Corona und Landesplanung Mit „Fantasie und Kreativität“ in die Zukunft

Corona und Landesplanung  / Mit „Fantasie und Kreativität“ in die Zukunft
Die Lehren aus der Pandemie sollen bei der Landesplanung mit einbezogen werden. Hier das „Quartier Metzeschmelz“ in Esch-Schifflingen, ein Stadtviertel der Zukunft.  COBE/Ville d’Esch

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Die richtigen Schlüsse aus der Pandemie sollen Luxemburg in Zukunft krisensicherer machen. Doch welche Lehren sind das? Um das herauszufinden, wurden die Auswirkungen von Corona auf die territoriale Planung unlängst in einer Videokonferenz thematisiert. Allgemeiner Konsens besteht darin, dass der öffentliche Raum neu definiert werden muss und territoriales Denken sich nicht mehr auf das eigene Land beschränken kann, sondern die Großregion umschließen muss.

Zum Schluss des Webseminars „Les impacts territoriaux de la crise sanitaire liée à la Covid-19“ hatte Landesplanungsminister Claude Turmes („déi gréng“) einen echten „Scoop“ parat: „Die Regierung hat beschlossen, in den Impfstoff eine kleine Dosis Fantasie und Kreativität hinzugeben zu lassen.“ Damit resümierte er mit einer Prise Humor das, was die Konferenzteilnehmer zuvor drei Stunden lang zusammengetragen hatten. Im Stile einer Denkfabrik drehten sich die Beiträge der Konferenz in erster Linie um die Großregion, die Neugestaltung des öffentlichen Raums und um die Zukunft der (Innen-)Städte. Das Ganze reiht sich in die Landesplanungskonsultation „Luxembourg in Transition“ ein. Eine Art Ideenwettbewerb, der sich auch im neuen Masterplan für die Flächennutzung widerspiegeln soll. Der letzte datiert aus dem Jahr 2003. Minister Turmes hofft, dass ein neuer bis spätestens Anfang 2023 präsentiert werden kann. Und dafür braucht es eben Fantasie und Kreativität.

Natürlich haben die Konsequenzen der Corona-Krise auch massive Auswirkungen auf die Landesplanung. Und da steht zunächst einmal der Aspekt der Großregion im Mittelpunkt. „Bereits der erste Lockdown hat gezeigt, wie abhängig wir von der Grenzregion sind“, sagte Claude Turmes. Hätte Frankreich nämlich seine Grenzen komplett geschlossen, dann wäre das gesamte Gesundheitssystem in Luxemburg zusammengebrochen. Jean-Jacques Rommes, Präsident des Wirtschafts- und Sozialrats (CES), sprach später von einem Paradoxon. Denn nicht die Großregion oder Europa hätten sich in der Krise als verlässliche Partner erwiesen. Im Gegenteil: Jeder habe sein eigenes Süppchen gekocht, weshalb Luxemburg Angst vor Grenzschließungen haben musste. „Dagegen war China ein besserer Partner fürs Land, sodass der schlechte Ruf der Globalisierung in der Krise vielleicht übertrieben ist“, sagte Rommes. Claude Turmes machte darauf aufmerksam, dass nicht Saarbrücken oder Mainz die Grenzen geschlossen hätten, sondern Berlin. In der deutschen Hauptstadt werde die Großregion genau wie in Paris und Brüssel nicht als solche wahrgenommen, bedauerte der Minister. 

Luxemburgs Abhängigkeit

In Luxemburg (mittlerweile) schon. „Wir müssen grenzüberschreitend denken“, sagte Claude Turmes. „Die Krise hat uns gezeigt, wie verletzlich unser System ist“ – und meint damit die Abhängigkeit Luxemburgs von den Arbeitskräften aus dem Umland. Zudem sei der Beschäftigungspool im Grenzgebiet fast leergefischt. Antoine Décoville, Forscher des sozioökonomischen Forschungsinstituts Liser, warnte seinerseits, dass es keine Selbstverständlichkeit sei, dass der Luxemburger Arbeitsmarkt für Grenzgänger interessant bleibe. Probleme mit Gehältern oder der Mobilität könnten z.B. dazu führen, dass sich die Situation schnell ändere. Damit es nicht so weit komme, werde das Grenzgebiet mit in die Zukunftsüberlegungen einbezogen, unterstrich Claude Turmes. Ähnlich wie das beim multimodalen Korridor zwischen Esch und der Hauptstadt der Fall ist. Dort ist die Anbindung des Grenzverkehrs ein wichtiges Element des Projekts.

