ForumMensch, Natur und Umwelt: Trotz vieler Probleme ist die Menschheit zukunftsfähig

Forum / Mensch, Natur und Umwelt: Trotz vieler Probleme ist die Menschheit zukunftsfähig
Die Weltbevölkerung hat sich in den letzten 70 Jahren verdreifacht Foto: Getty Images via AFP

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Mitte November hat die Weltbevölkerung acht Milliarden Menschen überschritten. Eine Verdreifachung seit 1950. Bis 2050 sollen es laut Schätzung der UNO um die 9,7 Milliarden Menschen geben. Alle wollen mit genügend Nahrung, Wasser, Energie versorgt werden. Sie beanspruchen anständige Behausungen, Schulen, Krankenhäuser, andere Infrastrukturen. Sie haben Träume, wollen besser leben, haben Ambitionen für sich und ihre Kinder.

Die globale Bevölkerungsexplosion verstärkt den Druck auf die Ressourcen der Erde, die zu 71 Prozent von Ozeanen bedeckt ist. Zieht man die Eispanzer über der Antarktis, Grönland, Kanada, Sibirien, dem Himalaya sowie andere für Menschen kaum nutzbaren Gebiete ab, bleiben uns etwa 10 Prozent der Erdkugel als bestellbares Land. Allein die Wüsten nehmen rund ein Drittel des Festlandes ein.

Durch die steigende Bevölkerung nimmt der Landverbrauch zu. Selbst wenn sich immer mehr Menschen in den Städten konzentrieren. Weltweit leben bereits über vier Milliarden Menschen in urbanen Anhäufungen. Wie Termiten besiedeln sie Hochhäuser und Wolkenkratzer auf einem verhältnismäßig engen Raum. Wobei Großstädte oft noch zu Refugien für Vögel und andere Tierarten werden. Nicht nur für Ratten.

Die Ernährung von immer mehr Menschen muss auf einer schrumpfenden Fläche gewährleistet werden. Landwirtschaft steht überall in Konkurrenz mit Wohnraumgewinnung, mit Industrie, Gewerbe und Infrastrukturen.

Die Menschheit kommt nicht ohne Transportmittel und daher nicht ohne Energie aus. Sei es nur die Energie, die zur Gewinnung der seltenen Mineralien eingesetzt wird, ohne die E-Autos, Windräder, Sonnen-Panels und selbst Handys oder Computer nicht funktionieren.

Positiv ist, dass menschlicher Landverbrauch keinen Ewigkeitswert hat. Viele große Städte wurden von Urwäldern wieder verschlungen. Wie Tikal in Guatemala oder Angkor Watt in Kambodscha. Oder von Wüsten überweht. Hierzulande wurden hunderte Hektar Tagebauminen von der Natur zurückerobert. Nunmehr Unesco-geheiligte Reservate.

Ehemals industriell genutztes Land, etwa Belval oder die „Metzeschmelz“ zwischen Esch und Schifflingen, mutieren zu Wohngebieten mit Bürotürmen und Grünanlagen. Ähnliches geschieht in der Hauptstadt, wo auf den Geländen von Paul Wurth und Landewyck neue Wohnviertel entstehen.

Ein Skandal bleibt, dass nirgendwo neue Gewerbe- geschweige Industriezonen eingeplant werden. Unser Minister für Landesplanung will Anlagen für Körperertüchtigung im städtischen Raum anlegen. Selbst eine Nation von Turnern benötigt weiterhin Nahrung und Industrieprodukte. Etwa Asphalt für Fahrradwege. Ohne Metall und synthetischen Kautschuk gibt es keine Fahrräder. Neuerdings von Elektromotoren unterstützt. Nicht mit Nega-Watt aufzuladen.

Durch die steigende Bevölkerung nimmt der Landverbrauch zu
Durch die steigende Bevölkerung nimmt der Landverbrauch zu Foto: AFP

Industrie und Landwirtschaft ade?

Ein großer Teil der nationalen Politik hat die Industrie, offensichtlich auch die Landwirtschaft abgeschrieben. Für eine undefinierte „Nachhaltigkeit“ wird industrielle Produktion zum Ärgernis, da mit Energie- und Wasserverbrauch verbunden. Deshalb soll es kein Datencenter von Google geben, obwohl praktisch alle Einwohner täglich „googeln“.

