Statec-ReportLuxemburg hat den niedrigsten Gender-Pay-Gap Europas – teils sind Frauen sogar im Vorteil

Statec-Report / Luxemburg hat den niedrigsten Gender-Pay-Gap Europas – teils sind Frauen sogar im Vorteil
Smile when you’re winning: Junge, gut ausgebildete Frauen haben in Luxemburg in Sachen Lohngefälle gut lachen Foto: Pixabay/Editpress/Frank Goebel

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Je komplexer Datensätze werden, desto mehr Raum zur Interpretation geben auch daraus abgeleitete Statistiken. Aus der neuesten Veröffentlichung der luxemburgischen Statistikbehörde Statec zu Lohnunterschieden zwischen Frauen und Männern lassen sich jedenfalls einige zunächst anscheinend widersprüchliche Eindrücke gewinnen – je nachdem, an welcher Stelle man in den Report hineinschaut, der sich auf das Jahr 2018 bezieht: Da kann man einerseits feststellen, dass Frauen nach wie vor schnell und geradezu systematisch abgehängt werden, vor allem, wenn sie gering qualifiziert sind und in Teilzeit arbeiten (was bei ihnen sehr oft vorkommt). Es gelingt ihnen aber auch immer besser, in Führungspositionen zu kommen. Und je nachdem, welchen Bildungsgrad und welches Alter man betrachtet, verdienen sie sogar teils deutlich mehr als ihre männlichen Kollegen.

Bezogen auf den Stundenlohn beträgt das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern nur 1,6 Prozent – womit sogar der „unbereinigte“ Pay Gap der niedrigste in der ganzen Europäischen Union ist.

Im Jahr 2018 belief sich das durchschnittliche Jahresbrutto-Vollzeitäquivalent eines Mannes auf 67.675 Euro, das einer Frau auf 62.829 Euro. Hier ist die Lücke mit 7,2 Prozent zwar schon etwa größer – aber stellt EU-weit immer noch nur das zweitkleinste Lohngefälle dar, nach Rumänien.

Das hat die Statistikbehörde Statec am Montag mitgeteilt – wobei das nur zwei von vielen Fakten sind, die sich über die Lohnungleichheit in Luxemburg feststellen lassen. Die Ungleichheit wurde aber bei Weitem nicht überall beinahe zum Verschwinden gebracht – und hat sich in einigen Bereichen sogar zuungunsten der Männer ausgebildet.

DOWNLOAD: Die komplette Untersuchung zum Gender-Pay-Gap finden Sie hier als PDF in französischer Sprache.

Zunächst ist aber festzustellen, dass in Luxemburg ohnehin nur relativ wenige Frauen überhaupt angestellt arbeiten: Sie stellen derzeit 38 Prozent aller Beschäftigten, während diese Quote EU-weit nahe der goldenen Mitte liegt, nämlich bei etwa 48 Prozent. Tatsächlich liegt die Quote bei den einheimischen Luxemburgerinnen auch genau da, nämlich bei 48 Prozent. Erst die ausländischen Einwohnerinnen ziehen ihn herunter (unter ihnen beträgt der Anteil nur 38 Prozent) und bei den Grenzgängern sind die Männer sogar mit 67 Prozent in der Mehrzahl.

 Grafik: Statec/Editpress (Übersetzung)

Auch ist die Aufteilung in Berufssparten weiterhin sehr auffällig: So sind 75 Prozent der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen Frauen, im Bildungswesen beträgt der Anteil 66 Prozent. Gering vertreten sind sie im Baugewerbe (8 Prozent), im Transportwesen (15 Prozent) und auch in der Industrie (17 Prozent).

Auch da, wo der Anteil von Frauen unterhalb von 50 Prozent liegt, ist er oft höher als im EU-Durchschnitt – etwa im Handel (42 Prozent), bei den unterstützenden Dienstleistungen (41 Prozent), aber auch im Finanzsektor (46 Prozent) und bei den spezialisierten, wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten (42 Prozent).

Elementare Jobs sind eher Männersache

Überdurchschnittlich hoch ist der Frauenanteil generell in den Angestelltenberufen („white collar“-Jobs), in der Mitte der Hierarchie, also etwa Verwaltungspositionen und Tätigkeiten mit direktem Kontakt zu Personen, oder in geistigen und wissenschaftlichen Berufen: In letzterem Bereich ist die Quote zum Beispiel seit 2010 von 41 auf 46 Prozent gestiegen. Erstaunlich: Unter den gelernten Arbeitern („skilled blue collars“), die etwa durch Handwerker vertreten werden, sind Frauen fast nicht vorhanden: Ihr Anteil beträgt hier gerade einmal 3 Prozent. Dabei sind sie bei den niedriger qualifizierten Berufen, zum Beispiel als Reinigungskräfte, wieder sehr überdurchschnittlich oft dabei: 17 Prozent aller Frauen sind in dieser Kategorie, aber nur 12 Prozent aller Männer.

Allerdings nimmt ihre Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ab: In der Untersuchung zu 2010 wurde festgestellt, dass die „elementaren Berufe“ noch genau zur Hälfte von Frauen ausgeübt werden. Für 2018 wurde ein Wert von 46 Prozent festgestellt. Hier stellen Männer mittlerweile also die Mehrheit in dieser Gruppe – die oft nur wenige Möglichkeiten zum Aufstieg bietet und die auch finanziell eher unattraktiv ist. Bei den Frauen sind viele ausländische Einwohnerinnen hier vertreten: Ein Drittel von ihnen arbeitet in diesem Bereich, beispielsweise als Reinigungskräfte.

