NachhaltigkeitLuxemburg und vier andere EU-Staaten sind gegen „grüne“ Atomkraft

Nachhaltigkeit / Luxemburg und vier andere EU-Staaten sind gegen „grüne“ Atomkraft
(v.l.): Die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg mit ihren Amtskollegen Joao Pedro Matos Fernandes (Portugal), Svenja Schulze (Deutschland) und Leonore Gewessler (Österreich) gestern in Glasgow. Die Kollegin aus Dänemark ist nicht auf dem Bild. Foto: dpa/Christoph Soeder

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In der Europäischen Union ist ein Streit darüber entbrannt, ob im Kampf gegen den Klimawandel Atomenergie als „grüne“ Energieform anerkannt und die sogenannte „Taxonomie“ der EU entsprechend angepasst werden soll. Luxemburg und andere EU-Staaten wehren sich dagegen.

In einer gemeinsamen Erklärung haben sich gestern am Rande der Weltklimakonferenz in Glasgow die Umwelt- und Klimaminister aus fünf EU-Staaten, darunter Luxemburg, „für eine nuklear-freie EU-Taxonomie“ ausgesprochen. Die EU-Taxonomie ist ein technisches Dokument, das Investoren Aufschluss darüber gibt, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als umweltfreundlich und nachhaltig eingestuft werden und folglich als für „grüne Investitionen“ tauglich erachtet werden können.

Vor dem Hintergrund der einsetzenden Abkehr von fossilen Brennstoffen und der Suche nach Energieträgern, die keinen schädigenden Einfluss auf das Weltklima haben, wollen acht EU-Staaten, allen voran Frankreich, Tschechien, Ungarn und Polen, durchsetzen, dass Investitionen in Atomenergie als „grün“ deklariert werden. Den sehr auf die noch schmutzigere Kohle angewiesenen osteuropäischen EU-Staaten ist es zudem daran gelegen, dass auch das etwas sauberere Erdgas in die EU-Taxonomie aufgenommen wird. Allerdings nur für die Übergangszeit, die es braucht, um von der Kohle loszukommen.

Dem stellen sich nun fünf andere EU-Staaten entgegen. Luxemburg, Deutschland, Portugal, Dänemark und Österreich haben gestern am Rande der Weltklimakonferenz eine Erklärung abgegeben, in der sie die EU-Kommission dazu aufrufen, Nuklearenergie nicht in die EU-Taxonomie aufzunehmen. Die Brüsseler Behörde soll eine Neufassung des Regelwerks vorlegen. Aussagen der Kommissionschefin Ursula von der Leyen unter anderem beim letzten EU-Gipfel im Oktober lassen darauf schließen, dass sie dem Ansinnen der Atomkraft-Befürworter aufgeschlossen gegenüber steht.

Negative Konsequenzen

In ihrer gestern abgegebenen Erklärung führen die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg und ihre vier EU-Amtskollegen unter anderem an, dass Nuklearenergie nicht vereinbar sei mit dem in der EU-Taxonomie verankerten Prinzip „keinen nennenswerten Schaden anrichten“ (do not significant harm). Investoren würden als „nachhaltig“ gekennzeichneten Finanzprodukten nicht mehr vertrauen, wenn sie befürchten müssten, mit deren Kauf Aktivitäten im Bereich der Atomenergie zu finanzieren. Selbst institutionelle Investoren seien gegen die Aufnahme der Atomenergie in die EU-Taxonomie, so die fünf EU-Staaten in ihrer Erklärung. Umweltministerin Carole Dieschbourg warnte, dass ein solcher Schritt „massive negative Konsequenzen für die Glaubwürdigkeit, Sicherheit und Transparenz in Europa und weltweit“ für als nachhaltig ausgewiesene Finanzprodukte haben werde.

Atomenergie wird in zunehmendem Maße als Übergangslösung im Rahmen einer raschen Energiewende weg von fossilen Brennstoffen hin zu klimafreundlichen Energieformen angesehen. Befürworter setzen daher auf den Bau neuer Atomkraftwerke, darunter auch Mini-Atomkraftwerke, wie sie etwa der Turbinenhersteller Rolls-Royce in Großbritannien bauen will (siehe gestrige Tageblatt-Ausgabe). Kritiker halten dem allerdings entgegen, dass nach wie vor das Problem des Atommülls in keiner Weise nachhaltig gelöst ist und sehr viele Generationen mit den damit verbundenen Schwierigkeiten konfrontiert sein werden. Es brauche zudem mindestens ein Jahrzehnt, vermutlich aber viel länger, bevor überhaupt ein Atomkraftwerk betriebsbereit sei. Dabei könnten während dieser Zeit, und mit den dafür benötigten finanziellen Mitteln, viel schneller umweltschonendere und weniger gefährliche Energiequellen erschlossen werden.

Sepp
12. November 2021 - 16.29

Die sollen mal alle einen Verhaltenskodex rausbringen. Ich habe jedenfalls keinen Bock progressiv meinen Konsum inkl. Wohnfläche einzuschränken, je grösser die Weltbevölkerung wird. Und ich denke da bin ich nicht der Einzige. Und da Windkraftanlagen viel Platz einnehmen (700 Anlagen sind nötig um 1 Atomkraftwerk zu ersetzen) und das in einem Mini-Land wie Luxemburg, bin ich auch für Atomkraft und stehe da hinter den Franzosen (auch wenn Cattenom gerne 100 Kilometer weiter weg hätte gebaut werden können). Man sollte eher versuchen die Kohlekraftwerke auszuschalten anstatt wieder international das Vorzeige-Ländchen zu spielen mit zunehmend frustrierten Bürgern.

D.W.
12. November 2021 - 10.58

@HTK :-) das langt HTK...das langt dicke! Der Glaube versetzt bekanntlich nicht nur Berge, sondern erzeugt auch nachhaltige Energie! Schließlich sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt...! :-)

bender
12. November 2021 - 10.31

"Energiewende ins Nichts" - Kann mal mal bei Youtube nachsuchen. Das Schöne bei diesem Thema ist: Als Durchschnittsbürger der eine banale "règle de tri" beherrscht kann man alle Zahlen nachrechnen. Deshalb muss man sich dann doch die Frage stellen: Wissen diese fünf Leute denn überhaupt was der Dreisatz ist?

Horst
12. November 2021 - 9.50

Wie wär es mit Bio Volcano Geothermie?

Grober J-P.
12. November 2021 - 9.19

Sehr kontraproduktiv, Atomstrom ist doch nicht soo schlimm. Lasset euch doch von H. Heinen aufklären. Carole höret doch einmal auf den Experten!

Wieder Mann
12. November 2021 - 8.46

Der Grünkapitalismus und seine Drahtzieher zerstören lieber ganze Landstriche (Norden Portugal /Serbien) zur Gewinnung von Lithium (Greenakku)als die Atomkraft zur Notlösung auf Jahre in Kauf zunehmen.

HTK
12. November 2021 - 8.36

Welche Quellen meinen die Grünen denn? Wind- und Solarenergie oder Biogas und Gezeitenkraftwerke? Wird das langen um,vor allem nachts,Millionen E-Autos aufzuladen,neben dem normalen Stromverbrauch?