GutachtenMenschenrechtskommission kritisiert Gesetzentwurf zum Platzverweis

Gutachten / Menschenrechtskommission kritisiert Gesetzentwurf zum Platzverweis
 Fabienne Rossler, Gilbert Pregno, Anamarija Tunjic, Max Mousel (v.l.n.r.) Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die beratende Menschenrechtskommission (CCDH) übt Kritik an dem Gesetzentwurf zum Platzverweis. Dabei handele es sich um ein sehr sensibles Thema und dementsprechend vorsichtig sollte man sein.

Beim Platzverweis (fr.: „injonction d’éloignement“, siehe auch Infobox) handelt es sich um ein Gesetz, das es der Polizei erlaubt, einer Person zu verbieten, sich an einem Ort aufzuhalten. Die Gründe dafür können verschieden sein. In Luxemburg geht es vor allem um Obdachlose, die nachts in Hauseingängen schlafen, wodurch sich die Bewohner gestört fühlen oder daran gehindert werden, das Gebäude zu betreten. Offiziell geht es um eine „garantie d’accès pour le public aux bâtiments privés et publics“.

Die Menschenrechtskommission hat jetzt ein Gutachten zu dem Gesetzentwurf vorgelegt. Gutachten anderer Institutionen wie das der Handelskammer und des Staatsrates sind bereits eingegangen. Die Kommission bezeichnet sich selber bei einer Pressekonferenz am Freitagmorgen als eine „Gewerkschaft für Leute, die diskriminiert werden“.

Die CCDH kritisiert, viele Stellen des Textes seien zu unklar und verschiedene Begriffe zu vage formuliert. Als Beispiel gibt CCDDH-Juristin Anamarija Tunjic die Begriffe „blockieren“ und „behindern“ an. Es sei im Gesetz nicht genau definiert, was sie bedeuten. CCDH-Präsident Gilbert Pregno beschäftigt außerdem die Frage, was mit den Menschen passiert, die einen Ort verlassen müssen. Reicht es, wenn sie sich aus dem Hauseingang entfernen und ihr Lager einen halben Meter davon entfernt aufbauen?

Bewegungsfreiheit ist ein Menschenrecht

Unzureichend geklärt ist in den Augen der CCDH auch die Frage, ab wann die Polizei die Personalien einer Person aufnehmen kann. Dies sollte nur dann passieren, wenn es absolut notwendig sei, wünscht sich die CCDH. Die CCDH erinnert daran, dass Bewegungsfreiheit ein Menschenrecht ist. Dieses kann durch einen Platzverweis eingeschränkt werden, allerdings nur dann, wenn es verhältnismäßig ist und alle anderen Möglichkeiten versagt haben. Es müssten Maßnahmen ergriffen werden, um Missbrauch zu vermeiden.

Sollte das zunehmende subjektive Unsicherheitsgefühl ein Hintergedanke der politischen Entscheider sein, warnt die CCDH davor, dass ein Platzverweis da keine Abhilfe schaffen kann. Das subjektive Gefühl eines Teils der Bevölkerung könne keine Maßnahme rechtfertigen, die sich negativ auf die Menschenrechte auswirkt.

Eine Umfrage in Bonneweg und am Bahnhofsviertel hätte 2021 nach Möglichkeiten gefragt, wie das Sicherheitsgefühl gesteigert werden könne. Dabei seien eine bessere Beleuchtung, Anwesenheit und Kooperation der sozialen Akteure und Polizeistreifen genannt worden, erinnert Tunjic.

Pregno erinnert daran, dass die betroffenen Menschen oft krank oder sozial benachteiligt seien – Drogenkranke oder Obdachlose. Es müsse ein niedrigschwelliges Angebot ausgebaut werden, um den Menschen zu helfen, fordert die CCDH. Der Platzverweis nehme den Drogenkonsumenten statt den Dealer ins Visier. Die CCDH bedauert, dass dadurch das Stigma gegenüber diesen Personen verstärkt werde, ohne dass man sich mit den Ursachen des Problems beschäftige.

180-Grad-Wende

Als die Opposition und die Polizeigewerkschaft vor vier Jahren einen Platzverweis gefordert hatten, war die Regierung strikt dagegen, erinnert Tunjic. Nun habe es eine 180-Grad-Wende in der Politik der Regierung gegeben. Der Kontext, in dem die Maßnahme jetzt eingeführt werden soll, bereitet ihr Sorgen, denn sie sei als Teil eines Maßnahmepaketes gegen die Drogenkriminalität präsentiert und als Möglichkeit vorgestellt worden, gegen Dealer und Drogenkonsumenten vorzugehen. „Wir stellen fest, dass die Regierung immer mehr auf repressive Maßnahmen setzt und sich nicht genug auf wirtschaftliche und soziale Hintergründe des Phänomens konzentriert“, sagt sie.

Tunjic stellt fest, dass im Rahmen des gleichen Maßnahmepakets ein Gesetz vorgelegt wurde, das zum Ziel hat, die Ausweisung von gewissen Menschen aus Drittstaaten, die sich „illegal“ in Luxemburg aufhalten, zu vereinfachen. „Wir stellen uns die Frage, ob es nicht eine Verbindung zwischen diesen Texten und ihrer Absicht gibt“, sagt sie. Es steht die Vermutung im Raum, dass der Platzverweis als Vorwand gelten könnte, die Identität von Personen zu überprüfen, um so „illegale“ Immigranten aufzuspüren.

Pregno zeigt Verständnis für Bewohner von Gebäuden, die nicht wissen, wie sie ihr Haus betreten können, weil eine Person den Eingang versperrt. „Ich wäre auch nicht froh“, sagt er. Er wirbt aber für eine menschliche Sicht und für Toleranz und Akzeptanz gegenüber anderen Menschen.

Ministerium: Es handelt sich nicht um einen Platzverweis im eigentlichen Sinn

Das von Minister Henri Kox („déi gréng“) geführte Ministerium für innere Sicherheit reagierte am Freitagnachmittag mit einer Pressemitteilung auf die Pressekonferenz der konsultativen Menschenrechtskommission. Darin betont es, dass es sich bei dem Gesetzentwurf nicht um einen Platzverweis im eigentlichen Sinne handele, sondern, Zitat: „Eine Maßnahme, die darauf abzielt, die Bewegungsfreiheit aller Menschen zu gewährleisten und der Polizei die Mittel an die Hand zu geben, die Person(en), die diese Freiheit behindert/behindern, zu entfernen.“ Diese Maßnahme würde in Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten erfolgen, die für eine angemessene Betreuung zuständig sind.
Das Ministerium unterstreicht außerdem, dass von den 26 Maßnahmen aus dem Maßnahmekatalog der Regierung nur drei repressiver Natur sind. Die Prävention sei eine Priorität für den Minister und die Polizei. „Die Polizei arbeitet aktiv mit den sozialen Akteuren in den Gemeinden zusammen, um sich um gefährdete Personen zu kümmern und deren Stigmatisierung zu verhindern“, heißt es in dem Schreiben. gr