Lesebeispiel: 16,6 Prozent der Frauen verdienen zwischen 20.000 und 30.000 Euro brutto pro Jahr
Lesebeispiel: 16,6 Prozent der Frauen verdienen zwischen 20.000 und 30.000 Euro brutto pro Jahr Grafik: Statec/Editpress (Übersetzung)

Auch am anderen Ende der Karriereleiter, wo noch altbekannte Verhältnisse zu herrschen scheinen, ändern sich die Dinge in Wirklichkeit aber auch – und zwar durchaus zügig: Waren 2010 unter den Direktoren und leitenden Angestellten nur 18 Prozent Frauen, so liegt ihr Anteil hier inzwischen bei 26 Prozent. Dies ist damit die Berufskategorie, in der der Frauenanteil am stärksten gestiegen ist.

Generell ist festzustellen: Frauen sind stärker in Berufen mit überwiegend intellektueller Ausrichtung konzentriert: So haben 81 Prozent von ihnen Angestelltenpositionen inne – aber nur 56 Prozent der Männer.

Es hat sich etwas getan in der Bildung

„Diese Entwicklungen sind die Folge eines tiefgreifenden Wandels im Bildungswesen“, sind die Autoren der Statec-Untersuchung überzeugt. Schließlich sei seit etwa 15 Jahren festzustellen, dass junge Frauen das Schulsystem mit höheren Qualifikationen abschließen als Männer. Dieses Phänomen werde dann auf dem Arbeitsmarkt noch verstärkt, da die Beschäftigungsquote bei den am meisten Qualifizierten höher ist.

Männer haben tendenziell mehr einfache oder sekundäre Bildungsabschlüsse – während Frauen im tertiären Bereich klar vorne liegen
Männer haben tendenziell mehr einfache oder sekundäre Bildungsabschlüsse – während Frauen im tertiären Bereich klar vorne liegen Foto: Statec/Editpress (Übersetzung)

Jedenfalls hatten 2018 volle 44 Prozent der erwerbstätigen Frauen einen Tertiär-Abschluss, im Vergleich aber nur 35 Prozent der Männer. Damit konnten die Frauen ihren Vorsprung in diesem Bereich weiter ausbauen: 2010 hatten noch 34 Prozent der Frauen einen tertiären Abschluss und nur 28 Prozent der Männer. Aufgrund des weiter höheren Anteils der Hochschulabsolventinnen, vor allem unter den jungen Frauen, dürfte diese Entwicklung sich auch noch fortsetzen, glaubt Statec.

Damit dürfte auch das Gehalt vieler Frauen weiter ansteigen – die in manchen Bereichen die Männer sogar längst hinter sich gelassen haben: Zwar sei das Durchschnittsgehalt von Männern höher als das von Frauen – dieser Wert wird in Luxemburg aber stark verzerrt durch einen kleinen Prozentsatz extrem hoher Löhne, die dann wieder häufiger von Männern erzielt werden. Aus diesem Grund werde allgemein der Medianwert bevorzugt, schreibt Statec – und der enthüllt dann zunächst Erstaunliches, nachdem der Medianlohn bereits 2010 höher war als der der Männer. 2018 verdienten 50 Prozent der Frauen mehr als 53.071 Euro – während 50 Prozent der Männer nur ein Gehalt von mehr als 47.937 Euro haben. Der Pay Gap beträgt also satte 10,7 Prozent – zugunsten der Frauen. 

Aber auch ein gegenteiliges Ungleichgewicht liegt vor: So ist es für Frauen auch viel wahrscheinlicher sehr niedrige Gehälter von weniger als 30.000 Euro pro Jahr zu erzielen. 

Frauen holen eigentlich überall auf

An den Spitzen der Hierarchien ist ebenfalls Schluss mit Ausgleich: Eine weibliche Führungskraft verdient im Durchschnitt 29 Prozent weniger als ein männlicher Manager.

Vielleicht wird sich aber hier noch etwas tun: Jetzt schon sei festzustellen, dass unter den höher qualifizierten Personen (Master/Bac+5) Frauen in höheren Altersstufen deutlich weniger verdienen als jeweils die Männer –während dieser Unterschied schrumpft, je jünger die Betrachteten sind. Es wird sich in den kommenden Jahren zeigen, ob die Männer mit fortschreitender Karriere einfach generell höhere Verdienste beanspruchen können – oder ob hier andere Generationen nachkommen, die sich nicht mehr so einfach abhängen lassen.

Traue keinem über 40: Jüngere Frauen verdienen in Luxemburg mehr als ihre männlichen Kollegen
Traue keinem über 40: Jüngere Frauen verdienen in Luxemburg mehr als ihre männlichen Kollegen Grafik: Statec/Editpress (Übersetzung)

Generell ist festzustellen: Das Schwellenalter, in dem der Durchschnittslohn von Männern den von Frauen übersteigt, verschiebt sich auf dem Zeitstrahl des Alters nach rechts. Betrug er 2010 noch 35 Jahre, so lag er 2018 bereits bei 40 Jahren. „Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzen wird“, folgert Statec auch für diesen Bereich.

Der Pay Gap ist in Luxemburg also definitiv noch vorhanden, aber er wird kleiner – durch „den allmählichen Anstieg des durchschnittlichen Bildungsniveaus von Frauen (über das der Männer), dessen Wirkung auf dem Arbeitsmarkt dadurch verstärkt wird, dass Frauen mit höherer Qualifikation tendenziell aktiver bleiben“ – und weil in den „elementarsten“ Berufen der Anteil der Frauen weiter zurückgeht.