (EKR).

Den Ton im Parlament geben die drei großen Fraktionen von EVP, S&D und Renew (Liberale) an. Wie in Straßburg üblich, machen sie die wichtigsten Posten unter sich aus. Diesmal kommt den geheimen Hinterzimmer-Gesprächen allerdings eine besondere Bedeutung zu – denn sie könnten einen Rechtsruck in der gesamten EU einläuten.

Es geht nicht nur um Metsola, die sich in einem Bewerbungs-Video auf Twitter als treu sorgende Hausfrau und Mutter präsentiert. Ins Rutschen kommt auch die Machtbalance in den EU-Institutionen. Bisher haben sich Konservative, Sozialdemokraten und Liberale die Führung in EU-Kommission, Parlament und Rat untereinander aufgeteilt.

Dominierende EVP-Stellung

Künftig könnte die konservative EVP jedoch eine dominierende Stellung einnehmen: Mit Metsola an der Spitze des Parlaments, Ursula von der Leyen (CDU) als Chefin der Kommission sowie weniger bekannten EVP- und CDU-Politikern in Einrichtungen wie dem Rechnungshof, dem Euro-Stabilitätsfonds oder diversen EU-Agenturen.

Nur der Rat, die Vertretung der Mitgliedsstaaten, würde künftig noch von einem Liberalen – dem Belgier Charles Michel – geführt. Um diesen „Durchmarsch“ zu schaffen, sind die Konservativen jedoch auf Verbündete angewiesen. Bisher waren das die Sozialdemokraten – eine große Koalition hat jahrelang die Geschicke der EU bestimmt.

Doch nun bahnt sich ein Machtwechsel an – mit einem schwarz-gelben Bündnis unter Führung der EVP und ihres Fraktionschefs Manfred Weber (CSU). „Unser wichtigster Partner ist Renew“, heißt es in Webers Umfeld. Bei der Entscheidung für Metsola hätten die Liberalen bereits den Ausschlag gegeben.

Eine indirekte Bestätigung kommt von den Sozialdemokraten. „Wir haben Alternativen geprüft, doch die Liberalen wollten nicht“, sagt der Chef der SPD-Gruppe, Jens Geier. Deshalb sei Metsola nun die einzige ernstzunehmende Kandidatin für die Leitung des Parlaments. Bei der Wahl am Dienstag rechne er mit „breiter Unterstützung“.

Ihre Zustimmung wollen sich die Sozialdemokraten jedoch teuer bezahlen lassen. Im Gespräch ist nicht nur die Ablösung von Klaus Welle (CDU), der die Parlamentsarbeit bereits seit 2009 als Generalsekretär organisiert. Die Genossen wollen sich auch andere Posten sichern – zum Beispiel fünf von den insgesamt 14 Vizepräsidenten.

Doch auch die Liberalen fordern einen Preis für die Wahl einer illiberalen Parlamentspräsidentin. In Straßburg wird daher mit einem Postengeschacher bis zur letzten Minute gerechnet. Transparent wird es dabei nicht zugehen – denn die Wahl wird wegen Corona vorwiegend online abgehalten.

Viele Abgeordnete wollen nicht einmal nach Straßburg fahren. Für wen sie sich entscheiden – und warum – bleibt ihr Geheimnis.

J.C. Kemp
19. Januar 2022 - 9.18

Was heisst hier 'will'? Ist doch bereits Sache!

Nudel
17. Januar 2022 - 19.34

Sagt Mal, geht's noch? Die EU bringt sich letzlich wirklich auf der Kippe ihrer eigenen Existenz.