NATOMehr Waffen für die Ukraine, mehr Präsenz an der Ostflanke

NATO / Mehr Waffen für die Ukraine, mehr Präsenz an der Ostflanke
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin beim gestrigen Treffen der Allianz Foto: dpa/AP/Olivier Matthys

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Die NATO will als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine ihre Präsenz an der Ostflanke verstärken. Schweden und Finnland müssen auf dem Weg zu einer Mitgliedschaft über die Türkei-Hürde.

Sie vermessen das Bündnisgebiet gerade noch einmal ganz genau. Mal geht es „um jeden Zentimeter“, dann wieder um „jeden Meter“, wahlweise auch um „jeden Kilometer“. Diese bildhafte Neuvermessung des NATO-Territoriums soll auch am zweiten Tag des Treffens der Verteidigungsminister in Brüssel vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine eines symbolisieren: Die Allianz steht geschlossen, sie ist entschlossen und sie ist gerüstet, die Grenzen ihrer 30 Mitglieder zu verteidigen, sollte der Machthaber im Kreml, Wladimir Putin, parallel zum Ukraine-Krieg weitere Expansionsgelüste verspüren.

Wenn es hart auf hart kommt, soll die Abwehr stehen. Die Verteidigungsminister diskutierten darüber, wie sie die Ostflanke der Allianz verstärken und dazu mehr Soldaten dorthin schicken können. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, die Allianz werde Entscheidungen fällen, um vorbereitet zu sein, dass „jeder Zentimeter“ des Bündnisgebietes verteidigt werden könne. Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht warb in Brüssel für den deutschen Vorschlag zum Aufbau einer multinationalen Kampftruppenbrigade an der NATO-Ostflanke in Litauen. Genaue Zahlen zur künftigen deutschen Truppenpräsenz in Litauen nannte Lambrecht nicht. In Litauen, das direkt an die russische Exklave Kaliningrad grenzt, ist die Bundeswehr aktuell mit mehr als 1.000 Soldaten Führungsnation eines NATO-Gefechtsverbandes, der die Ostflanke sichern soll.

Wir arbeiten sehr hart, wir arbeiten 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche, dass die richtigen Waffen in der Ukraine auch ankommen

Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär

Zudem will die NATO die Ukraine möglichst schnell beim Umstieg von sowjetischen auf westliche Waffensysteme helfen und so die Abhängigkeit des Landes von russischer Wehrtechnik und Ersatzversorgung verringern. Besonders Raketenabwehr braucht die Ukraine dringend. Stoltenberg sagte am Donnerstag zum Abschluss des Treffens in Brüssel: „Wir arbeiten sehr hart, wir arbeiten 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche, dass die richtigen Waffen in der Ukraine auch ankommen.“

Erdogans „Ja“ wird teuer

Womöglich wird die NATO sehr bald ein Klub der 32 Mitglieder sein. Finnland und Schweden, die Jahrzehnte ihre Tradition der bündnispolitischen Neutralität pflegten, fühlen sich von Russland zunehmend bedroht und haben Anträge auf Aufnahme in die NATO gestellt. Schon beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in zwei Wochen in Madrid könnte über den Beginn des Aufnahmeprozesses entschieden werden. Ursprünglich sollten die Beitrittsprotokolle noch vor dem Gipfel unterzeichnet werden. Dann hätten Schweden und Finnland bereits als „Eingeladene“ an dem Treffen, freilich ohne jedes Stimmrecht, teilnehmen können.

Je näher der NATO-Gipfel rückt, umso mehr ist NATO-Generalsekretär Stoltenberg unterwegs. Erst war der Norweger in Helsinki, dann in Stockholm, ehe er zum Telefonhörer und sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan austauschte. Das NATO-Mitglied Türkei hat Einwände gegen die Aufnahme von Finnland und Schweden in das Bündnis, weil es beiden Staaten vorwirft, „Terrororganisationen“ wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG zu unterstützen. Sowohl bei seinem Besuch in Finnland wie auch in Schweden verwies Stoltenberg darauf, dass die Türkei „berechtigte Bedenken“ wegen der Terrorismusvorwürfe habe. Der Norweger darf die türkischen Vorwürfe auch nicht kleinreden. Denn eine Aufnahme ins Bündnis geht nur einstimmig: 30:0. Es kursiert weiter die Vermutung: Erdogan will sich sein „Ja“ zum Beitritt von Finnland und Schweden teuer bezahlen lassen.