Zufrieden lächelt Frank Metscher beim Videogespräch in die Kamera, seine Haut ist von der Sonne gebräunt. An einem Strand in Sagres in der Algarve hat der 30-Jährige aus Niederanven kurz zuvor eine Surf-Stunde absolviert. Seit rund zwei Monaten ist der studierte Bauingenieur auf seiner Reise von Luxemburg nach Südeuropa unterwegs – los ging es am 5. Mai. Stets dabei sind das von seinem Vater geliehene Auto – mit einer selbstgebauten Konstruktion für Stauraum sowie Platz für eine Matratze zum Schlafen – und viel wichtiger: eine Küche auf zwei Rädern. Diese setzt sich zusammen aus einem Gaskocher, einem Spülbecken, einer kleinen Arbeitsfläche sowie einer Kühlbox. Das alles wurde auf einem kleinen Autoanhänger installiert.
Mit seiner „Kniddel Kitchen“ reist Frank Metscher durch Frankreich, Spanien sowie Portugal und kocht unter freiem Himmel für neue Bekanntschaften, aber auch alte Freunde. Serviert werden Luxemburger Knödel in verschiedenen Varianten: „Das Schöne an den ‚Kniddelen‘ ist, dass man sie unterschiedlich kombinieren kann – von süß bis deftig. In Frankreich habe ich original Dijonsenf und regionalen Roquefort gekauft und damit die Soße zubereitet. In Spanien wurden die ‚Kniddelen‘ mit einer landestypischen Tomatencrème, schwarzen Oliven und Manchego-Käse kombiniert. Ich nutze das Luxemburger Rezept und nehme für die Soße Zutaten aus der Region, in der ich mich gerade befinde. So will ich ein Stück Luxemburger Kultur nach außen tragen und den Leuten gleichzeitig zeigen, dass ich offen für ihre Kultur bin“, erklärt Frank Metscher. Bei der Auswahl der Produkte achtet er auf Herkunft und Verarbeitung.
Die Idee für die „Kniddel Kitchen“ entsteht im Winter 2020 bei einem gemeinsamen Messebesuch mit Freundin Caroline in Nürnberg, wo Frank Metscher seit rund drei Jahren als Bauingenieur arbeitet. „Wir sahen einen Foodtruck und witzelten, wie cool es doch wäre, herumzureisen und dabei Essen anzubieten.“ Diese Idee lässt den damals 29-Jährigen nicht mehr los. Doch schnell zeigt sich: Die Anschaffungskosten für einen Foodtruck sind zu hoch, die verschiedenen Auflagen im Hygiene-Bereich beim Verkauf von Lebensmitteln in den unterschiedlichen Ländern zu kompliziert. Außerdem will Frank Metscher beim Kochen mit den Leuten ins Gespräch kommen. Die Idee eines Foodtrucks wird wieder verworfen.

Stattdessen fragt sich das Paar, was man anbieten könnte. „Eier, Mehl und Milch sind nicht teuer und man bekommt die Produkte überall zu kaufen. Von Anfang an war auch klar, dass etwas wie Hotdogs oder Döner nicht infrage kommt.“ Die Wahl fällt auf etwas Originelleres: „Kniddelen“. Kennengelernt hat der im Großherzogtum geborene Sohn von zwei Deutschen die Mehlspeise selbst erst im Alter von 19 Jahren bei seinem Studium in München. Sein luxemburgischer Mitbewohner kochte sie zum ersten Mal für ihn. Ob in der Studienheimat München oder später als Erasmus-Student in Madrid, fortan lud Frank Metscher dann selbst gerne Kommilitonen auf die Mehlknödel ein. „Noch heute bekomme ich Bilder zugeschickt, auf denen sie zusammensitzen und selbstgemachte ‚Kniddelen‘ essen“, erzählt er begeistert.
Austausch bei „Kniddelen“
Der langjährige Scout beschreibt sich selbst als „durch und durch Europäer“ und ist überzeugt davon, dass man immer aufeinander zugehen sollte. Den Brexit sieht er kritisch. Mit dem Projekt „Kniddel Kitchen“ will Frank Metscher ein Zeichen für ein gemeinsames, offenes Europa setzen. So ist auf dem Heck des mit gelber Folie beklebten Autos, mit dem der Niederanvener auf seiner Reise unterwegs ist, in blauen Buchstaben „COOKING FOR E(YOU)UROPE“ zu lesen. Wenn er aktuell mit dem auffälligen Auto auf Campingplätzen oder in Städten Halt macht, dauernd es nie lange, bis er mit Menschen ins Gespräch kommt. Oft mündet das in einer Einladung zum Essen, begleitet von interessanten Diskussionen: „Auf einem Camping in Straßburg habe ich mit meiner besten Freundin für eine schwedische Familie gekocht und wir haben uns dabei über Europa ausgetauscht. In Girona habe ich bei einer ‚Kniddel‘ mit drei älteren Spaniern über die Unabhängigkeit von Katalonien diskutiert.“ Bei diesen Begegnungen werden die Luxemburger Mehlknödel schon mal mit italienischen Gnocchi, polnischen Piroggen oder österreichischen Käsespätzle verglichen.
