InterviewLuxemburgs Verteidigungsminister Bausch: „NATO-Beitrittsgesuche können sich bis Juni konkretisieren“

Interview / Luxemburgs Verteidigungsminister Bausch: „NATO-Beitrittsgesuche können sich bis Juni konkretisieren“
François Bausch bei einem Treffen des Rates für Auswärtige Angelegenheiten der EU in Brüssel Foto: AFP

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Krieg in der Ukraine, Krise im Mali: Die Ankündigung der Franzosen im Februar, sich aus Mali zurückzuziehen, hat nun auch für die EU weitreichende Konsequenzen. Luxemburgs Verteidigungsminister François Bausch („déi gréng“) erklärt im Tageblatt-Interview, was das für das Engagement des Großherzogtums in der Sahel-Zone bedeutet – und deutet an, dass wegen des Krieges in der Ukraine bis Juni zwei neue NATO-Mitglieder zu Buche stehen könnten.

Vor zwei Monaten haben Sie in einem Tageblatt-Interview erklärt, dass die EU-Mission im Mali auf „wacklege Féiss“ steht. Nun also die Ankündigung, dass die EU ihre Ausbildungsmission EUTM stoppen will …

Das muss etwas differenzierter betrachtet werden. Die EU hat entschieden, ihre Aktivitäten im Mali zu reduzieren. Das bedeutet, dass die Ausbildung der Truppen, die nachher in den Einsatz kommen, stark zurückgefahren wird. Für die EU ist das ein weiterer Schritt, um den Druck auf die malische Militärjunta zu erhöhen, da wir nicht wollen, dass von der EU ausgebildete Soldaten mit russischen Söldnern von der Wagner-Gruppe zusammenarbeiten.

EU-Ausbildungsmission EUTM (seit 2013)

Die EUTM Mali war eine multinationale Ausbildungsmission der Europäischen Union (EU) mit Hauptquartier in Malis Hauptstadt Bamako. Ziel war es, die malischen Streitkräfte „Forces armées et de sécurité du Mali“ (FAMa) mit der geleisteten militärischen Grundlagenausbildung und Beratung dazu zu befähigen, gegen islamistische Milizen in der Region vorzugehen. 

Was bedeutet das für die Luxemburger Soldaten, die im Rahmen der EU-Mission vor Ort sind?

Wir werden nicht morgen abziehen, da wir vorerst noch ein Mandat bis Juni haben. In den nächsten Wochen wird entschieden, ob das Mandat verlängert wird oder ob wir uns umorientieren werden. Die Tendenz geht aber Richtung Truppenabzug. Wir würden unser Mandat dann lediglich um zwei bis drei Monate verlängern lassen, da die 21 Luxemburger Soldaten für die Drohnenüberwachung der Mission zuständig sind. Wir können die anderen Truppen nicht einfach so im Stich lassen. Dieser vorläufige Plan kann sich noch ändern, wenn sich die Gegebenheiten vor Ort schlagartig ändern würden. Da bin ich allerdings sehr skeptisch. Die Militärjunta im Mali hat offensichtlich entschieden, sich umzuorientieren.

Was wird aus Luxemburgs 3D-Politik (Diplomacy, Development cooperation und Defence policy) in der Region?

Die ist durch die Präsenz der UNO weiterhin abgesichert, selbst wenn die EU entschieden hat, ihr Engagement zurückzufahren. Eventuell wird die EU sich auf andere Länder wie Burkina Faso oder den Niger konzentrieren, wenn diese denn damit einverstanden sind. Es besteht weiterhin eine strategische Notwendigkeit darin, die Region zu stabilisieren und nicht komplett islamistischen Kräften oder dem russischen Einfluss zu überlassen.

