Neues Covid-GesetzMenschenrechtskommission übt harsche Kritik an der Regierung

Neues Covid-Gesetz / Menschenrechtskommission übt harsche Kritik an der Regierung
Die CCDH begrüßt zwar die Lockerung der Ausgangssperre, kritisiert aber das Fehlen jeglicher Daten und Erklärungen, auf denen die Entscheidungen der Regierung gründen Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Luxemburger Menschenrechtskommission CCDH geht in ihrem jüngsten Gutachten zur erneuten Änderung der Covid-19-Maßnahmen mit der Regierung streng ins Gericht. Ihr stößt vor allem die Schnelligkeit sauer auf, mit der die jüngsten Einschränkungen vom 26. Dezember 2020 wieder aufgehoben wurden. Auch vermisse man die dazu passenden Erklärungen, so CCDH-Präsident Pregno. Somit seien verschiedene Entscheidungen einfach nicht nachvollziehbar.

„Es gibt gute Gründe, weshalb sich die Regierung Ende Dezember dazu entschlossen hatte, im Kampf gegen die Pandemie auf strengere Maßnahmen zurückzugreifen“, sagt Gilbert Pregno, Präsident der Luxemburger „Commission consultative des droits de l’homme“ (CCDH). „Damit wären wir bereits bei einem unserer wichtigsten Kritikpunkte: Wie viele Bürger im Land verstehen auch die Mitglieder der Menschenrechtskommission nicht so recht, auf welcher Grundlage diese Entscheidungen nun getroffen wurden.“

In anderen Worten: Der CCDH fehlt es an Daten, Informationen und Erklärungen – und schließt sich damit den Kritiken der politischen Opposition und des Staatsrats an. Tatsächlich hat unter anderem die hohe Körperschaft festgestellt, dass die Regierung eine Lockerung der Maßnahmen anstrebt, ohne die passenden Erklärungen mitzuliefern. Damit reihen sich Staatsrat und Menschenrechtskommission in eine ganze Reihe Kritiker ein, die die Kehrtwende der Regierung nicht so recht nachvollziehen können.

Für Gilbert Pregno eine äußerst bedenkliche Gangart: „Vertrauen kann nur dann entstehen, wenn Menschen Verständnis für eine Entscheidung haben. So aber drohen die Beschlüsse nur Verwirrung zu stiften.“ Bedenklich sei vor allem die Schnelligkeit, mit der die Einschränkungen vom 26. Dezember wieder aufgehoben wurden. Besonders in dieser Hinsicht wäre es hilfreich gewesen, die Grundlagen für diese Entscheidung zu kennen.

„So aber haben wir den Eindruck, dass die Lockerungen überstürzt wurden, ohne dass die Behörden in der Lage waren, die Folgen der letzten Änderung abzuwarten“, sagt Pregno im Gespräch mit dem Tageblatt. „Vielleicht wäre es besser gewesen, die letzten Maßnahmen noch etwas zu verlängern und nur punktuelle Anpassungen vorzunehmen, anstatt überhastet aus der Hüfte zu schießen“, so der gelernte Psychologe weiter.

40 Tage statt zehn

Die Mitglieder der Menschenrechtskommission zeigen sich in ihrem jüngsten Gutachten geradezu überrascht, dass sich die Regierung nach gerade mal zehn Tagen dazu entschlossen hat, den Lockdown und die damit verbundenen Einschränkungen wieder zu lockern. Vor allem da die politischen Verantwortlichen bis dato immer darauf bedacht gewesen seien, die Folgen ihrer Entscheidungen abzuwarten. Sie selbst hätten immer wieder auf die Tragweite einer angemessenen Zeitspanne verwiesen, um die Effizienz der ergriffenen Maßnahmen einschätzen zu können.

In diesem Zusammenhang erinnert die CCDH an eine Feststellung der Europäischen Kommission in ihrem Rundschreiben vom 2. Dezember 2020, wonach mitunter 40 Tage zwischen der Einführung einer Maßnahme und ihrer Wirkung verstreichen könnten. Die Inkubationszeit des Coronavirus beläuft sich indessen auf fünf bis sechs Tage. „En tout état de cause, la leçon à en tirer est qu’il est important d’évaluer de manière approfondie l’incidence d’une mesure avant toute levée progressive de celle-ci“, wiederholt die Menschenrechtskommission die Empfehlung der EU-Kommission.

So hat die CCDH auch kaum Verständnis für die Feststellung der Regierung, dass es „zum heutigen Zeitpunkt“ nicht möglich sei, nachzuvollziehen, ob die an Weihnachten ergriffenen Maßnahmen bereits ihre volle Wirkung erzielen konnten. „Angesichts der Zeit, die sich die Entscheidungsträger ansonsten immer gegeben haben, um die Wirkung ihrer Beschlüsse abzuwarten, ist die Schnelligkeit, mit der Regierung und Parlament nun plötzlich arbeiten, äußerst bedenklich“, lautet Pregnos Schlussfolgerung gegenüber dem Tageblatt. „Das passt nicht zusammen!“

Zusätzlich befeuert werden die Sorgen der Menschenrechtskommission von einem Bericht der „Santé“, der auch im Gutachten des Staatsrats zur Sprache kommt. Darin stellen die Gesundheitsbehörden fest, dass das allgemeine und internationale Umfeld keine Lockerungen der Maßnahmen zulasse – trotz „bescheidener“ Fortschritte in Luxemburg. Ganz im Gegenteil: „Man muss die Einschränkungen verschärfen, um eine neue und noch bedeutendere Infektionswelle Anfang 2021 zu verhindern“, heißt es in dem Gutachten der „Santé“, das nur einen Tag vor der Pressekonferenz veröffentlicht wurde, in der Premierminister Bettel und Gesundheitsministerin Lenert die Lockerungen angekündigt haben.

