Forum„Neistart Lëtzebuerg“: Klimaschutz- und Sozialpolitik müssen aus einem Guss sein

Forum / „Neistart Lëtzebuerg“: Klimaschutz- und Sozialpolitik müssen aus einem Guss sein
Wenn Klima- und Sozialpolitik nicht aus einem Guss kommen, werden die sozial Schwachen die Leidtragenden sein Foto: dpa/Stefan Jaitner

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der von der Regierung versprochene ökologische und soziale Neustart lässt auf sich warten. Als Entschuldigung kann man anführen, dass die Corona-Krise das Land noch immer im Griff hat. Dies sollte aber nicht als Ursache dienen, die dringendsten ökologischen und sozialen Probleme auf die lange Bank zu schieben. Da die Minderbemittelten in unserer Gesellschaft nur zu einem sehr geringen Teil für Klima- und Umweltschäden verantwortlich zeichnen, müssen Klimaschutz- und Sozialpolitik aus einem Guss sein, da ansonsten die sozial Schwachen die Leidtragenden einer unausgegorenen Klimapolitik sein werden.

Regierung und Parlament haben Ende 2020 ein Klimaschutzgesetz und einen Klimaplan auf den Weg gebracht, wo zum Teil ambitionierte Zielsetzungen enthalten sind. Wie diese Vorhaben aber konkret umgesetzt werden und ob hierbei die soziale Schieflage sich nicht weiter verstärkt, ist mehr als fraglich. Als Beispiel hierfür kann man die am 1. Januar dieses Jahres eingeführte CO2-Steuer auf Benzin, Diesel, Gas und Heizöl als Beispiel nehmen. Auf Druck der Gewerkschaften wurden zwar soziale Kompensationen eingeführt, die aber unzureichend und sozial nicht abgestuft sind. Begrüßenswert sind die längst überfällige Erhöhung der Teuerungszulage und die Erhöhung des Steuerkredits für verschiedene Einkommenskategorien.

Index-Manipulation

Als Gewerkschaften haben wir immer die Meinung vertreten, dass Umweltsteuern einkommensneutral sein müssen, d.h. dass das Produkt dieser Steuern über soziale Kompensationen integral an den Verbraucher zurückfließen muss. Dies ist nicht der Fall. Die Mehreinnahmen aus dieser Steuer, die nicht für die oben genannten Kompensationen aufgewendet werden, sollen für CO2-mindernde Maßnahmen benutzt werden. Hierzu zählt die Subventionierung von Elektroautos und privaten Ladestationen. Finanzielle Unterstützung gibt es auch für die energetische Häusersanierung und für einen Heizungsaustausch. All diese Maßnahmen sind leider nicht sozial abgestuft. Geringverdiener können sich kein Elektroauto leisten und sind, trotz Subventionen, oft nicht in der Lage, die energetische Sanierung ihrer Wohnung zu bewerkstelligen. Wie oben bemerkt, riskiert, am Beispiel der CO2-Steuer, eine nicht mit den Gewerkschaften abgestimmte Klimapolitik die sozialen Ungleichheiten zu verstärken.

Als Gewerkschaften sind wir nach wie vor der Meinung, dass alle Preiserhöhungen auf Konsumartikeln integral im Index berücksichtigt werden müssen. Entgegen dieser, bei uns allgemein anerkannten Vorgehensweise wird die CO2-Steuer im Index neutralisiert, was völlig inakzeptabel ist. Hinzu kommt, dass wenn diese Umweltsteuer den gewünschten Lenkungseffekt haben wird, der Konsum dieser Produkte sich rückläufig entwickeln wird. Demzufolge wird sich auch die Gewichtung dieser Produkte im Indexwarenkorb abnehmen, was zu einer quasi automatischen Neutralisierung im Index führen wird.

Wirtschafts- und Sozialsystem ökologischer und sozialer gestalten

Der Neustart nach der Corona-Krise sollte entsprechend verschiedener Äußerungen von Regierungsmitgliedern genutzt werden, um unser Wirtschafts- und Sozialsystem sozialer und ökologischer zu gestalten. Dies ist sicher notwendig, da unser aktuelles System einer Minderheit einen immer größeren Reichtum beschert, während auf der anderen Seite immer mehr Menschen in Armut ihr Leben fristen müssen und dabei die natürlichen Ressourcen immer weiter ausgebeutet werden. Leider sieht es zurzeit nicht danach aus, als würden diesen Absichtserklärungen entsprechende Taten folgen. So wurde die Steuerreform, die mehr Einkommensgerechtigkeit herbeiführen sollte, vertagt und die Wohnungsnot soll wie bisher mit marktwirtschaftlichen Rezepten, die bisher versagt haben, einer Lösung zugeführt werden.

Die Finanzkrise und die jetzige sanitäre Krise haben gezeigt, dass gute soziale und öffentliche Dienstleistungen unentbehrlich sind, im Interesse der Menschen, die hier leben und arbeiten. Deshalb muss die Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik, wie sie seit Jahrzehnten in Europa und hier bei uns betrieben wird, endlich ein Ende haben. Vielmehr müssen privatisierte Dienstleistungen, so u.a. im öffentlichen Transport und im Energiebereich, wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt werden.

Weiterhin sollte, aus sozialen und ökologischen Erwägungen, der kollektive Konsum durch verbesserte Dienstleistungen gegenüber dem Individualkonsum gestärkt werden. Dies gilt insbesondere auch für den öffentlichen Transport. Die finanzielle Unterstützung der individuellen Elektromobilität verstärkt das soziale Ungleichgewicht bei uns und blendet die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen aus, die bei der Produktion von Elektroautos anfallen. Dies gilt ebenso für die Kosten, die für Straßen, Parkplätze und eventuelle Unfälle aufgewendet werden müssen. Ziel der Transport- und Verkehrspolitik muss sein, das Recht auf einen guten, attraktiven und sicheren öffentlichen Transport für alle Menschen, die hier leben und arbeiten, sicherzustellen. Hierzu sind verstärkte Investitionen, nicht nur in die Infrastruktur, sondern auch in die Transportbeschäftigten, in Form von zeitgemäßen Rekrutierungskampagnen notwendig.

*Der Autor ist ehemaliger Präsident des FNCTTFEL-Landesverbandes.