Was bisher in Mali geschah

Die EU stoppt die praktische Ausbildung von Sicherheitskräften im westafrikanischen Mali. Es gebe keine ausreichenden Garantien der malischen Übergangsregierung, dass es keine Einmischung der russischen Söldnerfirma Wagner gebe, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag nach einem Außenministertreffen in Luxemburg. Nach Angaben Borrells wird die EU jedoch im Land präsent bleiben, um Sicherheitskräfte strategisch zu beraten und ihnen die Regeln der Kriegsführung beizubringen. „Soldaten müssen wissen, was erlaubt ist und was nicht erlaubt ist“, sagte er zum künftigen Schwerpunkt des Ausbildungseinsatzes EUTM. Frankreich und mehrere Partner hatten bereits im Februar mitgeteilt, ihren militärischen Anti-Terror-Einsatz im Mali zu beenden – auch weil die derzeitige Übergangsregierung mit russischen Söldnern zusammenarbeitet.
Seitdem wurde auch in der EU intensiv diskutiert, wie es mit dem Ausbildungseinsatz EUTM weitergehen soll. In Mali mit seinen rund 20 Millionen Einwohnern hatte im Mai des vergangenen Jahres das Militär die Übergangsregierung entmachtet, die eigentlich bis zu Wahlen am 27. Februar 2022 im Amt sein sollte. Putschistenführer Assimi Goïta ließ sich zum neuen Übergangspräsidenten ausrufen. Seitdem werden die notwendigen Vorbereitungen für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen verschleppt. Der EU-Chefdiplomat Borrell sagte am Montag, die EU hoffe, dass eine Einigung auf Wahlen erzielt werden könne. (dpa)

Vor zwei Monaten haben Sie gesagt: „Wenn wir Europäer uns heute zurückziehen, sind die Russen morgen da.“ 

Wir Europäer sind ja auf zwei Ebenen im Mali präsent. Wir haben nicht nur eine Ausbildungsmission vor Ort, sondern ein Großteil der europäischen Partner sind auch Teil der UN-Mission vor Ort. Deutschland – mitsamt den Belgiern ein enger Partner Luxemburgs im Mali – hat schon angekündigt, sich nicht aus der UN-Mission Minusma zurückziehen zu wollen. Auch will Europa sich ja nicht aus der kompletten Sahel-Zone zurückziehen. Ich habe in nächster Zukunft Gespräche mit der deutschen und der belgischen Verteidigungsministerin, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Es ist halt so, dass die russischen Söldner im Norden Malis sehr aktiv sind. Wenn sich die ersten Berichte eines Massakers, bei dem 300 Zivilisten von russischen Söldnern mithilfe der malischen Armee getötet wurden, bewahrheiten, können wir die bisherige Zusammenarbeit aber auf keinen Fall fortführen.

Die UN-Minusma bleibt also auch weiterhin vor Ort?

UN-Mission Minusma (seit 2013)

Die Friedensmission der Vereinten Nationen sollte zur Stabilisierung des Landes beitragen, wurde aber schnell zum Angriffsziel dschihadistischer Gruppen. Die Zahl der Soldaten ist auf fast 15.000 angestiegen. Mit etwa 250 getöteten Einsatzkräften ist Minusma derzeit die verlustreichste UN-Mission.

Die tausenden Soldaten, die an der UN-Mission teilnehmen, sind und bleiben vor Ort, um die Zivilbevölkerung zu schützen und sicherzustellen, dass humanitäre Hilfe geleistet werden kann. Diese Mission ist ja auch anders ausgerichtet als die europäische Ausbildungsmission; so haben die Soldaten das Recht, sich mit Waffengewalt zu verteidigen. Drei Luxemburger Soldaten stellen die Kommunikation der Mission anhand des GovSat-Satelliten sicher.

Sie haben im Interview vor zwei Monaten eine kollektive Verantwortung erwähnt, die Europa gegenüber den Menschen in der Region zu tragen habe. Werden diese Menschen nun nicht im Stich gelassen?

Nein, denn wir ziehen uns ja weder im Bereich der Kooperation, noch im Bereich der Diplomatie komplett zurück. Wir müssen gegenüber der Militärjunta jedoch ein deutliches Zeichen setzen. Abgesehen davon, dass die Militärjunta noch immer keinen Fahrplan für demokratische Wahlen vorlegen konnte, ist die Kooperation mit den russischen Söldnern der Wagner-Gruppe nicht tragbar. Wenn das vorher erwähnte Massaker sich tatsächlich so ereignet hat, ist das ja nur ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Situation nicht in die richtige Richtung entwickelt.

Die russischen Söldner der Wagner-Gruppe sind einfach enorm brutal. Rechtsstaatlichkeit ist für die ein Fremdwort. Eine solche Vorgehensweise führt ja auch nicht zu einer breiten Akzeptanz des Regimes in der Bevölkerung – ein weiterer Grund, warum wir weiterhin Druck ausüben wollen. Weiterhin Druck ausüben und gleichzeitig das Land nicht komplett aufgeben – das ist ein Tanz auf Messers Schneide.

