LuxemburgMusiktherapeuten fordern, dass ihr Beruf endlich anerkannt wird

Luxemburg / Musiktherapeuten fordern, dass ihr Beruf endlich anerkannt wird
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Musik ist „Balsam für die Seele“, und trotzdem haben die Musiktherapeuten ein großes Problem: Ihre Tätigkeit ist in Luxemburg nicht als Beruf anerkannt. So sind sie gezwungen, in anderen Bereichen wie z.B. Krankenpflege oder Psychologie ihre Kenntnisse anzuwenden. Ihre Forderung nach Anerkennung stößt bei der Politik jedoch bis dato auf taube Ohren. Am vorigen Sonntag fand die Generalversammlung der luxemburgischen Musiktherapeuten statt.

Dass Musik unser Gefühlsleben beeinflusst, weiß der Mensch seit dem Altertum. Eine der ersten geschichtlichen Erwähnungen ist in der Bibel zu finden: „Sooft nun ein Geist Gottes Saul überfiel, nahm David die Leier und spielte darauf. Dann fühlte sich Saul erleichtert, es ging ihm wieder gut und der böse Geist wich von ihm.“ (1. Sam.14,23). Der moderne Beruf des Musiktherapeuten entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus der psychologischen Arbeit mit kriegstraumatisierten Soldaten

Um zu erklären, wie in der Musiktherapie gearbeitet wird, gibt Cathy Schmartz (40), Vorsitzende der „Gesellschaft fir Musiktherapie zu Lëtzebuerg“ (GML), ein Beispiel. In Holland, wo sie studierte, hatte sie eine Patientin, die vergewaltigt worden war. Dieser sei es unmöglich gewesen, in einer Psychotherapie über das Trauma zu reden, was aber nötig gewesen wäre. Die Frau habe sich, obwohl sie keine Musikerin gewesen sei, an das Schlagzeug gesetzt, und sich das Erlebte herausgetrommelt.

Eine musikalische Apotheke

Musiktherapie kann aber auch rezeptiver Natur sein. In diesem Fall hört der Patient Musik und lässt diese wirken. Musik kann das Reden in der Therapie fördern oder begleiten. Der rezeptive Aspekt werde z.B. mit Erfolg bei Frühchen angewandt, um deren Herzrhythmus zu regulieren. Musiktherapie werde auch oft im Behindertenbereich eingesetzt, bei Menschen, die nicht reden können, und sich über die Musik ausdrücken, erklärt Schmartz. Gute Resultate seien auch bei Demenzkranken erzielt worden, da Musik direkt den Bereich des Gehirns anspricht, der für das Erinnern verantwortlich sind.

Die GML erhielt 2019 zwölf Anfragen für Musiktherapie von Institutionen und Privatpersonen, sowohl für Kinder wie für Erwachsene. In einigen Fällen ging es um die Verbesserung der Lebensqualität älterer Menschen, in anderen um psychiatrische Probleme oder um Entwicklungsverzögerungen. Leider konnten nicht alle Anfragen positiv beantwortet werden. Die Nicht-Anerkennung des Berufs schränkt die Therapeuten ein.

Wie Schokolade

Musikalische Vorkenntnisse braucht es bei einer Musiktherapie keine. Der Fokus liegt, wenn der Patient selber musiziert, beim Improvisieren. „Im Prinzip kann das auf jedem Instrument sein, doch bevorzugt werden solche, bei denen der Patient nichts falsch machen kann, wie z.B. Perkussionsinstrumente. Auf eine Trommel schlagen kann jeder.“ Aber auch Klavier könne benutzt werden. Blasinstrumente seien aus Hygienegründe nicht so geeignet.

Um von den gesundheitlichen Vorteilen der Musik zu profitieren, müsse man aber keine Therapie machen. „Jeder sollte seine musikalische Apotheke haben, eine Playlist für jeden Anlass“, rät Cathy Schmartz. „Musik setzt die gleichen Glückshormone frei wie Schokolade.“ Mit ihren zwei kleinen Töchtern, die noch nicht sprechen können, würde sie mehr singen als reden, sagt sie. Aber sie sei keine Verfechterin der „Mozart-These“, die besagt, dass Kinder intelligenter würden, wenn man ihnen klassische Musik zu hören gibt. Bei ihr zu Hause seien es eher Kinderlieder.

Verantwortung gegenüber dem Patienten

Ein gesetzlich regulierter Beruf sei Musiktherapeut nur in wenigen europäischen Ländern, etwa in  Österreich, den baltischen Staaten und in Großbritannien. In Luxemburg schlossen sich die Musiktherapeuten 2004 in der „Gesellschaft fir Musiktherapie zu Lëtzebuerg“ zusammen, um für die Anerkennung ihres Berufes zu kämpfen. In Luxemburg gibt es zurzeit 28 Musiktherapeuten, doch sie arbeiten als Pädagogen, Krankenpfleger, Lehrer usw. Es gibt einige Institutionen im Pflegebereich, die Musiktherapie anbieten, doch die Therapeuten sind in ihrem Grundberuf eingestellt, da eine Institution ja niemand in einem Beruf einstellen kann, den es nicht gibt. Sie selbst wollte zwar immer Musiktherapeutin werden, sagt Schmartz, machte aber vor ihrem Musiktherapiestudium ein Master in Psychologie. Vorkenntnisse in Musik sind wünschenswert, an manchen Universitäten sogar Voraussetzung. Cathy Schmartz studierte in ihrer Jugend Klavier und Gesang am hauptstädtischen Konservatorium.

Die Nicht-Anerkennung des Berufs birgt ein anderes Problem. Die Musik kann zwar viel Gutes bewirken, doch die falsche Musik auch Schlechtes. Musiktherapeuten tragen genauso wie Psychotherapeuten eine Verantwortung gegenüber ihren Patienten. „Doch theoretisch kann sich jeder, der ein Wochenendseminar besucht, Musiktherapeut nennen.“

Jedes Jahr am 15. November feiern die Europäischen Musiktherapeuten übrigens den Tag der Musiktherapie. Die GML wird dieses Jahr zum siebten Mal daran teilnehmen. Das Thema lautet: „Make a melody“. 

Zur Person

Cathy Schmartz (40) ist Vorsitzende der „Gesellschaft fir Musiktherapie zu Lëtzebuerg“ und arbeitet als Psychologin. Sie absolvierte ein Masterstudium in Psychologie in Trier und Salzburg sowie ein Bachelor in Musiktherapie an der Universität von Enschede (NL). Als Kind und Jugendliche studierte sie Klavier und Gesang am hauptstädtischen Konservatorium.  

Die Präsidentin der „Gesellschaft fir Musiktherapie zu Lëtzebuerg“, Cathy Schmartz
Die Präsidentin der „Gesellschaft fir Musiktherapie zu Lëtzebuerg“, Cathy Schmartz Foto: Editpress/Anne Lommel

Cornichon
12. Februar 2020 - 16.25

Hätte jeder Mensch ein Haus für die Ruhe und eine Scheune für die Party, hätte keiner mehr psychische Probleme.