Marode Atommeiler in Belgien: Droht ein Blackout?

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Akuter Strommangel mitten in Europa, in Belgien ist das mehr als ein Gedankenspiel. Weil wochenlang nur einer von sieben Atommeilern lief, bereiten die Behörden sich aufs Schlimmste vor.

17.00 Uhr, es ist fast dunkel. Spätestens jetzt geht überall das Licht an. Was in Luxemburg selbstverständlich ist, könnte im Nachbarland Belgien zum Problem werden. Dort fallen derzeit fast alle Atommeiler wegen Problemen oder Wartung aus. Der Strom wird knapp, zwischenzeitlich stand sogar das große Wort „Blackout“ im Raum. Der November gehört nach Angaben des Netzbetreibers Elia zu den kritischsten Monaten. Noch brennt das Licht – aber sitzen die Belgier bald im Dunkeln?

Die belgischen Atomkraftwerke sind schon lange umstritten. Seit Jahren gibt es in den Nachbarländern große Sorge über den Zustand der sieben Reaktoren. Feine Risse hier, maroder Beton da – immer wieder gibt es Probleme an den beiden Standorten in Tihange und Doel. Regelmäßig werden Meiler für Reparaturen abgeschaltet.

Elia gibt Entwarnung

Wochenlang lief zuletzt nur ein einziger der sieben Meiler: Doel 3, 1982 ans Netz gegangen, mit einer Leistung von 1.006 Megawatt – alle anderen waren wegen Wartungs- oder Reparaturarbeiten abgeschaltet. Netzbetreiber Elia warnte vor einigen Wochen eindringlich: Sollten nicht zusätzlich mindestens 1.600 Megawatt besorgt werden, könne man nicht für die Versorgungssicherheit des Landes garantieren.

Inzwischen gibt Elia-Sprecher Tom Demeyer Entwarnung. Anfang November sei es zeitweise kritisch gewesen, räumt er ein. Durchschnittlich rund 50 Prozent des belgischen Stroms werden dem Kraftwerk-Betreiber Engie zufolge eigentlich in den Akw Doel und Tihange produziert. Am Montag ging nun der Reaktor Tihange 1 wieder ans Netz – eine Woche früher als geplant. Zwei von sieben Meilern laufen wieder. „Bislang haben wir keinen Energie-Engpass ausgemacht, aber jedes zusätzliche Megawatt ist willkommen“, sagte Demeyer kürzlich. Zusätzliche Megawatt sollen unter anderem aus Deutschland kommen.

Allein durch Deutschlands Zusage ist das Stromproblem nicht gelöst. Die belgische Regierung hat im September eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Versorgung durchgehend sicherstellen soll. Netzbetreiber Elia muss wöchentlich berichten. Dabei werden Demeyer zufolge Faktoren wie die Verfügbarkeit belgischen Stroms, Wettervorhersagen und Verbrauchsprognosen berücksichtigt.

Für 2018 ist genug Strom da

Sollten die Experten tatsächlich zur Einschätzung gelangen, dass der Strom knapp wird, müssten sie die zuständige Ministerin Marghem informieren – die dann ein Notfall-Verfahren einleiten würde. Im schlimmsten Fall würde in einigen Regionen der Strom zeitweise abgeschaltet werden, sagt Demeyer. Dies sei die „ultimative Waffe“ gegen den kompletten Zusammenbruch des belgischen Stromnetzes. Bis zu drei Stunden würden eine oder mehrere Regionen dann vom Netz genommen. Ausgenommen sind Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern.

Dass es so weit kommen könnte, ist derzeit unwahrscheinlich. Dennoch: Große Industriebetriebe wurden gebeten, ihren Stromverbrauch morgens und abends zu reduzieren. Ein altes Gaskraftwerk ist wieder ans Netz gegangen. Das wallonische Parlament beschloss, kommunale und regionale Behörden sollten ebenfalls Strom sparen.

Auch dem Kraftwerksbetreiber Engie macht die Abschaltung der Meiler zu schaffen. Für das laufende Jahr rechnet das Unternehmen in der Atomsparte mit einem operativen Verlust von rund 600 Millionen Euro. Im Gesamtjahr dürften die belgischen Kernkraftwerke des Konzerns nur zu rund 52 Prozent in Betrieb sein, sagte Engie-Chefin Isabelle Kocher kürzlich.

Für 2018 sind die größten Probleme mittlerweile ausgeräumt. Bis Ende des Jahres ist die Stromversorgung gesichert. Tihange 1 ist am Montag wieder hochgefahren, Mitte Dezember sollen Doel 1 und Doel 4 folgen, wenig später dann Doel 2. Der nächste Härtetest steht jedoch bevor: Zu Beginn des nächsten Jahres könnte der Strom wieder knapp werden. Dann werde es schwieriger, Strom aus Frankreich zu importieren, sagt Demeyer.