Hat sich an der Vorgehensweise der russischen Söldner mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine etwas verändert?

Nein, die Lage ist in der Hinsicht stabil – auch wenn wir jetzt mit einem Massaker konfrontiert sind. Jedoch war die Wagner-Gruppe im Norden des Landes ohnehin sehr aktiv. Es sind jedoch keine weiteren Söldner zum bisherigen Kontingent hinzugestoßen. Insgesamt ist die Lage aber sehr schwer einzuschätzen, weil die russische Regierung jedwede Verantwortung von sich weist – auch wenn jedem klar ist, dass es sich bei der Wagner-Gruppe um eine Kreml-gesteuerte Privatarmee von Putin handelt.

Sie hatten am Donnerstag ebenfalls ein Gespräch mit dem ukrainischen Verteidigungsminister Oleksii Reznikov. Über was wurde konkret gesprochen?

Das Gespräch kam auf Anfrage des ukrainischen Verteidigungsministers zustande. Er hat mir die Situation in der Ukraine noch einmal erläutert und uns für die bisherige Unterstützung gedankt, da wir als kleines Land einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet haben.

Er hat dann auch konkrete Anfragen für weitere Hilfslieferungen gestellt, um das Land von den russischen Invasoren zu befreien. Im Rahmen unserer Möglichkeiten habe ich ihm weitere Luxemburger Unterstützung zugesagt. Wir haben als kleines Land jedoch keine großen Reserven und wollen auch nicht einfach alte Lagerbestände in die Ukraine schicken, die dort keinen Nutzen finden.

Wir haben bisher Panzerabwehrrakten, Geländewagen und Zelte in die Ukraine geschickt. Woraus genau werden unsere Hilfslieferungen dieses Mal bestehen?

Es wird wohl wieder eine Mischung aus letalem und nicht-letalem Material werden. Diesem Prinzip wollen wir treu bleiben. Die Details werden wir in Absprache mit der ukrainischen Botschaft noch klären.

Viel wurde in den letzten Tagen über mögliche NATO-Beitritte von Schweden und Finnland geredet.

Ich gehe stark davon aus, dass die Anfragen ernst gemeint sind. Bereits beim letzten Treffen der NATO waren Schweden und Finnland anwesend – aufgrund der Kriegssituation haben sich die Gespräche aber in den letzten Tagen und Wochen beschleunigt. Dem Putin-Regime muss einfach klar werden, dass Schweden und Finnland dank russischer Drohgebärden lediglich schneller der NATO beitreten werden. Es darf ja nicht sein, dass Putin entscheidet, ob und wann Mitglieder der Europäischen Union der NATO beitreten wollen. Dabei will ich daran erinnern, dass die beiden Länder sehr lange auf ihrer sicherheitspolitischen Unabhängigkeit bestanden haben.

Es handelt sich bei den beiden Ländern ja auch um demokratische Staaten, die die Aufnahmebedingungen für die NATO schnell erfüllen werden. Ich gehe davon aus, dass sich das bis zum NATO-Gipfel im Juni in Madrid konkretisiert hat.

Putin hat in dem Fall gedroht, ein Teil des russischen nuklearen Arsenals ins Baltikum verlegen zu wollen?

Ich denke, dass die NATO gut beraten ist, sich nicht zu sehr vom Säbelrasseln eines Putins oder Medwedews beeindrucken zu lassen. Wir leben im 21. Jahrhundert, mit russischen Großreichsgedanken muss auch mal Schluss sein.

de Bréimer
20. April 2022 - 11.38

Wat dee Witzepremier net Alles wees a seet.

NiedieGreng
18. April 2022 - 18.04

@de Frunnes : Das ist auch das einzige was diese Sorte Politiker kann ! Mach du wie ich hätte tun sollen, aber bitte schon gestern !

de Frunnes
17. April 2022 - 20.00

Kriegsminister Fränz Bausch gefällt mir immer besser. Ebenso die Annalena und der Roooobert. Drehen sich wie der Gockel auf dem Kirchturm.

Observer
17. April 2022 - 12.50

Bald wird die NATO in den heißen Krieg mit Russland und China treten.Dann brauchen wir keine warmen Kleider mehr im Winter wenn wir kein Gas mehr haben!