Wie wird die durch Lockdown, E-Commerce, Einkaufszentren und Home-Office gebeutelte Geschäftswelt in Zukunft aussehen? 
Wie wird die durch Lockdown, E-Commerce, Einkaufszentren und Home-Office gebeutelte Geschäftswelt in Zukunft aussehen?  Foto: Editpress-Archiv

Auf lokaler Ebene konzentrieren sich die negativen Auswirkungen der Corona-Krise vor allem auf die lokale Geschäftswelt und den öffentlichen Raum. Ohne Zweifel ist der E-Commerce der große Gewinner der Krise, während die lokale Geschäftswelt und Gastronomie die großen Verlierer sind. Jean-Jacques Rommes formulierte es recht drastisch, als er davon sprach, dass der Horeca-Sektor „quasi enteignet“ wurde. Christine Muller, Architektin und Urbanistin, machte auf den fast schon unlauteren Wettbewerb des öffentlichen Sektors gegenüber der Privatwirtschaft und den Selbstständigen aufmerksam. „Man muss sich fragen, wer denn heute überhaupt noch ein Geschäft aufmachen will“, so Muller. Das bestätigte zuvor Emile Eicher, Präsident des Gemeindesyndikats Syvicol und Bürgermeister von Clerf: „Die Krise der Geschäftswelt ist durch Covid verschärft worden“, so Eicher. Überall sehe man die Lieferwagen der Paketdienste. In Clerf habe man eine Citymanagerin eingestellt, und trotzdem sei es hart, gegen diese Tendenz anzukommen. Geschäfte müssten einen herausragenden Service anbieten, um sich gegen E-Commerce und Einkaufszentren behaupten zu können, so Eicher.

Home-Office als Fluch und Segen

Das Home-Office hat natürlich auch einen direkten Einfluss auf die Geschäftswelt und vor allem das Leben in den Städten. Wenn z.B. die Grenzgänger nur einen Tag in der Woche von zu Hause aus arbeiten, dann hat das bereits riesige Auswirkungen auf den Kommerz und die Gastronomie. Dabei liege Luxemburg in Sachen Telearbeit in Europa an der Spitze, bemerkte Jean-Jacques Rommes. Während der Krise konnten mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze zumindest teilweise auf Home-Office umstellen, was einzigartig in Europa sei. Doch Telearbeit kann durchaus auch Nachteile haben: soziale Isolation, fehlender Austausch, Eingriff ins Privatleben, Kontrollverlust beim Arbeitgeber und nicht zuletzt steuerliche und sozialversicherungsrelevante Einschränkungen bei Grenzgängern bremsen das Home-Office. Rommes rechnet damit, dass für die Zeit nach Corona 25 Prozent der Arbeitsplätze im Home-Office die Obergrenze sein werden. Und natürlich gibt es auch die soziale Diskrepanz im „Télétravail“. Der Müllmann oder die Putzfrau mit niedrigen Gehältern haben keine Möglichkeit dazu, der Büroangestellte mit einem vergleichsweise hohen Gehalt dagegen schon. 

Für Christine Muller ist Home-Office eine urbanistische Herausforderung. Einerseits könnte das Ungleichgewicht zwischen Büros und Wohnungen wie im Zentrum von Luxemburg-Stadt durch den weniger benötigten Büroraum etwas gerader gerückt werden. Andererseits könne Home-Office auch noch mehr zerstören. Für sie liegt die Lösung in kleinen Initiativen. Und man müsse mit den Menschen reden und gemeinsame Wege finden. Sie sieht die Krise als Chance, die Städte wieder urbaner und Dörfer ruraler zu entwickeln. „Wir müssen weg vom Einheitsdenken“, so Christine Muller.

Auch Claude Turmes stellt sich Innenstädte in Zukunft anders vor. Der Lockdown habe gezeigt, dass der Mensch mehr Freiräume brauche, „denn soziale Gerechtigkeit werde auch im öffentlichen Raum definiert“. Die Idee sei, Plätze zu schaffen, wo Menschen sich begegnen können. Auch wenn das bedeute, „fünf Parkplätze zu opfern“. Genauso müsse Platz für die sanfte Mobilität geschaffen werden. Und man müsse sich wohl oder übel Gedanken machen, wie der zu erwartende Leerstand in den Städten gefüllt werden könne. Beispielsweise mit neuem Wohnraum. 

Home-Office verändert nicht nur die Arbeitswelt
Home-Office verändert nicht nur die Arbeitswelt Foto: dpa/Sebastian Gollnow
Nomi
16. Dezember 2020 - 10.35

Mir bau'en nei Industrie- an Kommercezonen ob der grenger Wiss, an nei Wunnungen ob verseuchten aalen Industrieterrain'en !

GéBé
16. Dezember 2020 - 9.38

Fantasie in Verbindung mit Kreativität geht über die Realität hinaus!