Bitte einsteigen!Multimodalität im Selbsttest: Wie gut funktioniert der Arbeitsweg mit Rad und Zug?

Bitte einsteigen! / Multimodalität im Selbsttest: Wie gut funktioniert der Arbeitsweg mit Rad und Zug?
Mit Rad und Zug zur Arbeit: Ergibt das Sinn? Foto: Editpress/Tania Feller

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Niemand steht während des Berufsverkehrs gerne im Stau. Mit Zug und Fahrrad ist es theoretisch möglich, die Blechlawine zu vermeiden. Doch ist das überhaupt eine realistische Alternative zur Autofahrt? Das Tageblatt ist morgens während der Rushhour mit Drahtesel in den Zug gestiegen.

„Bitte einsteigen!“

So heißt unsere Artikelserie zum öffentlichen Personenverkehr in Luxemburg. Das Tageblatt beleuchtet mit Interviews, Selbsttests und Analysen alle denkbaren Aspekte des öffentlichen Transports, um in den nächsten Wochen herauszufinden, wie gut Bus, Zug und Co. im Großherzogtum funktionieren. Teil vier beschäftigt sich mit einem Selbstversuch: Wie gut funktioniert der Arbeitsweg mit Rad und Zug?

Es ist 8 Uhr am Escher Bahnhof. Gestresste Menschen eilen in Richtung Bahnsteig, jeder Atemzug bleibt kurz in der eisigen Luft hängen. Jo Klein von ProVelo schiebt sein Fahrrad die Rampe zum Steg hoch und erklärt, dass nicht alle Bahnhöfe gleich gut für Fahrradfahrer ausgestattet sind. „Bei verschiedenen Bahnhöfen gibt es neben der Treppe nur eine schmale Spur, in der man das Fahrrad hochschieben kann – das ist allerdings relativ unpraktisch, weil man dann ständig mit dem Lenker gegen das Geländer prallt“, sagt Klein.

Doch die meisten Bahnhöfe seien mittlerweile mit Fahrstühlen ausgestattet, diese seien allerdings nicht alle groß genug für Zweiräder. „Und das sind relativ neue – wie zum Beispiel in Kleinbettingen. Uns wurde allerdings versichert, dass alles, was jetzt gebaut wird, auch auf Radfahrer zugeschneidert wird“, sagt Klein.

Der Zug fährt an diesem Morgen pünktlich in den Escher Bahnhof ein. „Am besten ist es, in der Mitte des Stegs zu warten, bis man weiß, wo der Fahrradwagen ist“, erklärt Klein. Der Eingang für Radfahrer ist mit einer großen grünen Fläche und einem weißen Radsymbol markiert und befindet sich dieses Mal ganz vorne. In dieser Hinsicht gibt es laut Klein noch Verbesserungspotenzial: Auf dem Steg müsste noch vor dem Einfahren des Zuges auf einer Anzeige erkennbar sein, welcher Wagen letztendlich grün markiert sein wird. „Sonst muss man sich über den Steg hetzen“, sagt Klein.

Gut gefülltes Abteil

Jo Klein von ProVelo
Jo Klein von ProVelo Foto: Editpress/Tania Feller

Drei Fahrräder stehen im Abteil – zwei auf der einen Seite, eins auf der anderen. „Heute Morgen, als ich mit dem Zug nach Esch gekommen bin, waren wir zu viert – es wird viel genutzt und im Sommer noch mehr“, sagt Klein. Die CFL habe auch Zugmodelle, in denen man das Fahrrad an Haken aufhängt. „Und da muss man auch weniger oft wegen des Platzes mit anderen Passagieren diskutieren“, erklärt Klein. An diesem Morgen scheint sich niemand an den Rädern zu stören – Konfliktsituationen seien sowieso selten. „Wenn man freundlich mit den Menschen redet, ist das normalerweise auch kein Problem“, sagt Klein. Würde man die Drahtesel etwas verschieben und besser anordnen, könnte man im Wagen wohl ohne Probleme acht Fahrräder abstellen.

