Sie sind im Kunstrasen, auf Spielplätzen, in Kleidung und Kosmetika oder sogar in Fischen und anderen Lebensmitteln: Winzige Plastikpartikel, sogenanntes Mikroplastik, stellen eine erhebliche Umweltbelastung dar. Nun will die Europäische Union den Verkauf von Mikroplastik und Produkten, denen die schädlichen Partikel bewusst zugesetzt sind, verbieten. Das Verbot soll bereits am 15. Oktober in Kraft treten, sagte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius in Brüssel. „Die Beschränkung betrifft sehr kleine Partikel, ist aber ein großer Schritt zur Verringerung der vom Menschen verursachten Umweltverschmutzung“, so Sinkevičius. Allerdings sollte man keine Wunder erwarten.
Es geht zunächst nur darum, die Verschmutzung von Ozeanen und Umwelt mit Mikroplastik bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Das Verbot löst das Problem nicht auf einen Schlag – dafür sind bereits zu viele Plastikpartikel im Umlauf. Langfristig sollen die neuen Regeln die Abgabe von einer halben Million Tonnen Mikroplastik verhindern.
Mit dem Begriff Mikroplastik werden schwer abbaubare, synthetische Polymere mit einer Größe von weniger als fünf Millimetern bezeichnet. Die Partikel reichern sich in Tieren – vor allem in Fischen und Schalentieren – an und können daher auch in Lebensmittel gelangen. Plastiktüten und anderer Kunststoff-Müll sind nicht gemeint.
Am meisten Mikroplastik findet sich nach Darstellung der EU-Kommission im Granulat auf Kunstrasenplätzen und anderen Sportanlagen. Dort soll das Verbot allerdings erst nach acht Jahren in Kraft treten. Man wolle den Betreibern von Sportplätzen „die Zeit geben, auf Alternativen umzusteigen“, heißt es in Brüssel.
Schneller soll es bei Mikroperlen oder kosmetischem Glitter gehen: Hier soll das EU-Verkaufsverbot schon am 15. Oktober greifen. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Produkte, die in der Industrie verwendet werden oder bei der Verwendung kein Mikroplastik freisetzen, sind vom neuen, EU-weiten Verkaufsverbot nicht betroffen.
Konsequente Umsetzung
Hier zeigt sich, dass es nicht nur um Umweltschutz geht – sondern auch um Industriepolitik. Der EU-Beschluss „trägt zum ökologischen Wandel in der Industrie bei und fördert innovative, mikroplastikfreie Produkte“, betont Binnenmarktkommissar Thierry Breton. „Die Industrie, die in solche innovativen Produkte investiert und sie entwickelt hat, wird wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger.“
Die EU-Kommission bleibt ihrer Philosophie treu: Alle Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz sollen auch die Industrie schützen bzw. helfen, neue Produkte und Märkte zu erschließen. Ob dies auch im Fall des Mikroplastiks gelingen kann, ist jedoch unklar. „Wir sind längst nicht am Ziel“, räumt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) ein.
Immerhin: Die EU-Staaten und das Europaparlament haben bereits zugestimmt. Die große Frage ist nun, ob das eilig erlassene Verbot schnell und konsequent umgesetzt wird. Daran sind Zweifel erlaubt. Hinter den Kulissen liefern sich die chemische Industrie und Plastik- und Verpackungshersteller eine heftige Lobbyschlacht mit der EU. So läuft die Chemieindustrie gegen die geplante Überarbeitung der Chemikalienverordnung „Reach“ Sturm. Sie wurde bereits mehrfach verschoben und taucht jetzt auf der Agenda der EU-Kommission gar nicht mehr auf. Widerstand gibt es auch gegen eine geplante EU-Reform, die den Verpackungsmüll auf breiter Front bekämpfen soll.
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