Luxemburg soll Lothringer Infrastruktur durch grenzübergreifenden Fonds mitfinanzieren

Luxemburg soll Lothringer Infrastruktur durch grenzübergreifenden Fonds mitfinanzieren
Was soll mit den Steuern der französischen Grenzgänger geschehen? Politiker in Lothringen hätten da ein paar Ideen. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Frankreich will an der Einkommensteuer beteiligt werden, die die lothringischen Grenzgänger in Luxemburg bezahlen.

Pünktlich zum dreitägigen Staatsbesuch des großherzoglichen Paares in Frankreich hat der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian ein Thema wieder auf den Tisch gelegt, das die Atmosphäre zwischen Luxemburg und Frankreich vergiften kann. Frankreich wünscht, dass Luxemburg einen Teil der Einkommensteuer, die die 95.000 lothringischen Grenzgänger in Luxemburg bezahlen, an Frankreich zurückzahlt. Im französischen Senat sprach der Außenminister Frankreichs das Reizthema in einer Fragestunde an. Am Dienstag soll ein luxemburgisch-französisches Seminar, das im Rahmen des Staatsbesuches stattfindet, die Idee diskutieren.

Die Forderung ist nicht neu. Und es ist auch nicht überraschend, dass sie im Senat besprochen wird. Der nämlich ist zwar die zweite Kammer im französischen Gesetzgebungssystem. Er versteht sich aber zunehmend als die Kammer der Gemeinden und Regionen. Aus der Stadt Nancy in Lothringen kommt auch der neue Anstoß zu der Diskussion. André Rossinot, Präsident des Stadtverbandes Nancy und Urgestein lothringischer Politik, hat sich in einem Brief an den französischen Präsidenten gewandt.

Mit den Freunden reden

„Es ist Zeit, offen mit unseren luxemburgischen Freunden zu reden“, heißt es darin. Er schlägt einen grenzübergreifenden Fonds vor, der aus einem Teil der Einkommensteuer alimentiert werden soll, die die Lothringer in Luxemburg bezahlen. Luxemburg und Lothringen sollen den Fonds gemeinsam verwalten, schlägt Rossinot vor. Der Fonds soll die lothringische Infrastruktur finanzieren. Die französischen Gemeinden entlang der luxemburgischen Grenze wünschen sich Geld für den Bau von Schulen und Kindergärten aus der Steuerkasse des Großherzogtums.

Was der französische Außenminister vor dem Senat sagte, hatte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron bei seinem Regierungsbesuch im vergangenen Jahr bereits verschlüsselt angekündigt. Er wisse, was Luxemburg über die Grenzgänger für Lothringen leiste, aber man müsse da auch weitersehen, hatte er sinngemäß gesagt.

Luxemburg leistet bereits Hilfe für die Infrastruktur in Lothringen. Der Bahnhof in Hettange-Grande zum Beispiel ist vom Großherzogtum finanziert worden. Auch bei der Finanzierung der Hochgeschwindigkeitsstrecke Paris-Straßburg mit dem Abzweig nach Luxemburg hat Luxemburg dem französischen Eisenbahn-Unternehmen SNCF mit Millionen unter die Arme gegriffen.

Geld für die Altenheime

Frankreichs Vorstellungen aber gehen weiter. Der Präsident des Départements Moselle, Patrick Weiten, würde gerne auf 50 Millionen Sozialabgaben zugreifen, um seine Alten- und Pflegeheime zu finanzieren. Die jetzigen Wünsche gehen in den Milliarden-Bereich. So soll zum Beispiel Luxemburg den dreispurigen Ausbau der A31 auf französischer Seite finanzieren, der mit einer Milliarde Euro von Frankreich veranschlagt wird. Wenn Rossinot, der als Fuchs der lothringischen Regionalpolitik gilt, sich für luxemburgische Investitionen in Lothringen einsetzt, dann sieht er luxemburgisches Geld nicht nur für Investitionen im Mosel-Département, und hier besonders im Großraum Thionville/Metz, sondern auch im strukturschwachen Süden des Landes.

Dahinter steckt seit über 20 Jahren die Philosophie, dass es nicht sein kann, dass die Universitäten und Hochschulen in Metz und Nancy hoch qualifizierte Menschen in die Wirtschaft entlassen, die dann nach Luxemburg arbeiten gingen. Andererseits ist Lothringen der Übergang von der Schwerindustrie (Kohle und Stahl) nicht gelungen.Im Saarland hatte die Wirtschaft lothringischen Jugendlichen 800 Ausbildungsplätze im gebeutelten ehemaligen Kohlebecken rund um Forbach angeboten. Sie wurden nicht angenommen.

