Nachdem es zu spät ist: Verhaftungswelle von Internet-Hasspredigern in Polen

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Nach der Ermordung des Danziger Bürgermeisters Adamowicz wurden in Polen nun erste Hassredner festgenommen. Kritiker der Regierung sehen aber auch bei der rechtsgerichteten PiS-Regierung eine Mitschuld.

Von unserem Korrespondenten Paul Flückiger

Nach der Ermordung des Danziger Bürgermeisters Pawel Adamowicz hat die polnische Polizei offenbar bereits Dutzende von Internet-Hassrednern festgenommen. Laut Innenminister Joachim Brudzinski soll sich künftig eine Sondergruppe der Staatsanwaltschaft um Hassbotschaften und Drohungen gegen Leib und Leben auf sozialen Netzwerken, YouTube und anderen Internetplattformen kümmern. „Leider kann man nicht mehr sagen, ‚bevor es zu spät ist'“, twitterte der rechtsnationale Falke in der Kaczynski-Regierung.

Bis Donnerstagabend wurden zumeist rechtsgerichtete Bürger festgenommen, die eine Reihe liberaler Bürgermeister und Politiker bedroht hatten, darunter auch ein 48-jähriger Danziger, der dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk offenbar telefonisch das gleiche Los wie Adamowicz angedroht hatte. Adamowicz war am Sonntagabend während eines öffentlichen Auftritts auf einer Freiluftbühne in der Danziger Innenstadt von einem 27-Jährigen niedergestochen worden. Der Danziger Bürgermeister hatte kurz zuvor dazu aufgefordert, sich für die Mitmenschen zu öffnen und Gutes zu tun; auch hatte er den Wunsch geäußert, dass Danzig immer eine offene Stadt für alle bleibe.

Bisher nicht geahndet

Der Mörder jedoch hatte nach der Bluttat ein Mikrofon an sich gerissen und dort triumphierend verkündet, die oppositionelle liberale Bürgerplattform habe ihn gefoltert, weshalb nun Adamowicz habe sterben müssen. Bei dem Mörder handelt es sich um einen offenbar psychisch angeschlagenen mehrfachen Bankräuber, der erst im Dezember nach einer fünfjährigen Gefängnisstrafe aus der Haft entlassen worden war.

„Ich verspreche, dass die Verfolgung von Hassbotschaften keine vorübergehende Show-Aktion ist; die Polizei wird nun konsequent und erbarmungslos dagegen vorgehen“, twitterte Innenminister Brudzinski. Bereits am Montag war ein Bürger verhaftet worden, der im Internet die beiden liberalen Bürgermeister von Poznan (Posen) und Wroclaw (Breslau) bedroht hatte. Am Dienstag wurden dann eine Mutter mit erwachsenem Sohn verhaftet, nachdem sie während einer Live-Schaltung auf der Internetplattform YouTube den Mord an Adamowicz in den höchsten Tönen gelobt hatten. Festgenommen wurde auch ein erst 16-Jähriger, der kommentiert hatte, wie Adamowicz sollte es vielen anderen polnischen Bürgermeistern auch ergehen.

Solche Drohungen können in Polen mit bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet werden. Bisher wurden sie jedoch auch nach entsprechenden Anzeigen sehr oft überhaupt nicht geahndet. Bei der Staatsanwaltschaft gab es auch keine Sondergruppe dafür. Diese wurde nun vom Justizministerium ad hoc geschaffen und gleich sofort mit 105 Staatsanwälten bestückt. Die rechtspopulistische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) wolle damit davon ablenken, dass sie selbst Hassbotschaften und Drohungen gegen politische Gegner seit ihrer Machtübernahme im Herbst 2015 gefördert habe, heißt es bei der Opposition.

roger wohlfart
19. Januar 2019 - 14.17

Wehret den Anfängen! Wer Wind säht, wird Sturm ernten. Diese Hetzkampagnen und diese Hasstiraden in den sozialen Medien zeigen ihre erste Früchte. Wenn wir lange genug zurückblicken, stellen wir fest, dass es das doch schon einmal gegeben hat. Also wiederholt sich die Geschichte doch. Die Menschen lernen anscheinend nicht hinzu. Die Saat des Bösen beginnt wieder zu spriessen.