„Rassistisch motivierter Terroranschlag“Nach der Bluttat von Hanau will Berlin das Waffenrecht überprüfen

„Rassistisch motivierter Terroranschlag“ / Nach der Bluttat von Hanau will Berlin das Waffenrecht überprüfen
Mahnwache nach den Morden: Die SPD fordert eine Beobachtung der AfD durch den Bundesverfassungsschutz, CDU-Innenminister Seehofer zeigt sich skeptisch ob der Machbarkeit Foto: AFP/Odd Andersen

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Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem rassistischen Anschlag in Hanau? Zunächst soll die Polizeipräsenz im öffentlichen Raum verstärkt werden. Neue Gesetze braucht es zwar keine, doch müssten die bestehenden auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Insbesondere das Waffenrecht. Das machten Bundesinnenminister Hort Seehofer (CSU) und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Freitag in Berlin deutlich.

Auch am Tag zwei nach der schrecklichen Bluttat mit insgesamt elf Toten saß der Schock immer noch tief. Seehofer sprach von einem „rassistisch motivierten Terroranschlag“ – dem dritten binnen weniger Monate. Anfang Juni 2019 wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübke von einem Rechtsextremisten ermordet. Im Oktober folgte der Anschlag auf eine Synagoge in Halle. Und in der Nacht zum Donnerstag tötete der 43 Jahre alte Tobias R. zehn Menschen vorwiegend mit ausländischen Wurzeln und anschließend sich selbst. Eine solche Tat entstehe nicht aus dem Nichts, meinte Lambrecht. „Wir müssen auch reagieren“, so die Chefin des Justizressorts.

Dazu hatte Seehofer bereits am Abend zuvor mit den Innenministern der Länder Sofortmaßnahmen abgestimmt. Demnach wird die Polizeipräsenz im Land auch vor dem Hintergrund der anstehenden Karnevalsveranstaltungen erhöht. Konkret kündigte Seehofer eine stärkere Überwachung von Bahnhöfen, Flughäfen und des grenznahen Raums an. Auch „sensible Einrichtungen“, insbesondere Moscheen, sollen verstärkt überwacht werden.

Gefahr „sehr hoch“

Gleich mehrfach betonte der Innenminister, dass die Gefährdungslage durch den Rechtsextremismus in Deutschland „sehr hoch“ sei. So berichtete er von zahlreichen Durchsuchungen bei mutmaßlichen Rechtsextremisten an mehreren Orten, bei denen in jüngster Zeit eine große Zahl von Handgranaten und automatischen Waffen sowie Sprengstoff gefunden worden seien. Es gebe eine „lange Liste“, was man dabei an Anschlägen verhindert habe, sagte Seehofer.

Auch sonst sieht sich die Regierung bei der Bekämpfung brauner Umtriebe gut gerüstet. Seehofer und Lambrecht verwiesen dazu auf den am Mittwoch vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur stärkeren Bekämpfung von Hass im Internet sowie auf das gerade erst in Kraft getretene Gesetz zur Verschärfung des Waffenrechts. Demnach gibt es jetzt eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz, um die Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern zu überprüfen. Nun müsse man sehen, ob das auch konsequent umgesetzt werde und die Behörden tatsächlich die nötigen Informationen für ihre Entscheidung bekämen, sagte Lambrecht. Daran gibt es jedoch bereits Zweifel.

Legal im Besitz von Waffen

Nach bisherigen Erkenntnissen war der Täter von Hanau Sportschütze und damit legal im Besitz von Waffen. Bekannt ist auch, dass er bei mehreren Behörden Anzeigen mit wirrem Inhalt erstattete – bis hin zur Bundesanwaltschaft. Generalbundesanwalt Peter Frank, der gemeinsam mit dem Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, ebenfalls an der Pressekonferenz teilnahm, bestätigte den Vorgang. Dabei sei es um eine Strafanzeige gegen einen unbekannten Geheimdienst gegangen, von dem sich Tobias R. offenbar verfolgt fühlte. Münch sprach in diesem Zusammenhang von einer „schweren psychotischen Krankheit“ des Täters.

Weil in der Anzeige aber keine rechtsextremistischen oder rassistischen Tendenzen erkennbar waren, wurden auch keine Ermittlungen eingeleitet. Einen Zugriff auf Informationen im Waffenregister hat die Bundesanwaltschaft laut Frank nicht. Hier könnte eine entsprechende Verknüpfung solcher Informationen für Abhilfe sorgen.

An der geltenden Praxis für Sportschützen, ihre Waffen daheim zu lagern anstatt in den Räumen des jeweiligen Vereins, will Lambrecht dagegen nicht rütteln. In der Vergangenheit war auch darüber diskutiert worden. Die Idee wurde aber im Interesse der Vereine fallen gelassen. Sie müssten dann für entsprechende Sicherheitsvorkehrungen sorgen.