Clubkultur / Luxemburger Polizei hat die Modedroge GHB auf dem Schirm

GHB wird prinzipiell mit einem Drink vermischt. Ab und zu passiert das ohne das Wissen des Konsumenten, weshalb die Substanz auch als Vergewaltigungsdroge gehandelt wird. (Symbolbild: Freepik)
In der Szene wird sie „G“ genannt, sie wird in der Regel aus industriellen Lösungsmitteln hergestellt und kann aus Versehen schnell überdosiert werden: Die Modedroge GHB ist auch in Luxemburg auf dem Vormarsch. Die größte Gefahr dabei: Zwischen Rausch und Blackout steht oft nur ein winziger Tropfen. Während Clubbetreiber und Partyveranstalter das Thema offensiv angehen, hält sich die Polizei weiterhin bedeckt.
Berlin, im August 2021: Es ist kurz vor 4 Uhr morgens, als in den WC-Räumen des „Suicide Club“ eine Frau zu Boden geht. Nur kurze Zeit später sehen auch Angestellte den leblosen Körper des jungen Gastes und verständigen unverzüglich die Rettungskräfte. Sanitäter und Notarzt versorgen das Opfer und bringen es in eine Klinik. Leider aber kommt jede Hilfe zu spät: Die 25-Jährige wird das Bewusstsein nie wieder erlangen.
Das Entsetzen ist groß in der deutschen Szene und schwappt schnell auch auf benachbarte Länder über. Die junge Irin ist nämlich an einer Überdosis GHB gestorben. „G“ oder „Liquid Ecstasy“, wie die Substanz noch umgangssprachlich genannt wird, ist ein relativ neues Phänomen in der europäischen Clubkultur. Konsumenten schwärmen von der berauschenden Wirkung, während Experten dringend vor den Risiken waren. Denn: Die Gefahr einer Überdosis ist allgegenwärtig.
Tatsächlich kann nur ein einziger Tropfen bereits einen Unterschied machen zwischen Rausch und Bewusstlosigkeit. Gegenüber dem Tageblatt beschreiben ehemalige Konsumenten, wie sie die Dosis auf den Milliliter genau mit Größe und Gewicht abstimmen mussten, um keine unerwünschten Nebenwirkungen zu verspüren. „Mir war nicht bewusst, wie schlimm diese Droge ist, bis ich eine schlechte Erfahrung hatte“, so ein Betroffener im Gespräch mit dieser Zeitung. Es sei ihm „sehr, sehr dreckig“ ergangen. „Dabei hatte ich vom Konsum her eigentlich nichts geändert“, so das Fazit. Ein einziger, kleiner Tropfen habe womöglich gereicht.
Timer gegen Überdosierung
Andere Konsumenten berichten von Stunden der Bewusstlosigkeit und von ganzen Nächten, an die sie sich nicht mehr erinnern können. Viele würden sich Timer auf dem Smartphone stellen, um Überdosierungen zu vermeiden. Zu oft komme es vor, dass man den vorherigen Shot schlichtweg vergessen hat. Wer innerhalb kürzester Zeit noch eine Dosis konsumiert, läuft Gefahr, in die Bewusstlosigkeit abzurutschen oder schlimmer. „Deshalb nutzen viele Konsumenten die Timer-Funktion, um zu wissen, wann sie die nächste Dosis zu sich nehmen können“, so ein Ex-Betroffener.
Tatsächlich ist es diese kleine Spanne zwischen Rausch und Blackout, die die Droge im Vergleich zu anderen Substanzen zu einem riskanten Sonderfall macht. Was die Droge so gefährlich macht, ist die allgegenwärtige Gefahr einer Überdosierung, das Abhängigkeitspotenzial, die Wechselwirkung mit Alkohol und ein gewisses Manko an Informationen innerhalb der Szene.
Die Substanz wird von hinterhältigen Gestalten zudem als Vergewaltigungsdroge missbraucht, weswegen GHB in diesen Kreisen auch als sogenannte „K.o.-Tropfen“ gehandelt wird. In dieser Form scheint die Droge den Luxemburger Behörden auch am geläufigsten zu sein: „Es gab zuletzt den einen oder anderen Verdacht, dass Personen dieser Tropfen ins Glas gemischt wurde. Leider ist es im Nachhinein nur schwer nachzuweisen“, erklärt eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage dieser Zeitung.
