EditorialMieterfrust in Luxemburg

Editorial / Mieterfrust in Luxemburg

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Logement, Logement, Logement: Kein Thema bewegt die Luxemburger mehr – und kaum ein Dossier könnte schwieriger sein. Eine Bestandsaufnahme.

Eigentlich langweilt der Politmonitor. Alle paar Monate erscheint Luxemburgs zentrale politische Umfrage. Die immer gleiche Feststellung: Wohnen ist hierzulande „kee Kado“. Warum das so ist, kann man der Umfrage nicht direkt entnehmen. Während die geläufige Lesart lautet, dass ausländische Spekulanten die Preise in die Höhe treiben, ist die Realität leicht komplizierter.

Es gibt sie wohl, die reichen Russen und die kecken Katarer. Ihr Einfluss sollte auch nicht unterschätzt werden, gerade bei kostspieligen und großflächigen Wohnprojekten – aber: Die Mär vom ausschließlich spekulationsgeplagten Luxemburg lässt mehrere Probleme außen vor. Da wären steuerliche Anreize, die Nebeneffekte der Success Story Immigration, steigende Bau- und Landpreise, die kommunalen Wirren und nicht zuletzt die wirtschaftlichen Nebenwirkungen der Pandemie.

Nimmt man die Besitzverhältnisse hinzu, lässt sich die Problematik vereinfacht so formulieren: Wenige „Privatleit“ und ein paar Bauträger besitzen verdammt viel Bauland. Diese Menschen haben herzlich wenig Interesse daran, ihr Land oder ihre Immobilien aus der Hand zu geben. Wohneigentümer in Luxemburg zu sein, heißt nämlich, seine Zukunft abzusichern: Wer eine Wohnung oder ein Eigenheim besitzt, ist bei guten Marktbedingungen im Vorteil. Wer hingegen Mieter ist, hat weniger rosige Perspektiven.

Laut Statec mieten rund 30 Prozent der Haushalte in Luxemburg. Wer jedoch darauf hofft, vom „Locataire“ zum Besitzer zu werden, sollte realistisch bleiben. Konnten 2018 nur die wenigsten Mieter ihre Immobilie kaufen, rückt diese Perspektive heute noch stärker in weite Ferne. Es gibt kaum Anreize dafür, dass Hausbesitzer das Luxemburger Modell infrage stellen. So hat der Ökonom Michel-Edouard Ruben jüngst in einem Tageblatt-Interview gemeint, „dass durch den Höhenflug der Immobilienpreise viele Haushalte, und nicht nur einige wenige, sehr reich geworden sind“.

Das Spannende daran: Ruben analysiert, dass eben nicht alles in Ordnung sei. Seine Schlussfolgerung dürfte jedoch provozieren. In einem Land, in dem es zum guten Ton gehört, auf die hohen Immobilienpreise zu schimpfen, stellt er nüchtern fest: „Jemand, der die letzten zehn Jahre aus wohnungspolitischer Sicht für schrecklich hält, während billige Kredite in Strömen flossen und die Hausbesitzerquote bei etwa 70 Prozent lag, ist vielleicht nicht auf die nächsten zehn Jahre vorbereitet.“

Bricht man das Fachchinesisch herunter, so heißt dies, dass Immobilien und Grundstücke in einer Stadt über Generationen hinweg der gleichen Familie gehören können. Diese Konzentration zu durchbrechen, ist wiederum fast unmöglich, weil dieselben Clans auch in der Politik Fuß gefasst haben. Undemokratisch ist das nicht, im Gegenteil. Es ist eine legitime Interessenrepräsentation der Mehrheit. Wer jedoch eine über Jahrzehnte geförderte Politik der Immobilienbesitzer Krise nennt, muss sich nicht über Mieterfrust wundern.