Eindrücke zum Nationalen Gedenktag Luxemburg nimmt sich einen Moment, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken

Eindrücke zum Nationalen Gedenktag  / Luxemburg nimmt sich einen Moment, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken
Die „Journée de commémoration nationale“ fand am 10. Oktober statt Foto: Editpress/Raffael Wilmes

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Die jährliche „Journée de commémoration nationale“ fand am Sonntag statt. Dafür hatten sich unter anderem ein politisches Viergespann, Zeitzeugen, Polizei und Armee an Luxemburgs Erinnerungsorten zusammengefunden.

Die Wetterfee scheint es am Sonntagmorgen gut zu meinen: Es ist zwar noch recht kühl, der Himmel über dem „Kanounenhiwwel“ ist allerdings wolkenfrei. Auch die Sonne zeigt sich so langsam. Gegen 9.55 Uhr gibt es dann erste Anweisungen: Die Presse wird gebeten, sich aufzustellen. Vertreter der Luxemburger Polizei und der Armee stehen bereits in ihrer Paradeuniform um das Denkmal verteilt.

Das „Monument national de la solidarité luxembourgeoise“ soll an die Toten des Zweiten Weltkriegs, den Widerstand sowie „die Solidarität des Luxemburger Volkes gegen die nationalsozialistische Besatzung“ erinnern, verrät ein kurzer Blick auf die Webseite des Tourismusbüros der Stadt Luxemburg. Am 10. Oktober finden gleich mehrere Zeremonien zu Ehren der Opfer des Zweiten Weltkrieges sowie jener der „Spanienkämpfer“ statt.

Drei Stufen führen hinauf zur „Ewigen Flamme“, dahinter befindet sich ein gepflasterter Innenhof, der die Gefängnisse, Konzentrationslager und Kasernen der Nationalsozialisten symbolisieren soll. Davor wurden drei Reihen an Klappstühlen für die Ehrengäste der Gedenkfeier aufgestellt. Hinter den Stühlen, den Rücken in Richtung des in der Ferne emporragenden grünen Uhrenturms der Sparkasse gedreht, haben sich neun Fahnenträger positioniert.

Großherzog Henri bei der Zeremonie am  „Kanounenhiwwel“
Großherzog Henri bei der Zeremonie am  „Kanounenhiwwel“ Foto: Editpress/Raffael Wilmes

Premierminister Xavier Bettel (DP), Vizepremierminister François Bausch („déi gréng“), Chamber-Präsident Fernand Etgen (DP) sowie die Bürgermeisterin von Luxemburg-Stadt, Lydie Polfer (DP), warten weiter unten an der Straße auf das Eintreffen von Großherzog Henri. Gegen 10.15 Uhr ist es dann so weit: Musik der Militärkapelle erklingt und das politische Viergespann macht sich zusammen mit Luxemburgs Staatsoberhaupt auf in Richtung Denkmal.

Alle Ehrengäste nehmen Platz – mit Ausnahme vom Großherzog. Ein großer dekorierter Blumenkranz wird an den Stufen des Denkmals niedergelegt. Großherzog Henri wird anschließend ein Degen überreicht, dessen Spitze er in die „Ewige Flamme“ hält – ein symbolischer Akt der Wiederbelebung. Im Anschluss ertönt „Ons Heemecht“, Luxemburgs Nationalhymne, und Großherzog Henri sowie die vier Politiker begeben sich ungestört in den hinteren Bereich des Denkmals, wo sich das Gästebuch befindet. Die erste Zeremonie endet nach knapp 15 Minuten.

Einweihung einer neuen Infotafel

Weiter geht es mit einem kurzen Fußmarsch in Richtung Kathedrale zum Shoah-Denkmal, auch Kaddish-Denkmal genannt. Erste Schaulustige versammeln sich auf der gegenüberliegen Straßenseite. Bei seinem Eintreffen begrüßt Xavier Bettel mit dem inzwischen durch die Corona-Pandemie üblich gewordenen Faustgruß einige der Anwesenden, so auch die am Bürgersteig Wache haltenden Polizeibeamten. Viel Zeit für Privatgespräche bleibt da nicht, denn das Programm des Gedenktags ist stramm. Pünktlich um 10.45 Uhr beginnt der Präsident des jüdischen Konsistoriums, Albert Aflalo, mit seiner Rede. „Das einzige Mittel gegen Rassismus ist Bildung“, betont er.

Anschließend tritt Bettel an das Rednerpult: „Ich will, dass Passanten das Denkmal sehen.“ Die Sonne hat es zu dem Zeitpunkt noch nicht geschafft, den Platz um das Denkmal im Stadtzentrum zu erhellen. Wie passend, wo doch das Shoah-Denkmal als Erinnerung an einen äußerst dunklen Abschnitt der Menschheitsgeschichte dienen soll.

In seiner Rede betont Bettel, wie wichtig es ist, die Geschichte hinter dem Denkmal zu verstehen. „Was haben diese Leute falsch gemacht? Nichts! Sie waren nur Juden“, sagt er mit einer traurig-bedenklich klingenden Stimme. Bettel und Aflalo weihen daraufhin eine neue Infotafel ein, die auf zwei Seiten Erklärungen auf Französisch und Englisch liefert.