„Ein Schaffner hat mir auch schon mal gesagt, ich müsse den Durchgang freilassen“, fügt Cédric, ein weiterer Passagier mit Fahrrad, hinzu. Er fährt jeden Tag entweder mit dem öffentlichen Transport, dem Fahrrad oder mit beidem kombiniert von Esch aus in die Stadt zur Arbeit. Die Weiterreise in Luxemburg-Stadt zum Büro gehe mit dem Zweirad wesentlich schneller als mit dem Bus. „Das klappt prinzipiell alles gut“, sagt Cédric.

Zwei Frauen mit Kutsche sitzen ebenfalls im Abteil, Platzmangel herrscht an diesem Morgen trotzdem nicht. Im September vor zwei Jahren sorgte der Fall eines Radfahrers, der während der Rushhour aus dem Zug geschmissen wurde, um Platz für andere Passagiere zu machen, für Aufregung. Ein Ausnahmefall, laut Jo Klein. „Allgemein haben wir in dieser Hinsicht sehr wenige Beschwerden“, sagt das ProVelo-Mitglied.

Rad schneller als Bus

In Bettemburg steigt ein weiterer Fahrradfahrer ein. Pit kommt aus Düdelingen, muss in Bettemburg umsteigen, um in Richtung Luxemburg-Stadt weiterzufahren. „Das ist umständlich – vor allem, weil immer Menschen ohne Fahrrad in diesem Abteil sitzen“, sagt Pit. Wenn viel los ist, stelle er sich einfach in den Gang des Zuges. Trotz Umsteigen komme er multimodal schneller an seinem Ziel an als mit dem Auto. Vom Hauptbahnhof aus fährt der junge Mann dann mit dem Drahtesel zum Cents. „Mit dem Bus dauert das 25 Minuten, mit dem Fahrrad benötige ich nicht einmal zehn.“

Die Kombination aus Zug und Fahrrad ist laut Jo Klein während des Berufsverkehrs jedenfalls eine gute Alternative zum Auto. Es sei nicht nur stressfreier und besser für die Gesundheit, sondern auch für den Geldbeutel. „Dadurch dass meine Freundin jeden Tag mit Zug und Rad zur Arbeit fährt, spart sie monatlich 400 bis 500 Euro“, sagt Klein.

Mehr Platz für Fahrräder in den neuen Zügen

Bis 2025 fahren 34 neue „Coradia Stream High Capacity“ auf den Schienen Luxemburgs, Frankreichs und Belgiens. Bei den neuen Zügen soll es möglich sein, Sitzreihen wegzunehmen, um dann Fahrradplätze dort zu installieren. Bei der Version von drei Wagen könne die CFL so von zwölf auf 24 Fahrradplätze gehen und bei der Version mit sechs Wagen auf 36. „Wir haben vor, in der Fahrradsaison von Mai bis September Sitzreihen zu entfernen, um den Fahrrädern mehr Platz zu geben“, sagt Mike Strotz, Projektleiter bei der CFL. Doch man müsse einen Kompromiss finden, denn bei manchen Linien seien Sitzplätze wichtiger.

Sollte die Mischung aus Drahtesel und Zug allerdings an Beliebtheit gewinnen, müssten die Züge angepasst werden. „Wenn man will, dass noch mehr Menschen multimodal reisen, dann musst du das Fahrradabteil noch größer machen“, sagt Klein. Die alten Z2-Züge – die bis 2025 komplett ersetzt werden (siehe Infokasten) – seien jetzt schon wegen mangelndem Platz und Treppeneinstieg problematisch für Fahrradfahrer.

Der Zug fährt an diesem Morgen pünktlich in den Hauptbahnhof Luxemburg ein. Die Menschenmasse steigt aus und eilt in Richtung Büro. Im Selbsttest wird klar: Das Zusammenspiel aus Zug und Fahrrad funktioniert während der Rushhour relativ gut. Wie lange die Kapazität der Züge mit dem momentanen Rad-Boom noch ausreicht, ist eine andere Frage.


