ParlamentLuxemburg investiert weiter 1 Prozent des PIB in die Kooperation

Parlament / Luxemburg investiert weiter 1 Prozent des PIB in die Kooperation
Wirtschafts- und Kooperationsminister Franz Fayot stand gleich zweimal im Fokus der Parlamentssitzung Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Wirtschafts- und Kooperationsminister Franz Fayot (erst seit Februar im Amt) stand gleich doppelt im Mittelpunkt der Parlamentssitzung vom Dienstag. Erst gab der LSAP-Minister auf Nachfrage von André Bauler (DP) Erklärungen zur Entwicklung der Industrie im Land, anschließend legte er den Bericht zur Luxemburger Kooperation vor. 

770 Betriebe, die 37.000 Menschen beschäftigen, umfasst der industrielle Sektor in Luxemburg, der 14,5 Milliarden Euro umsetzt und 5,7 Prozent der Wirtschaftsleistung darstellt. Die Betriebe seien zwar nie Corona-bedingt geschlossen worden, hätten dennoch stark unter der Krise gelitten. Die Umsatzzahlen mancher Unternehmen seien um ein Drittel bis 40 Prozent zurückgegangen, berichtete Fayot. Die Unterstützungsmaßnahmen der Regierung hätten geholfen und würden dies immer noch tun.

Der Minister erklärte, dass trotz massiven Widerstands des OGBL bei Guardian ein Sozialplan für 50 Mitarbeiter angekündigt wurde. Es gelte nun Lösungen für diese Personen zu finden. Bei ArcelorMittal laufe eine Stahl-Tripartite. Der Staat verlange hier Garantien zur langfristigen Absicherung der Arbeitsplätze; dies sei die Voraussetzung dafür, dass der Staat sich finanziell impliziere.

Goodyear baut in Düdelingen aus

Eine gute Nachricht hingegen sei, dass Liberty Steel die Werke Galvalange und Giebel modernisieren werde und Goodyear das neue Düdelinger Werk weiter ausbauen wolle. Mehrheitlich sei die nationale Industrie gut aufgestellt, schlussfolgerte der Wirtschaftsminister. 

Die sozioökonomischen Auswirkungen der Covid-Krise seien besonders heftig in den ärmsten Ländern zu spüren, erklärte er in seiner Eigenschaft als Kooperationsminister. Laut Weltbank seien derzeit 150 Millionen Menschen durch extreme Armut bedroht. Schulen und Universitäten mussten in 190 Ländern zeitweise schließen, 80 Millionen Kindern konnten die grundsätzlichen Impfungen nicht verabreicht werden. Zusätzlich zu 100 Millionen Menschen, die auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind, werden 38 weitere Millionen hiervon abhängig sein. 

Die Luxemburger Kooperation habe 65,8 Millionen Euro in sanitäre und sozioökonomische Projekte investiert. Die Gelder gingen hauptsächlich an NGOs wie das Rote Kreuz, aber auch unter anderem an die UN und an die Weltgesundheitsorganisation. Verschiedene Hilfsvereinigungen mussten ihre Projekte umstrukturieren: 7,3 Millionen wurden hierfür zur Verfügung gestellt; ein Treffen mit NGOs vor zwei Wochen habe die guten Resultate dieser flexiblen Hilfe bestätigt. 29 Millionen wurden bilateral für Partnerländer zur Verfügung gestellt. Luxemburg habe sich aber auch an EU-Hilfe via das sogenannte Team Europa beteiligt: 36 Milliarden sollen so hauptsächlich in Afrika investiert werden.      

Direkte Hilfe, keine Kredite

Franz Fayot sprach ebenfalls die hohe Verschuldung der ärmsten Staaten an und begrüßte die jüngste Inititiave der G20, die ein Aussetzen der Schulden anregten. Luxemburg helfe – um einer weiteren Verschuldung der Zielländer vorzubeugen – direkt und gebe keine Kredite. 

Das Großherzogtum halte am Prinzip fest, 1 Prozent der Wirtschaftsleistung (PIB) in die Kooperation zu investieren. 2019 waren dies 420 Millionen Euro, 2020 werden es wegen des geringeren Wirtschaftsaufkommens 43 Millionen weniger sein, was durch wegfallende Projekte kompensiert wird. Die NGOs wären bewusst von der Senkung der Ausgaben verschont worden – lediglich die staatliche Agentur Luxdev sei betroffen. 2021 seien wieder 403 Millionen eingeplant und auch mittelfristig wolle das Land an dem hohen Prozentsatz festhalten, auch wenn nur wenige Staaten das Mindestengagement von 0,7 Prozent einhalten würden. 

Weiter kündigte Fayot an, der Haushalt für humanitäre Hilfe werde künftig in den Kooperationsfonds eingegliedert.