Anstatt die 1.800 verbliebenen Agrarbetriebe in ihrer Entwicklung zu fördern, gehen beigezogene Naturfreunde gegen neue Bauernhöfe vor. Wie in Oberpallen, wo 60 von 450 Bürgern gegen den Bau neuer Viehställe petitionieren. Auch die Politik bremst die Bauern aus. Das geplante Agrargesetz will aus ideologischen Gründen Vieh- und Milchwirtschaft beschneiden. Als ob die meist hügeligen Wiesen und Weiden des Landes sich für Tofu-Produktion eignen würden.

Bio soll es sein. Obst und Gemüse aus Gemeinschaftsgärten. Honig aus Waben vom Dach des Wirtschaftsministeriums. Dabei erklärt selbst der Schweizer Bio-Papst Urs Niggli, die Menschheit sei nicht allein mit Bio-Landwirtschaft zu ernähren. Letztere benötigt wegen geringerer Erträge viel mehr Raum. Der immer knapper wird.

Wenigstens gaben die EU-Landwirtschaftsminister in Prag der Kommission den Auftrag, den Weg für die neue CRISPR/Cas-Technologie zu eben. Diese Genschere erlaubt gezielte Eingriffe in die genetische Struktur von Pflanzen und Tieren. Anstelle der zufälligen Kreuzungen und Züchtungen, die seit 6.000 Jahren die menschliche Ernährung voranbrachten.

Weltweit gibt es fast doppelt mehr GMO- wie Bio-Bewirtschaftung („Atlas historique de la Terre“). Bislang kam kein Mensch, kein Tier durch GMO-Produkte zu Schaden. Die CRISPR/Cas-Technologie ist noch unbedenklicher. Sie tauscht keine Genom-Sequenzen zwischen den Arten aus, was die „Frankenstein“-Phantasmen der Greenpeace und Co. dämpfen müsste. Sie arrangiert bloß bestehende Genome neu. Etwa, um die Selbstverteidigungskräfte von Pflanzen gegen Schädlinge zu stärken.

Weltweit gibt es fast doppelt mehr GMO- wie Bio-Bewirtschaftung
Weltweit gibt es fast doppelt mehr GMO- wie Bio-Bewirtschaftung Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Unverstandene Natur

Erstaunlich ist, dass viele angebliche Naturfreunde die Natur in ihrer großartigen Vielfalt nicht verstehen. Die nunmehr vergötterte „Natur“ kennt natürliche Heilkräfte, aber auch natürliche Gifte. Eine sich selbst überlassene Natur tendiert zum Verwuchern.

Glaubt man dem französischen Archäologen Stéphen Rostain wird das Amazonas-Gebiet geformt durch die gewaltigen Regenmassen, die jährlich den Anden 750 Millionen Tonnen nahrungsreiche Schlämme entreißen und über gewaltige Flüsse verteilen. Grundlage für eine riesige Artenvielfalt mit allein 6.000 verschiedenen Baumarten. Gegenüber 200 Arten in unseren Breitengraden. Laut Rostain nutzten die Ureinwohner des Amazonas (wie schon die Anrainer des Nils) diese Schlämme, um ganze Landstriche umzugestalten, Nahrungsmittel anzubauen, gar Bier auf Maniok-Basis zu brauen.

In ihrem wunderbaren Buch „Regenwälder“ zeichnen Josef Reichholf und Johann Brandstetter ein differenziertes Bild von der bedrohten Schönheit des Amazonas: „Für den Menschen ist das Leben im tropischen Regenwald kein Urlaub im Paradies, (…) der Regenwald selbst ist kein Garten Eden, der üppig ist.“ – „Es sind die Ameisen und Termiten, die der Menge nach das Tierleben des amazonischen Regenwaldes bestimmen.“ – „Was auch bedeutet, dass ausgerechnet die Tierwelt, die wir beim Besuch des tropischen Regenwaldes erwarten, sich durch Seltenheit auszeichnet.“ – „Dennoch lebt ein Viertel aller Vogelarten der Erde allein im Großraum Amazonien.“ – „Da die Biodiversität tropenwärts stark ansteigt, sollte eine weitere Erwärmung die Vielfalt fördern und sie nicht gefährden oder gar großenteils vernichten.“