„Bitte einsteigen!“

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Phil
28. Februar 2023 - 20.51

@Jochen Da bin ich 100% bei ihnen... V8 fahren ist wie mit gutem Rotwein die Kehle spülen. Der Sound ist ein phonetischer Orgasmus für die Ohren!

Jochen
28. Februar 2023 - 10.53

Oho, Expertenkommentare! (shukka & Jemp) Ich benutze weder die gute Bahn noch das liebe Fahrrad. Lasse lieber genüsslich meinen V8 aufheulen.

Jemp
28. Februar 2023 - 8.30

@shukka: Ihre Berechnung ist auch falsch. Es ist einfach unsinnig, Fahrräder mit dem Zug zu transportieren. Fahrräder kann man am Bahnhof ausleihen. Warum sie also in sowieso schon überfüllten Zügen transportieren? Nur um ein paar Fanatikern eine Freude zu machen?

shukka
27. Februar 2023 - 21.30

@Jemp Es ist verständlich, dass Sie besorgt über den CO2-Ausstoß sind, aber die Berechnung in Ihrem Kommentar scheint ungenau zu sein. Eine moderne Diesel-Personenbahn produziert durchschnittlich etwa 14 Gramm CO2 pro Personenkilometer, während ein Elektrozug nur etwa 4 Gramm CO2 pro Personenkilometer produziert. Im Vergleich dazu produziert ein durchschnittliches Auto etwa 120 Gramm CO2 pro Personenkilometer, wenn es von zwei Personen genutzt wird. Ihre Berechnung, dass eine 10.000 PS Lokomotive so viel CO2 produziert wie 500 Autos, ist ebenfalls falsch. Eine moderne Lokomotive verbraucht etwa 200 Liter Diesel pro Stunde und produziert dabei durchschnittlich etwa 500 Gramm CO2 pro Kilometer. Wenn wir davon ausgehen, dass eine durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h erreicht wird und ein durchschnittlicher Zug 400 Personen befördert, dann produziert jede Person durchschnittlich nur 1,25 Gramm CO2 pro Kilometer. Das bedeutet, dass die 4 Fahrräder, die in einem halben Zugwagen transportiert werden, bei einer Entfernung von 10 Kilometern nur etwa 50 Gramm CO2 produzieren würden - weit weniger als die von Ihnen geschätzten 500 Autos. Es ist wichtig, dass wir uns bewusst sind, wie wir unseren CO2-Fußabdruck reduzieren können, aber wir sollten sicherstellen, dass unsere Berechnungen genau sind, um vernünftige Entscheidungen zu treffen. Der Einsatz von Fahrrädern in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Zügen ist eine umweltfreundliche Option, die dazu beitragen kann, den CO2-Ausstoß zu reduzieren

Jemp
27. Februar 2023 - 19.47

Ein halber Zugwagen verschwendet für 4 Fahrräder! Im Grunde ist das eine Sauerei. Wissen die wieviel CO2 ein Zug produziert? Ich sag es ihnen: Eine 10.000 PS Lok produziert soviel Co2 wie 500 Autos! Mit 5 Anhängern am Zug könnte man 5x8=40 Fahrräder transportieren, die dann soviel CO2 wie 500 Autos produzieren würden. Unsere 4 Feunde produzieren also 1/10 davon, soviel wie 50 Autos. Das reiht sich ein in den Unsinn mit einer 40Millionen-Fahrradbrücke, deren Konstruktion soviel CO2verursacht hat, dass die Radfahrer, die sie benutzen 10 Millionen Jahre brauchen um das wett zu machen. Dieser Fahrradwahn um jeden Preis muss aufhören!

Ouni mech.
27. Februar 2023 - 18.18

Wat dei eppes opfeieren!