Das spanische Altea hat Frank Metscher bereits besucht, auch dem portugiesischen Sesimbra und dem französischen Granville wird er noch einen Besuch abstatten. Das alles sind sogenannte „Douzelage“-Städte, also europäische Partnerschaftsstädte, von Niederanven. Auch dort stellt sich Frank Metscher an den Gaskocher und bereitet für je sechs bis acht Gemeindemitarbeiter die Luxemburger Spezialität zu. „Dabei erzähle ich, wie Niederanven und Luxemburg funktionieren, und versuche zu verstehen, wie sich die Wirtschaft in den Partnerstädten dreht. Im Süden basiert beispielsweise mittlerweile viel auf Tourismus und weniger auf Fischerei. Wir reden aber auch über Themen wie Integration oder über die Sorgen der Menschen.“ Der Bauingenieur nutzt seine Reise aber auch, um alte Freunde wiederzutreffen: „Ich habe meinem ehemaligen Mitbewohner von Erasmus in Madrid geschrieben, dass ich in der Gegend bin. Er ist Spanier. Wir haben uns getroffen und ich habe für ihn und seine Freunde gekocht.“ Diese Begegnungen, der Austausch mit Menschen aus anderen Kulturen, sind für Frank Metscher das Wichtigste an seinem Projekt.
Mit der Unterstützung von Freunden
Immer mal wieder ist der lebenslustige, junge Mann auf seiner Tour auch alleine; Freundin Caroline konnte ihn wegen der Arbeit letztlich nicht auf der ganzen Reise begleiten. Vom Heimweh wird Frank Metscher trotzdem nicht allzu oft gepackt. „Bei mir ist es im Leben eher so, dass ich konstant Fernweh habe“, stellt er lachend fest. Und falls er sich doch einmal alleine fühlt, hört er in den rund 17-stündigen Podcast rein, den Freunde aus allen Ländern ihm zu seinem 30. Geburtstag Anfang April zusammengesetzt haben. Außerdem sei in seinem Auto stets der Beifahrersitz frei. Immer wieder stoßen so Freunde dazu, um ihn ein Stück zu begleiten.
Beim Start im Mai und den ersten Stopps in Metz, Nanzig sowie Straßburg am Europatag war Frank Metschers beste Freundin, die ebenfalls aus Niederanven kommende Claire Wagener, dabei. Wie andere auch war sie zuerst etwas skeptisch, als er von seinem Vorhaben berichtete, aber: „Gleichzeitig dachte ich, dass das eine typische Frank-Aktion ist. Wenn er von so etwas erzählt, ist das kein Geschwätz. Er zieht es dann auch durch. Mit der Hilfe anderer wurde schnell alles konkreter. Ein Freund aus dem Dorf half beim Bekleben des Autos, ein anderer aus Deutschland entwarf das Logo. Klar ist die ‚Kniddel Kitchen‘ Franks Vorhaben und doch ist es auch ein gemeinsames Projekt.“
Auf die Unterstützung seiner besten Freundin kann Frank Metscher zählen. Als er die 30-Jährige im Februar bittet, ihn am Anfang der Reise zu begleiten, ist für sie gleich klar, dass sie dabei ist. Beide sind bei der Abfahrt etwas nervös. „Covid-bedingt blieb es bis zum Ende spannend. Wir wussten nicht, ob wir tatsächlich fahren können oder ob wir an der Grenze vielleicht gestoppt werden“, erinnert sich Claire Wagener. Ausgestattet mit negativen Coronatests geht allerdings alles gut. Frank Metscher ist im Nachhinein glücklich darüber, den Anfang der Reise nicht alleine unternommen zu haben. „Durch Corona war in dieser Zeit wenig los, es waren kaum Leute unterwegs. Die Bars und Restaurants waren geschlossen. Trotzdem war vor allem am Anfang alles sehr aufregend. Da war es gut, jemanden dabeizuhaben.“ Claire Wagener steht hinter ihrem besten Freund – auch wenn er für sein Vorhaben seine Festanstellung in Nürnberg kündigt. Über diese Entscheidung sagt Frank Metscher heute: „Ich arbeite gerne, denke aber trotzdem, dass wir nicht nur auf der Welt sind, um einer Arbeit nachzugehen. Ich bin vor und nach meinem Studium gereist und war für ein ‚Work and Travel‘ in Kanada. Ich werde nie der Mensch sein, der pausenlos 40 Jahre arbeitet. Ich freue mich aber schon jetzt wieder darauf, nach der Reise ins Berufsleben zurückzukehren.“
Bei der Umsetzung seines Vorhabens bekommt Frank Metscher finanzielle Unterstützung von der Gemeinde Niederanven, die übrigen Kosten zahlt er aus eigener Tasche. Unter anderem deshalb, aber auch aus einem nachhaltigen Grundgedanken heraus hat der Bauingenieur für die mobile Küche fast nichts Neues gekauft, sondern sich zu Hause und in der Umgegend nach den passenden Teilen umgesehen. Auto und Anhänger wurden dann zur „Kniddel Kitchen“ umgebaut und haben – bis auf eine kleinere Reifenpanne – der bisherigen Reise durch Frankreich, Spanien und Portugal gut standgehalten.
Gegen Ende August wird Frank Metscher nach Luxemburg zurückkehren und wahrscheinlich in Deutschland wieder auf Arbeitssuche gehen. Dem Bauingenieurwesen will er dabei weiterhin treu bleiben. Vielleicht wird er später noch einmal mit der mobilen Küche auf Reisen gehen und andere Länder besuchen. Eines steht auf jeden Fall fest: Überdrüssig ist der 30-Jährige den Mehlknödeln noch nicht. „Ich habe diese Woche noch gar nicht viele ‚Kniddelen‘ gegessen, ich könnte eigentlich mal wieder welche kochen“, sagt er beim Videogespräch zum Abschied lachend in die Kamera.
De Maart
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