/ Menschen wie wir: Judo, Spanien und Spaghetti Carbonara
70 Kerzen brennen auf dem Kuchen. Der Escher Judo-Club feiert Geburtstag. Melissa Pereira Briosa feiert mit. Die 22-jährige Judoka aus Esch ist seit gut zwölf Jahren Mitglied im Verein. Judo ist aber nicht alles in ihrem Leben. Sie ist Erzieherin bei der APEMH, liebt Outlet Malls und ganz besonders ihre Familie und ihre Freunde. Der Kampfsport habe sie allerdings, so erzählt sie in unserem Gespräch, in ihrer Überzeugung gestärkt, dass man sich einsetzen müsse, um etwas zu erreichen im Leben. Und Melissa möchte etwas erreichen.
Von Marco Goetz
Halb 6. Treffpunkt: „Le Pirate“. Melissa wohnt ganz in der Nähe. Im Escher Café im Viertel Lallingen ist es ziemlich voll heute – und ziemlich laut. Melissa sitzt auf einem Barhocker. Für eine, die gerade von der Arbeit kommt, wirkt sie sehr entspannt. Ein Kind von Traurigkeit scheint sie nicht zu sein. Kontaktscheu ebenfalls nicht. Auf dem Tresen stehen Bier, Wein und Gin Tonic. Melissa winkt ab. Sie trinke nur Saft oder Wasser, sagt sie. An diesem Abend ist es Wasser. Melissa scheint zu wissen, was sie will.
Als Kind ist sie im Kunstturnen angemeldet. Nicht wirklich ihr Ding. Sie will zeigen, dass sie etwas drauf hat – zu mehr fähig ist. So kommt sie zum Judo und zum Escher Club, in dem ihr Bruder damals bereits Mitglied ist.
„Jungs flachlegen“
„Judo heißt Energie tanken und Aggressionen abbauen und“, ergänzt sie scherzhaft, „als Mädchen die Jungs flachlegen.“ Dabei, so unterstreicht sie, komme es nicht nur auf die eigene Kraft an: „Judo heißt konzentriert sein, sonst liegt man auf dem Rücken.“ Zwei- bis dreimal die Woche ist sie im Dojo, jeweils rund 90 Minuten. Zudem trainiert sie im Club die Fünf- bis 13-Jährigen. Sie trägt den braunen Gürtel. Nächste Stufe: schwarz. Sie geht es locker an: „Ich muss nicht bei Olympischen Spielen dabei sein!“ Judo ist aber nicht ihre einzige sportliche Betätigung. Als Frühaufsteherin ist sie bereits in den Morgenstunden beim Krafttraining in der nahen Sporthalle anzutreffen. Oder beim Joggen. Mal mit, mal ohne Hund.
Schwierigkeiten, Training und Beruf unter einen Hut zu bekommen, hat sie keine. An ihrem früheren Arbeitsplatz in Clerf ist das anders gewesen. Da saß sie bis zu vier Stunden am Tag im Auto. Nicht sehr erheiternd. Sie wusste, da muss sich was ändern.
Heute arbeitet Melissa in Esch. Bei der Stiftung APEMH. Sie ist Erzieherin. Ein guter Job, für den sie gekämpft hat. Die Arbeit mit behinderten Menschen bereitet ihr Freude. „Hier kann ich mich verwirklichen.“ Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen seien verlangt, sagt sie. Doch das kennt sie ja aus dem Judo. Und die Zukunft? „Ich weiß nicht, was das Leben bringt“, sagt Melissa, „aber Weiterbildung ist wichtig“ – kurze Denkpause – „ich muss unbedingt mein Englisch aufpäppeln!“
Ihre Ferien verbringe sie am liebsten in Spanien, so Melissa, weil „preiswert und schön und ich habe keine Verwandten dort“. Ferien in Portugal macht sie nicht so gerne. Familienbesuche. Am Tisch sitzen. Etwas langweilig: „Wir wohnten abseits vom Meer, da war nicht viel los.“ Ihr Freund mag Spanien ebenfalls. Gemeinsam träumen sie von der eigenen Wohnung und von der eigenen Familie. Mit zwei Kindern. Die sollen natürlich auch sportlich aktiv sein. Es muss aber nicht unbedingt Judo sein.
Zielstrebig, aber nicht zwanghaft, so sieht Melissa ihr Leben. Sport ist ihr wichtig, ihr Beruf auch, Freunde allerdings auch. Und mit denen teilt sie nicht nur die Trainingsstätte oder den Arbeitsplatz, sondern so viel Zeit wie möglich. Beim Shoppen auf Belval zum Beispiel oder in einem der Outlets in der Grenzregion. Melissa backt gerne. Kochen auch. Lieblingsgericht? „Spaghetti Carbonara, die richtige, ohne Sahne, ‚à l’italienne‘“.
Geboren wurde sie in Luxemburg-Stadt. Mit neun Jahren kam sie nach Esch. Heute ihre Heimat. Hier möchte sie bleiben. Trotz häufig desolater Verkehrslage sei Esch toll. Es darf allerdings auch Schifflingen sein. Auf jeden Fall aber der Süden des Landes. Mal sehen, wo die Reise hinführt. Ins Dunkle wohl kaum. „Ich weiß, wie man Glühbirnen wechselt“, sagt Melissa während unseres Gespräches und lacht schelmisch.
In unserer neuen Porträt-Serie geht es um Menschen wie „du und ich“. Um bekannte und unbekannte Gesichter und Namen. Um versteckte Hobbys, Träume und Gaben. Bezug zur Aktualität kann es geben – muss es aber nicht. Es sind Geschichten über Menschen, die in Luxemburg leben und unsere Gesellschaft beleben. Geschichten über „Menschen wie wir“.
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