„Vor diesem Hintergrund und mangels weiterführender Erklärungen der Regierung, wissenschaftlicher Studien und ergänzender Statistiken hat die CCDH Schwierigkeiten, die Überlegungen nachzuvollziehen, die zur Einführung der neuen Maßnahmen und zur Lockerung anderer Einschränkungen geführt haben“, stellt die Menschenrechtskommission in ihrem Gutachten fest. „Somit ist es uns auch unmöglich, über die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der neuen Maßnahmen zu urteilen“, so das allgemeine Urteil, bevor sich die CCDH spezifischen Punkten widmet.

Wie etwa der Telearbeit: Die Menschenrechtskommission kann eigenen Aussagen zufolge nicht nachvollziehen, weshalb das Konzept bis heute noch in keinem der Covid-19-Texte berücksichtigt wurde. Und das, obschon die Regierung seit Monaten nicht müde wird, im Kampf gegen die Pandemie regelmäßig für diese Arbeitsmethode zu werben. So habe sich die Regierung vielmehr dafür entschlossen, Vollzeit-Telearbeit im öffentlichen Dienst wieder abzuschaffen und auf vier Wochentage zu beschränken. Ein Widerspruch in den Augen der CCDH, die für mehr Kohärenz in dieser Hinsicht plädiert.

Wie ein roter Faden

Die Menschenrechtskommission begrüßt zwar, dass die Ausgangssperre künftig wieder erst um 23 Uhr in Kraft tritt, vermisst aber auch in dieser Hinsicht die nötigen Erklärungen. So sei es unmöglich, nachzuvollziehen, auf welchen Einsichten diese Entscheidung gründet. Auch fragen sich die Menschenrechtsschützer, ob die Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Effizienz einer früheren Ausgangssperre je unter die Lupe genommen worden sei.

Darüber hinaus liegen immer noch keine Studien vor, welche die Wirkung dieser Entscheidung auf die Verbreitung des Virus untermauern. Dennoch werde die Ausgangssperre immer wieder verlängert, stellt das Gutachten fest. Somit sei es der CCDH weiterhin unmöglich, Sinn, Zweck, Wirkung und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu beurteilen. Die Menschenrechtskommission wiederholt lediglich, dass es sich bei der Ausgangssperre um einen tiefgreifenden Einschnitt in die Bewegungsfreiheit der Bürger handelt, der vor allem Menschen am Rande der Gesellschaft Schaden zufügt.

Begrüßt wird indessen die Wiederaufnahme der Aktivitäten im kulturellen und sportlichen Bereich. Wenn auch mit Einschränkungen: Auch in dieser Hinsicht fehlt es der Menschenrechtskommission immer noch an Informationen über Beweggründe, die dazu geführt haben, bestimmte Aktivitäten zu erlauben, während andere verboten wurden. So habe die Regierung beispielsweise noch keine Daten veröffentlicht, mit denen man zur Feststellung gelangen könnte, dass das Infektionsrisiko im kulturellen oder sportlichen Bereich höher ist als anderswo.

Gleiches gilt für die Entscheidung der Regierung, an der Schließung der Gastronomiebranche festzuhalten. Zwar wird dieser Streitpunkt nur indirekt im Gutachten angesprochen, was Pregno aber nicht davon abhält, das Fehlen jeglicher Informationen in dieser Hinsicht ebenfalls zu bemängeln. Die Kritik zieht sich wie ein roter Faden durch das Gutachten und die Aussagen des Vorsitzenden der Menschenrechtskommission: Kaum eine Entscheidung der Regierung wird durch handfeste Erkenntnisse, Studien oder Daten gedeckt.

B.G.
10. Januar 2021 - 19.33

@ HERR Frank Goebel das weiss jedes Kind. Ich hatte lediglich in meinem Kommentar das Wort „ auch «  hinter Zirkus nicht eingetippt. Denn in der Satzkonstruktion kann «  dieser Zirkus sich nur auf die angesprochene Menschenrechtkommission beziehen, „ da nirgendwo , wie Sie mir unterschieben wollen, in meinem Kommentar Rede von einem Europäische Gerichtshof ist. Diese Information in leichter Sprache verstehen Sie sicherlich, oder ? Wie gesagt , ich bin immer für Belehrungen ,d.h. Richtigstellungen dankbar wenn sie es sind.

Frank Goebel
10. Januar 2021 - 17.02

Es handelt sich nicht um den "Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte", der in der Tat in Straßburg ansässig ist, sondern um die Kommission "Consultative des Droits de l'Homme", die jedes Gesetz in Luxemburg auf seine menschenrechtliche Wirkung prüft. Weitere Informationen gibt es hier (in leichter Sprache): https://ccdh.public.lu/fr/publications/leichtes-sprache.html - Ihre Redaktion

B.G.
10. Januar 2021 - 13.34

Muss zugeben , dass ich nicht wusste , respektiv nicht wissen konnte, dass wir Luxemburger eine Menscherechtkommission in unseren Mauern beherbergen. Glaubte dieser unnütze Zirkus hätte seine Zelte in Strassburg aufgeschlagen.