Luxemburg Art Week: Die Kunst der politischen Korrektheit

Luxemburg Art Week: Die Kunst der politischen Korrektheit

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Nachdem Alex Reding die Luxembourg Art Week ins Leben rief, kann er mittlerweile schon die vierte Auflage feiern. Noch größer und besser besucht entwickelt sich das Ereignis langsam, aber sicher zu einem unumgänglichen Rendezvous für alle Kunstliebhaber. Neben einer großen Auswahl an Kunstfabrikaten bietet das Geschehen weitere willkommene Überraschungen.

Von Christian Schaack (Text und Fotos)

So kann sich jeder bereits am Eingang die anspruchsvolle Casino-Ausstellung „Class Trip“ anschauen. Dank gutem Szenarium sowie kritischem Blick hinterfragt die von Casey Detrow kuratierte Show die populären Hypes Picknick und Safari mitsamt deren kolonialistischen oder gesellschaftlichen Aspekten.

Etwas weiter tut sich dann der eigentliche Showroom mit den vielen Kunstwerken auf. Der sogenannte Positions-Teil begreift insgesamt 32 anerkannte in- und ausländische Galerien, wo hingegen der Take-off-Teil sich eher aus 19 Künstlerkollektiven/-galerien oder Vereinen zusammensetzt.

Dabei fällt auf, dass die dargebotene Kunst im Allgemeinen politisch sehr korrekt verharrt. Es gibt kaum kritische Aussagen, aufwühlende Kunst, provokative Statements oder politisch engagierte Werke.

Durchgehend wird anhand von qualitativ gepflegten Formen der Geschmack des Besuchers sondiert. Konzeptuelle Kunst bleibt eher nischenhaft verteilt, wogegen technische Fingerfertigkeiten allgegenwärtig auftrumpfen. Mitreißende vielschichtige Manifeste sind schlussendlich Mangelware.

Da es sich um eine Messe handelt, geht es verständlicherweise hauptsächlich um verkaufbare Kunst. Doch in Zeiten von heranpreschenden rechtsextremen Bewegungen, von Fake-News-Kampfansagen oder bedrohlichen Alternativfakten wäre engagierte Kunst definitiv ein Mehr. Auch auf einer Messe!

So stechen besonders die Werke eines Mounir Fatmi (Ceysson et Bénétière), Anton Kannemeyer (Ernst Hilger) und Feipel und Bechameil (Zidoun et Bossuyt) sowie die Schießstandarbeit eines Roger Wagner (Valerius Art Gallery) hervor.

Daneben wartet der Stand des CNA mit einem ansprechenden Angebot auf. Besonders die Fotobücher „Hit Me One More Time“ (Patrick Galbats, Peperoni Books) und „Thirty-six Views of Mount Fuji“ (Raoul Ries, Hatje Kantz) sind auf jeden Fall einen Kauf wert.

Erwähnenswert sind des Weiteren die drei Konferenzen zu durchwegs ansprechenden Themen (Georgina Adam: „Le marché de l’art en surchauffe“, Enrico Lunghi: „20 ans d’art contemporain à Luxembourg: défis et limites“ und Suzanne Cotter/Emma Lavigne: „Le musée à l’époque contemporaine“), welche dem interessierten Geist intellektuelle Kost bieten.

Enrico Lunghi und die Kunst des Selbstlobs

Enrico Lunghi geht dabei auf die Anfangsgeschichte des „Casino – Forum d’art contemporain – ein, indem er besonders detailliert die Manifesta 2 von 1998 analysiert. Letztere erscheint dabei als ein resolut internationales Ereignis, welches den gepflegten Worten des Redners nach bis heute als die überzeugendste aller Manifesta gilt. Überhaupt überhäuft sich Lunghi immer wieder mit Selbstlob – ohne jedoch sein Team oder die damalige Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges zu vergessen.

Obschon diese penetrante Selbstgefälligkeit als angebracht erscheint, fehlt im Vortrag jede Spur eines selbstkritischen Rückblicks. Ebenso gehen die Verdienste einer Marie-Claude Beaud in Bezug auf zeitgenössische Kunst hierzulande überraschenderweise völlig leer aus. Ausgiebig betont wird jedoch die Tatsache, dass mit Künstlern wie Maurizio Cattelan, Pierre Huyghe, Michel Majerus und Tobias Rehberger spätere internationale Schwergewichte bereits damals zu Ausstellungsehren kamen.

Unverständlich erscheint dem Redner auch die Tatsache, dass alle Werke der Manifesta 2 für weniger als 500.000 Euro zu kaufen waren – ein Schnäppchen, welches sich jede öffentliche Institution entgehen ließ. Allein die hervorragende Skulptur Cattelans kostete nur 15.000 Euro – und trotzdem griff niemand zu.

Zudem war jedes Werk eigens für die Veranstaltung angefertigt worden, eine Tatsache, die bis heute einzigartig verbleibt. Dem Referent erscheint auch die enttäuschende Zahl von insgesamt 10.000 Besuchern als ein weiterer Beleg für den ausgeprägt avantgardistischen Charakter der Show.

Besonders die lokalen Künstler waren dem Event eher feindlich gesinnt: Sie standen in der Tat im Schatten von weitaus radikaleren Kunstwerken mit internationalem Flair. Bei diesem Wagnis sei auch den Künstlern aus den ehemaligen Ostblocknationen ein einmaliger Rangwert zugemessen worden. Vielen wurde so eine internationale Anerkennung gegeben, auf die Lunghi immer noch sehr stolz ist.

Interessant, aber lückenhaft

Quer durch seinen Vortrag werden weiterhin brandheiße Themen wie die Selbstzensur auf Museumsebene, steigender Moralapostelanklang, politische Entscheidungsfeigheit leider nur angedeutet.

Mehrmals übt der Referent auch angebrachte Kritik an den politischen Führungskräften unseres Landes. Des Weiteren beleuchtet Lunghi auch die Skandale, die einzelne Werke auslösten – so zum Beispiel die Lady Rosa of Luxembourg alias die „Gëlle Fra 2“. Abschließend bleibt noch zu bemerken, dass leider kein Wort über zukünftige Herausforderungen fiel und dass die heutige lokale Kunstszene, inklusive Nachwuchskünstler, nicht erwähnt wurde. So blieb der durchaus interessante Vortrag nur allzu sehr vergangenen Casino-Ausstellungen mit hauptsächlich internationalen Namen gewidmet. Seine eigene Arbeit als Mudam-Direktor übergeht der Redner ganz und eine potenziell hochinteressante Bestandsaufnahme unserer heutigen Situation verbleibt ebenfalls lückenhaft.

Erwähnenswert ist auch noch die Tatsache, dass der „Salon du CAL“ der Art Week den zahlreichen Kunstamateuren ein ergänzendes Angebot bietet. Dieses Doppelpack gestaltet sich tatsächlich langsam, aber sicher zu einer wahren Größe mit großen Waren.