ChamberNeuer Kulturrat und bessere Förderung der Künstler

Chamber / Neuer Kulturrat und bessere Förderung der Künstler
Dank Kultur l LX soll die Luxemburger Kulturwelt international bekannter gemacht werden Foto: Editpress-Archiv

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Gleich vier Gesetzesprojekte zum Kulturbereich hat das Parlament am Dienstag verabschiedet. Sie betreffen die Schaffung eines Kulturrats, die verbesserte soziale Absicherung von Kulturschaffenden, die Wiedereinführung eines Urlaubs für kulturelle Zwecke und die Organisation staatlicher Kultureinrichtungen. Alle Gesetze wurden einstimmig angenommen.

Die Förderung und die Unterstützung der Kulturschaffenden sollen in Zukunft besser koordiniert werden. Das soll mithilfe der öffentlich-rechtlichen Einrichtung Kultur l LX Arts Council Luxembourg erfolgen. Dank dieses neuen Instruments soll die Kultur insbesondere im Ausland ähnlich gezielt gefördert werden wie etwa der Finanzbereich und der Tourismus, für deren Weiterentwicklung und Promotion im Ausland bereits vor Jahren Einrichtungen wie Luxembourg for Finance und Luxembourg for Tourism ins Leben gerufen worden waren.

Kultur l LX wird sechs Unterbereiche zusammenfassen: Architektur, Design, Kunsthandwerk; Multimedia und numerische Künste; visuelle Künste wie Video, Fotografie, Performance und Installationen; Literatur und Verlagswesen; Musik; darstellende Künste wie Tanz, Theater, Straßenkunst, Zirkus und Oper. Jeder dieser Bereiche wird seine eigene Direktion mitsamt Selektionskomitee für besonders förderungswürdige Projekte haben.

Dank Kultur l LX soll die Professionalisierung des Kulturbetriebs besser strukturiert und die Luxemburger Kulturwelt international bekannter gemacht werden, betonte Berichterstatterin Djuna Bernard („déi gréng“) die Vorteile des Gesetzes. Kultur l LX sei nicht aus dem Nichts entstanden, erinnerte sie. Alle Bereiche hatten bereits zuvor in einer gleichnamigen Asbl. zusammengearbeitet. Nun werde es eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, die den Bedürfnissen der Künstler besser entsprechen soll.

Auch die CSV-Sprecherin Octavie Modert unterstrich die Wichtigkeit des Gesetzes für den Kulturbetrieb. Kultur l LX sei wesentlich für Künstler, um im Ausland auftreten zu können. Ein Exportbüro werde ihnen dabei helfen. Es soll ein Sprungbrett für eine internationale Karriere werden.

Etwas Elitäres

Wichtig sei, dass dem Künstler nicht zu viele administrative Hürden gestellt werden, betonte seinerseits André Bauler (DP). Die Entscheidungen des Selektionskomitees, welche Projekte unterstützt werden, sollten gut nachvollziehbar sein. Die neue Struktur erlaube eine globale Übersicht über die vielen Kunstprojekte im Land, so die Einschätzung des liberalen Abgeordneten.

Laut Simone Asselborn-Bintz (LSAP) könne Kultur auch ökonomischen Wert haben. Auch dieser Sektor trage zur wirtschaftlichen Diversifikation eines Landes bei. Derzeit seien 2.300 Betriebe in Luxemburg in diesem Bereich tätig. Sie erwirtschaften einen Umsatz von einer Milliarde Euro und beschäftigen fast 7.000 Personen. Laut EU-Kommission würden wir dieses Potenzial unzureichend nutzen.

Fred Keup (ADR) machte sich zum Sprachrohr kritischer Stimmen aus dem Kulturbereich. Das Kulturministerium wisse nicht, was „um Terrain“ laufe, so Kritiker. Die Ausstellungen richteten sich noch hauptsächlich an das Bildungsbürgertum, der Kunst hafte noch immer etwas Elitäres an. Die Teilnahme an Biennalen bringe nicht viel, sei man doch gegenüber der ausländischen Konkurrenz machtlos. Auch werde Luxemburg im Ausland noch nicht als Kulturland anerkannt.

Eine Kritik, die Kulturministerin Sam Tanson („déi gréng“) mit der Bemerkung beantwortete, dass die Beteiligung an internationalen Veranstaltungen erst die Voraussetzung sei, um international bekannt zu werden. Mit Kultur l LX werde erstmals seit 2004 eine öffentlich-rechtliche Einrichtung im Kulturbereich geschaffen. Seit langem forderte der Sektor dies, so Tanson. Niederlassen wird sich Kultur l LX in der Villa Louvigny.

Das zweite, gestern beschlossene Gesetz zum Kulturbetrieb soll die Arbeitsbedingungen der freischaffenden Künstler und Intermittenten, also nur für die Zeit einer Produktion Beschäftigte, verbessern. So wird die Karenzdauer, nach der Künstler eine staatliche Unterstützung beantragen können, reduziert. Auch wird die monatliche Hilfe erhöht. Insbesondere die Covid-19-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig der Sektor für die Gesellschaft ist, betonte Berichterstatterin Djuna Bernard („déi gréng“).

André Bauler (DP) unterstrich, dass das Einkommen von Kunstschaffenden starken Schwankungen unterworfen sei. „Trockenperioden“ können unter Umständen lange dauern und Künstlern und Intermittenten zu schaffen machen. Insbesondere die Pandemie habe deren Verletzlichkeit vor Augen geführt. Jedem sei klar gewesen, dass der Sektor widerstandsfähiger gemacht werden müsse.