Nach einer Blumenniederlegung durch das Politiker-Quartett endet die Zeremonie am Shoah-Denkmal mit einem Gebet des Großrabbiners Alain Nacache auf Hebräisch.

Die neue Infotafel beim Shoah-Denkmal
Die neue Infotafel beim Shoah-Denkmal Foto: Editpress/Raffael Wilmes

Zur Erinnerung an freiwillige Spanienkämpfer

Nächste Etappe ist die „Gëlle Fra“. Die langsam größer werdende Menschenmenge bewegt sich in Richtung place de la Constitution. Dort erinnert Paca Rimbau-Hernández, die Präsidentin der „Association des amis des Brigades internationales“, in ihrer Rede an die Opfer und die Tragödie des Spanienkriegs von 1936 bis 1939. Der Platz ist mittlerweile recht gefüllt. Hier und da sieht man Menschen, die interessiert die Zeremonie mit ihren Handykameras festhalten. An der Rückseite des Mahnmals enthüllen Bettel und Rimbau-Hernández eine Inschrift: Ein kräftiger Ruck an der Luxemburger Fahne, die das Novum bedeckt, und die Inschrift, die an die freiwilligen Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg erinnern soll, liegt frei. Das politische Viergespann stellt sich vor dem Monument nebeneinander in einer Reihe auf und legt einen weiteren Blumenkranz nieder. Ende von Zeremonie Nummer drei.

„Das einzige, das ich von jedem verlange, ist Respekt“

Es wird keine Zeit vergeudet: Reporter schießen schnell noch ein, zwei Fotos und springen dann ohne Weiteres in den speziell für den Anlass bereitgestellten Bus – man will ja nicht riskieren, den Anschluss zu verpassen. Zwei Motorräder der Polizei führen die Fahrzeugkolonne an, bestehend aus dem Bus und den Autos mit aufgesetztem Blaulicht, in denen sich die Politikern und andere Gäste befinden. Kurz vor Mittag erreicht die Kolonne das „Mémorial de la Déportation“ in Hollerich. Reporter und Fotografen begeben sich auf Position und warten den Beginn der nächsten Zeremonie ab. Die Gedenkstätte der Umsiedlung grenzt an den Hollericher Bahnhof und dient heute als Erinnerungsort. Das recht kleine Denkmalgelände ist von ein paar einzelnen Bäumen umgeben. Schwer vorstellbar, dass an diesem Ort vor rund 80 Jahren Menschen ins Exil oder sogar in den Tod geschickt wurden.

Der Platz diente nämlich zwischen 1940 und 1944 als Sammelstelle und Abfahrtsort für Zwangsrekrutierte und Umzusiedelnde. Nur wenige 100 Meter weiter wurden auch Juden in Richtung Ghettos oder Vernichtungslager abtransportiert, wie auf der Webseite der Regierung nachzulesen ist.

Erny Lamborelle, Präsident der „Fédération des enrôlés de force“, tritt als Erstes ans Rednerpult und gibt einen kurzen Überblick über drei Deportationswellen, die es in Luxemburg gegeben hat. Zudem geht er auf die Entstehungsgeschichte und die Symbolik des 1978 errichteten Denkmals ein. 

„Das einzige, das ich von jedem verlange, ist Respekt“, sagt Bettel in seiner anschließenden Rede, die – wenngleich sie auch nicht deutlich länger als alle bisherigen ist – Beobachtern allerdings die emotionalste des bisherigen Tages zu sein scheint. Der Premier richtet sich dabei direkt an eine anwesende Zeitzeugin, die sich laut Bettel kurz davor noch bei ihm entschuldigt habe, dass sie die Zeremonie dieses Jahr nur noch mit Gehstock hätte besuchen können. Er freue sich, sie wiederzusehen, sagt Bettel, und hofft, dass sie noch viele weitere Male dabei sein wird. Nach seiner Rede verabschiedet sich Bettel noch herzlich von der Zeitzeugin.

Ein durchorganisierter „Moment“ des Gedenkens

Rasch geht es wieder Richtung wartende Fahrzeuge, um den letzten Erinnerungsort des Tages anzusteuern. Am Glacis angekommen, begeben sich die Anwesenden ohne Umwege zum „Hinzerter Kräiz“ auf dem Liebfrauenfriedhof. Mit inzwischen (nur) drei Minuten Verspätung läutet eine sechsköpfige Blaskapelle, die sich etwas weiter entfernt unter einem Baum positioniert hat, die Zeremonie um 12.18 Uhr ein. Der Premierminister beleuchtet einige Kapitel der Luxemburger Geschichte, darunter die Personenstandsaufnahme von 1941. Anschließend segnen Großrabbiner Nacache, die Präsidentin des Konsistoriums der Evangelischen Kirche Luxemburgs, Emmanuelle Bauer, und Generalvikar Patrick Muller die Gräber der repatriierten Kriegsopfer. 

Ein letztes Mal werden farbige Blumenkränze niedergelegt und ein letztes Mal wird den Opfern des Nationalsozialismus, des Rassenwahns und des Krieges durch eine Verbeugung der Politiker Respekt gezollt.

d'Boufermamm
13. Oktober 2021 - 10.13

A wou war dann eis " Grand-Duchesse" erëm ? Sëtzt sie nach ëmmer am Schmollwénkel ze motzen?