Weiter: „Das Konzept der Nischen im Haus der Natur erzeugt den irrigen Eindruck, alles habe seinen festen Platz und seine vorbestimmte Ordnung. Doch die Natur ist veränderlich, das Leben dynamisch, und deshalb war und ist Evolution möglich. In einer festgefügten, beständigen Natur gäbe es sie nicht; gäbe es auch keine Menschen.“

Eine sich selbst überlassene Natur tendiert zum Verwuchern 
Eine sich selbst überlassene Natur tendiert zum Verwuchern  Foto: AFP

Keine Nischenpolitik

Nun gibt es aber acht Milliarden Menschen. Davon vier Milliarden in Asien. Doch wichtigen Teilen Asiens geht die Jugend aus. Angefangen mit China, wo 2035 420 Millionen Menschen über 65 Jahre leben werden. Auch Japan und Südkorea vergreisen. Indien, Pakistan, Indonesien, die Philippinen erleben weiterhin hohe Zuwächse. Die rasanteste Entwicklung findet jedoch in Schwarzafrika statt, wo bis 2100 drei Milliarden zumeist junge Einwohner erwartet werden.

Dagegen ist die Bevölkerung West- wie Ost-Europas rückläufig. In Russland leben keine 110 Millionen echte Russen mehr. Nur die meistens muslimischen Minderheiten nehmen zu. 1960 stellten die EU-Europäer noch 11,7 Prozent der globalen Bevölkerung. Heute liegt unser Anteil bei 5,8 Prozent. Laut Eurostat wird die EU um 2050 4,3 Prozent und gegen Ende des Jahrhunderts bloß einige 3,8 Prozent der Weltbevölkerung stellen. Aber nur, wenn wir uns der Immigration öffnen.

In den 70er Jahren sagte der Calot-Bericht das Aussterben der Luxemburger voraus. 50 Jahre später bewegen wir uns mit raschen Schritten auf eine Million Einwohner zu. Das um 17 Quadratkilometer kleinere Saarland hatte schon 1,2 Millionen Einwohner. Ohne zu einer Betonwüste zu geraten. Die Saar fiel auf unterhalb einer Million Einwohner und kennt deshalb große wirtschaftliche Probleme. Viele Saarländer müssen sich in Luxemburg verdingen. So wie insgesamt fast 250.000 Grenzgänger. Weiter über 100.000 zeitweilig Beschäftigte. Von den 650.000 Einwohnern sind knapp über die Hälfte noch Luxemburger. Aber nur, weil Zehntausende die luxemburgische Nationalität erwarben. Sonst hätte Calot mit seiner Prognose recht behalten.

Es gibt viele Probleme in der Welt. Die ungebremste Zunahme der Weltbevölkerung setzt die Umwelt unter Druck. Die Temperaturen werden ansteigen. Wobei es Gewinner und Verlierer geben wird. Laut Stefan Uhlig („Der natürliche Klimawandel“) erlaubt eine Temperatur unterhalb 10° Celsius keine Landwirtschaft. „In Mitteleuropa erfolgt die Hauptvegetationsperiode bei Temperaturen über 10 Grad.“ Ein wärmeres Klima ist förderlich für Wachstum und Biodiversität.

Wozu die Wasserversorgung besser zu organisieren ist. Anscheinend will Umweltministerin Joëlle Welfring die Mosel als neue Wasserquelle anzapfen. Wie der Professor für Geowissenschaft an der Brown University, Laurence C. Smith, in seiner „Weltgeschichte der Flüsse“ zeigt, entwickelte sich die Menschheit dank der Flüsse und Ströme. An denen mächtige Kulturen entstanden, manchmal zerfielen. Dennoch unsere Zivilisation gestalteten.

Die Menschheit benötigt weiterhin Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei. Sowie industrielle Güter. Alles funktioniert nur dank ausreichender Energie. Wobei keine Energieform alles liefern kann. Nur ein möglichst breiter, diversifizierter Energiemix kann der Motor der Menschheit bleiben.

* Der Autor ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter

China geht nach und nach die Jugend aus
China geht nach und nach die Jugend aus Foto: AFP