Tatsächlich wurden auch dem Tageblatt entsprechende Fälle berichtet. So soll etwa ein Türsteher eines bekannten Lokals in der hauptstädtischen Innenstadt Opfer einer solchen Attacke geworden sein. Er habe sich am nächsten Tag in einem Krankenhaus untersuchen lassen, da er keine Erinnerungen mehr an den Vorabend hatte. Dabei habe er nur einen Energiedrink zu sich genommen. Die Analyse habe Gewissheit gebracht: Dem Sicherheitsmann wurden „K.o.-Tropfen“ ins Glas gemischt.
Aufklärung und Nulltoleranz
Experten zufolge kann GHB nur für etwa 12 Stunden im Urin nachgewiesen werden. Wenn allerdings Opfer sich dazu entschließen, zur Polizei zu gehen, ist oft zu viel Zeit verstrichen, um die Substanz noch nachweisen zu können. Problematisch ist auch der Umstand, dass sich viele Menschen oft nicht sicher sind, ob sie etwas ins Glas gemischt bekamen. Für eine britische Studie wurden 2019 rund ein Jahr lang alle Fälle untersucht, in denen Frauen und Männer in die Notaufnahme kamen, weil sie befürchteten, dass ihnen eine unbekannte Droge untergemischt worden war. Das Ergebnis war überraschend: In keinem einzigen der 75 Fälle konnten Substanzen wie GHB, Ketamin oder Rohypnol nachgewiesen werden. Im Gegenzug aber stellte sich heraus, dass rund zwei Drittel der Betroffenen eine extrem hohe Blutalkoholkonzentration aufwiesen.
Dennoch bleibt GHB ein großes Problem, wie auch die Reaktion der Clubbetreiber, Partyveranstalter und DJs in Luxemburg zeigt. Tageblatt-Informationen zufolge soll es vor rund zwei Wochen zu einem Treffen mit den Verantwortlichen von Pipapo gekommen sein. Zuvor hatten sich die Mitarbeiter des Sozialprojekts für eine sichere Partykultur bei ihren Partnern im Ausland über mögliche Herangehensweisen informiert.
In Deutschland fahren die Clubs und Veranstalter inzwischen eine Nulltoleranz-Politik gegenüber der Modedroge. Sie gehen mit Aufklärungskampagnen und sichtbaren Anzeigen in den Clubs gegen den Konsum von „G“ vor. Die Droge ist entsprechend verpönt, weswegen sie zumindest nicht in aller Öffentlichkeit konsumiert wird. Ähnlich wollen die Verantwortlichen nun auch in Luxemburg vorgehen. Besonders wichtig sei es, nicht aus der Panik heraus zu reagieren, so ein Verantwortlicher des Pipapo.
Was den Konsum in Luxemburg angeht, so liegen zumindest den offiziellen Stellen keine detaillierten Zahlen vor. Die Polizei habe keine Indizien dafür, wie verbreitet die Modedroge im Großherzogtum konsumiert werde. Nur so viel kann die Sprecherin verraten: „GHB ist eine in Luxemburg verbotene Substanz, die die Polizei wie viele andere Substanzen auch auf dem Schirm hat“. GHB sei auf jeden Fall eine gefährliche Droge, die rasch und stark abhängig mache. Da man in der Hauptsache aber im Zusammenhang mit „K.o-Tropfen“ mit der Substanz zu tun habe, werde die Droge seit Jahren schon im Rahmen der Drogenpräventionskurse an den Luxemburger Schulen angesprochen.
GHB und GBL
Sie ist farblos, flüssig und wird von Konsumenten prinzipiell ins Getränk gemischt. Geringe Dosierungen führen zu Euphorie, Enthemmung, Rededrang und Entspannung. Bei höherer Dosis kommt es zu Beruhigung und Verlangsamung der Atmung. Gemeint ist die Substanz GHB, die umgangssprachlich auch „Liquid Ecstasy“ oder einfach nur „G“ genannt wird.
GHB steht für und wurde in der Medizin lange Zeit als Narkosemittel genutzt. Wegen ihrer starken Nebenwirkungen wird die Substanz kaum noch zu medizinischen Zwecken genutzt, weshalb sie in vielen EU-Staaten unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Als Rauschmittel wird hauptsächlich GBL (Gamma-Butyrolacton) benutzt, das vorwiegend in der chemischen Industrie als Lösungs- und Reinigungsmittel eingesetzt wird. Im Körper wird GBL dann zum Wirkstoff GHB umgewandelt. Allerdings gibt es auch Produzenten, die „G“ aus Felgenreiniger und Nagellackentferner gewinnen.
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