Engagement in der Sahel-Zone

Die Luxemburger Kooperation konzentriere sich weiter auf die am wenigsten entwickelten Länder. So werde weiter in der Sahel-Zone gearbeitet, wo zurzeit 1,4 Millionen Flüchtlinge gezählt werden. Burkina Faso, Mali und Niger werden unterstützt, trotz wachsender Sicherheitsprobleme etwa im Mali, wo am 18. August ein Militärputsch stattfand. Zusätzliche Mittel für den Schutz der Mitarbeiter seien deshalb bewilligt worden. Der Minister berichtete weiter über die Arbeit in den Kapverden, in Laos, Vietnam, Myanmar und der Mongolei. In Nicaragua wurden begonnene Einrichtungen fertiggestellt, darunter ein Krankenhaus im Norden, und die Ernährungsprogramme für Schulkinder werden trotz schwieriger politischer Lage fortgesetzt.

Der Minister betonte, Entwicklungspolitik sei auch ein strategischer Aspekt von Außenpolitik. Er kündigte an, künftig seien Umwelt, Klima und Menschenrechte Prioritäten in der Kooperationspolitik, welche eine konkrete Illustration internationaler Solidarität sei. Tod, Leid, Gewalt und Vertreibung dürfen uns nicht gleichgültig lassen, so Fayot, der begrüßte, dass ein Partner der Luxemburger Kooperation, das Welternährungsprogramm, unlängst mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. 

Künftig werde Luxemburg verstärkt im digitalen Bereich, aber auch bei der Gleichstellung von Frauen aktiv werden. Daneben soll der Privatsektor stärker in die Arbeit einbezogen werden.

Grundsätzlich wurde die Politik Luxemburgs in diesem Bereich nicht infrage gestellt. So unterstrich Paul Galles (CSV), die Welt solle eine Solidargemeinschaft darstellen und kein „Schlachtfeld von Partikularinteressen“ sein. Er behandelte Kooperation im Kontext von Corona, von Klimaerwärmung und von veränderten Zielen, die weg von Almosenpolitik hin zu einer „Entwicklungszusammenarbeit“ führe. 

Für Gusty Graas (DP) steht außer Frage, dass Luxemburg seine Vorbildfunktion beibehalten müssen und weiterhin 1 Prozent der Wirtschaftsleistung in Kooperation investieren müsse. Er betonte, Afrika stehe eventuell wieder vor einer dramatischen Hungerkrise; ein Jahrzehnt wirtschaftlicher Entwicklung sei laut Analysten auf dem Kontinent durch Corona verloren gegangen. Er rief weiter dazu auf, wir sollten uns im Rahmen der Pandemie grundsätzliche Gedanken über unseren Lebensstil machen.

Weltweite Armut nimmt wieder zu

Lydia Mutsch (LSAP) unterstrich, dass seit 20 Jahren erstmals die Rate globaler Armut laut Weltbank steigen werde und eine halbe Milliarde Menschen in extremer Armut leben könnten. Die Herausforderungen an die Kooperationspolitik seien deshalb enorm. Luxemburg habe schnell und flexibel auf die Herausforderungen im Rahmen von Covid reagiert. Ein starkes Sozialsystem sei eine Grundvoraussetzung, um Armut, Verletzlichkeit und Ungleichheit zu verringern und inklusives Wachstum, soziale Kohäsion und politische Stabilität zu fördern.

Die Gesundheitsversorgung müsse verstärkt in den Fokus rücken – auch dies habe die Krise verdeutlicht. Das Luxemburger Engagement in dem Bereich sei beeindruckend, sagte Mutsch, ehe sie einzelne Projekte hervorhob und die Gleichbehandlung der Geschlechter als Ziel der Kooperationspolitik in den Vordergrund rückte.

Während Stéphanie Empain („déi gréng“) auf weitere Krisen und Konflikte sowie auf die aktuell schwierige Lage der NGOs einging, beschrieb Fred Keup (ADR) die Kooperation als Mittel für moralische Selbstzufriedenheit und relativierte die Probleme Afrikas. Keup forderte eine bessere Kontrolle der Entwicklungsarbeit und äußerte sich kritisch zu den hohen engagierten Summen. David Wagner („déi Lénk“) monierte, dass das Volumen der Hilfe reell im laufenden und kommenden Jahr sinke und setzte dies in Zusammenhang mit steigenden Militärausgaben. 

Ehe Franz Fayot eine Reihe von Fragen der Abgeordneten beantwortete, ging Sven Clement (Piratenpartei) ebenfalls auf den Rückgang der Gesamtsumme der Kooperation ein und beschäftigte sich unter anderem mit der verlorenen Schul- und damit Bildungszeit, die wieder zu verstärkter Kinderarbeit führen könnte. Er plädierte dafür, die Hilfe weiter hochzuhalten, nicht nur in relativen, sondern auch in absoluten Zahlen.