Jetzt lautet eine der Vorstellungen, dass es gemeinsame Anstrengungen von Luxemburg und Lothringen im Bereich der Ausbildung geben soll. Lothringen verfügt nicht über die Wirtschaftsstruktur und über das Angebot an Arbeitsplätzen für seine Universitätsabsolventen. Ausbildung und duales System sind andererseits zwei Lieblingsvorstellungen des französischen Staatspräsidenten Macron, der nur das Geld zur Verwirklichung seiner Vorstellungen nicht hat und deshalb überall ausländische Kassen sucht, damit er seine Pläne in die Tat umsetzen kann. Wenn Außenminister Le Drian nun anlässlich des Staatsbesuches das Thema wieder aufgreift, dann geschieht das nicht ohne Rückhalt des Staatspräsidenten.

Vielseitiges Problem

Das Problem der Grenzgänger ist vielfältig und hat viele Seiten. Es kann auch als ein Export der Arbeitslosigkeit aus Lothringen nach Luxemburg angesehen werden. Die lothringische Arbeitslosigkeit läge um etwa vier bis fünf Prozentpunkte höher, würde es die Grenzgänger nicht geben und hätte Luxemburg seinerseits den Strukturwandel von Kohle und Stahl zum achtgrößten Finanzzentrum der Welt nicht vollbracht. Die Vielfältigkeit der Probleme zeigt sich daran, dass gleichzeitig Frankreich Luxemburg als Finanzparadies mehr oder weniger offen bekämpft. Die Investmentfonds-Industrie erlebt derzeit, dass die in Paris angesiedelte europäische Regulierungsbehörde unter französischer Führung versucht, Reglementierungen zu erlassen, die Luxemburg schaden.

Die Verteilung des „Reichtums“, wie er von Lothringern in Luxemburg erwirtschaftet wird, erfolgt längst auch in ganz anderer Weise. In den Städten entlang der luxemburgischen Grenze entstehen neue Wohngebiete, in denen die Lothringer ihre Häuser bauen, die in Luxemburg einen sicheren Arbeitsplatz haben. Hier fließen Wohn- und Grundsteuer in die Gemeindekassen, die von den Lothringern im Großherzogtum verdient werden.

Der Auchan-Hypermarkt in Longwy lebt großenteils von Luxemburger Kunden. Das Outlet Center entlang der Autobahn nach Metz ist mit Absicht dort gebaut worden und wirbt um luxemburgische Kunden. Was politisch in Frankreich derzeit verlangt wird, ist rein oberflächlich Geld, das man selber nicht hat. Das geht nach dem Motto: Der reiche Nachbar soll finanzieren. Dabei wird die Vielschichtigkeit des wirtschaftlichen Austausches übersehen.

Um welche Summen geht es?

Die lothringische Regionalzeitung Le Républicain Lorrain kommt in einer Berechnung auf Milliardensummen, die Luxemburg den Lothringern schulden soll. „Da die Lothringer in Luxemburg arbeiten, zahlen sie dort logischerweise Steuern“, heißt es. Und dann: „Man darf schätzen, dass jeder Lothringer im Durchschnitt 15.000 bis 17.000 Euro im Jahr an den luxemburgischen Staat überweist“, zitiert die Zeitung einen ungenannten Steuerspezialisten. „Da es bald 100.000 Lothringer in Luxemburg als Grenzgänger geben wird, handelt es sich um 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro ohne den Schatten einer Retrozession“, bedauert der anonyme Steuerfachmann. Die Zeitung berechnet weiter, dass es in den kommenden Jahren bis zu 150.000 neue Arbeitsplätze in Luxemburg geben würde, von denen wohl 100.000 mit Lothringern besetzt würden. Die würden dann dem lothringischen Arbeitsmarkt verloren gehen.

Hier werden allerdings Zahlen kolportiert, die jenseits von Gut und Böse anzusiedeln sind. Lothringer in Luxemburg müssten im Durchschnitt um die 150.000 bis 200.000 Euro verdienen, um auf die Abgabenhöhe zu kommen, die in der lothringischen Regionalzeitung zitiert wird.