Luxemburg sei eines der wenigen Länder in Europa, die derlei Unterstützungssysteme haben, so Kulturministerin Sam Tanson. Erfreut zeigte sie sich, dass niemand dies infrage stelle. Tatsächlich hangeln sich die Künstler von Projekt zu Projekt. Dank des bereits bestehenden Gesetzes konnte während der Covid-19-Zeit schnell reagiert werden. Jetzt würden Anpassungen vorgenommen. Derzeit bekämen 87 freischaffende Künstler und 220 Intermittenten Unterstützung.

Berufliche Freistellung

Ein weiteres Gesetz führt die berufliche Freistellung für kulturelle Zwecke wieder ein. Der Kultururlaub soll es Kulturschaffenden und Ehrenamtlichen bei Kulturföderationen und Kulturvereinen erlauben, ohne Einkommensausfall an hochkarätigen Kulturveranstaltungen im In- und Ausland teilzunehmen. Der Kultururlaub war Juni 2014 im Zusammenhang mit den damals beschlossenen Sparmaßnahmen des „Zukunftspak“ abgeschafft worden.

Das alte Gesetz hatte die gewünschten Zielsetzungen nicht erreicht, so Berichterstatterin Josée Lorsché („déi gréng“). Zwischen 1995 und 2014 waren 1.401 Anträge auf Kultururlaub eingereicht worden, davon aber nur 902 positiv beschieden worden. Eine große Neuerung des neuen Gesetzes ist, dass auch Ehrenamtliche an großen Kulturevents teilnehmen können. In den Genuss des neuen Urlaubs kommen sowohl Beschäftigte des Privatsektors als auch des öffentlichen Dienstes sowie Freiberufler. Kulturschaffende haben Anspruch auf jährlich zwölf Tage, Ehrenamtliche von Föderationen unter 1.000 Mitgliedern auf fünf Tage, über 1.000 Mitglieder: 10 Tage. Ehrenamtlichen von Kulturvereinigungen stehen je nach Mitgliederzahl zwischen zwei und vier Tage zu.

Kulturministerin Tanson zufolge soll der Urlaub zur Professionalisierung des Kulturbetriebs beitragen. Angesichts der zunehmenden Probleme von Vereinen, ehrenamtliche Mitarbeiter zu finden, soll hiermit die Ehrenamtlichkeit honoriert werden.

Mit dem vierten Gesetz wird die Organisation der acht staatlichen Kultureinrichtungen verstärkt. So wird der Posten eines beigeordneten Direktors geschaffen. Erklärt wird dies mit der zunehmenden Arbeitsbelastung in den betreffenden Einrichtungen. Es handelt sich dabei um die „Archives nationales“, die „Bibliothèque nationale“, das „Centre national de l’audiovisuel“, das „Centre national de littérature“, das „Institut national de recherches archéologiques“, das „Institut national pour le patrimoine architectural“, das „Musée national d’histoire et d’art“ und das „Musée national d’histoire naturelle“.

Die drei ersten Gesetze gehen auf Anregungen und Empfehlungen aus dem Kulturentwicklungsplan 2018-2028 (KEP) hervor, der im Rahmen eines breiten Konsultationsprozesses entstand und 2018 veröffentlicht wurde.

Phil
11. Dezember 2022 - 6.21

Oh Mann, was haben die für Probleme in der Chamber! Lässt einen an den Untergang des alten Rom denken...

dmp
7. Dezember 2022 - 14.04

Man darf gespannt sein, ob sich dies in der Praxis bewähren wird. Oder ob in erster Linie wieder ganz andere Interessen verfolgt werden, jedoch nicht die des einzelnen Künstlers. Will der Staat Kultur unterstützen, muss er ein offenes Ohr für die Kunstschaffenden haben. Daran hat es in der Vergangenheit gemangelt. Ob sich diesbezüglich etwas ändern wird, wird man sehen ... oder auch nicht. Unterstützung für Künstler und deren Projekte scheiterte bislang viel zu oft an bürokratischen Hürden. Die Verwaltung gehört vereinfacht, dann wird es auch einfacher mit der nötigen Transparenz. Zu guter Letzt: Künstler und ihre Projekte müssen "gewissenhaft" aber vor allem ohne "Vorurteile" betrachtet werden. Werden nur elitäre Projekte unterstützt, von denen sich der eine oder andere in der zuständigen Behörde einen Prestigegewinn für das Land - und für sich selber - verspricht, ist der Gerechtigkeitsaspekt unterminiert. Dabei stellen sich zwei wesentliche Fragen: Wer wird als Künstler anerkannt, resp. was überhaupt ist förderungswürdige Kunst? Und, wird wirklich "kompetentes" Personal vorhanden sein, das vorurteilsfrei sich der Kunst und der Künstler annehmen wird, so dass es (u.a.) keine Diskriminierung geben wird? Ein ungutes Gefühl hat man, wenn man an Esch22 denkt. Aus diesem Fiasko für luxemburgische Künstler sollten praktikable Schlüsse gezogen, die gleichen Fehler vermieden und der Kunst ihren wahren Stellenwert, der leider immer noch von vielen verkannt wird, endlich zugesprochen werden. Inwieweit das realisiert wird, ist die spannende Frage. Es bleibt zu hoffen, dass die verantwortlichen keine ausgeprägte Lernresistenz an den Tag legen werden.