Mitarbeiter gehen in Lothringen wohl auch nicht verloren. Die etwa zwei Millionen Einwohner umfassende Region weist eine aktive Bevölkerung von einer Million aus. Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa zehn Prozent, ungefähr 100.000 Menschen. Ohne die Grenzgänger nach Luxemburg wären es 195.000. Nimmt man die Grenzgänger in das Saarland hinzu, läge die Arbeitslosigkeit in Lothringen bei gut 210.000. Wobei der Wunsch nach lothringischen Grenzgängern im Saarland zurückgeht.

Die Situation zwischen Lothringen und Luxemburg ist vielschichtig. Sie rein auf das Füllen lothringischer Kassen zu beschränken, wird der Sachlage nicht gerecht.

Serenissima en Escher Jong
20. März 2018 - 9.48

Frankräich wëllt eben dat selwecht wat d'Belgien jo och kritt... en Partie vun de Lounsteier déi d'Frontaliers bezuelen zu Letzeburg soll den Gemengen a Lothringen ze gutt kommen well déi jo Infrastrukturen schaffen mussen...leider hätt ons Regierung nimools dat doten ufänken sollen mat Belgien elo wëllt Frankräich och Suen a muer dann och Däitschland....! Dei Länner sollten sech schumme dat se hire Leit keng Aarbecht a keen Brot kennen ginn ...zumindest sollt Lëtzebuerg dann och verlaangen Kettenhueven zou ze maachen...well wann do eng passéiert dann ass et  eriwwer so oder so mat Lëtzebuerg an da gëtt et kee Wak mäi...

René Charles
20. März 2018 - 9.30

De franséische Staat spuert jo de chômage vun deenen déi zu L, B, + Saarland eng Schaff hun. Wat hätt de franséische Staat gären vun B an D als "Ausgläich"? Oder sin just "d'Luxo'en" viséiert.

Carlo
20. März 2018 - 1.32

Hoffentlech vergiessen se net béim Staatsbesuch d‘Schléissung vun Cattenom unzeschwetzen.

Marco
19. März 2018 - 18.28

Den Problem ass dach, dass netto iwwerhaapt näischt bei sou engem Fong fier d'Lorraine eruaskënnt. Wann Lëtzebuerg X Milliounen an sou en Fong stëcht, dann kënne mer sëcher sinn dass d'Dotatioun vun der franséiecher Zentralregierung fier den Grand-Est em den equivalenten Montant gekierzt gët. Die Suen ginn dann iergendwou an Paraïs verplangt. Pur windfall profits fier die franséich Haaptstadt. Den Haer Rossinot soll mol Ideen bréngen wéi een daat verhënneren kann. Soulang daat net kloer ass, sollten me just matinvestéieren, wann et eis och Fierdeeler bréngt (siehe TGV). Dovun ofgesinn: daat do ass en zweeschneidegt Schwert. Als letzebuerger Betrieb hunn ech no dem diskutéierten Model, all Interêt sou mann wie méiglech franséich Frontalièren anzestellen, well d'Steiersuen dann net just hei am Land, ma bis déif an den Süden vun Nanzeg investéiert ginn.

Een den keng Tomaten op den Aen huet!
19. März 2018 - 18.28

Et gött eng Grenz déi nött iwerschratt sollt gin. An ech mengen dat déi elo esou lues erreecht ass! All déi Grenzgänger gin hier Geld dat sie an Letzebuerg verdingen an Frankreich aus, an spéider hier letzebuerger Rent souwiesou an Frankreich! Wat nach? Vieleicht sollten déi letzebuerger Entreprisen ganz einfachh déi Natiounen förderen als Grenzgänger déi keng esou onverschimmten Revendikatiounen hun! Wéi mengt dier dat Frankreich ging reagéieren wann et ömgedréint wier? Mengt dier sie gingen hier Louhnsteier an d‘Ausland exportéieren. Un all déi Länner déi en Problem mat hierem Budget hun an do Frankreich am besonneschem: Göfft nött méi Geld aus wéi dir es verdengt, anstatt d‘Mönschen mat ömmer méi Steieren ze bestrofen! Ass dat eigentlech nach mönschlech wann een méi wéi d‘Halschent vum Joer vir den Staat (Steieren) muss schaffen goen? Ass dat keen „vol de l‘état auprès de ses administrés?“ Ech hoffen dat eis Regierung ganz kloer Grenzen setzt an der Causa Frankreich!

Jacques Zeyen
19. März 2018 - 18.19

Die Schlaumeier könnten ja den 95.000 Grenzgängern einen Job in Frankreich organisieren.Dann wäre das Problem " caduc ". N'est-il pas?

Jean Bodry
19. März 2018 - 17.40

Ginn Renten vun de AIV och Netto iwwerwisen?