FR.A.RT (49)Lucie Majerus, 1992, Howald

FR.A.RT (49) / Lucie Majerus, 1992, Howald
Lucie Majerus Foto: Editpress/Anouk Flesch

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Lucie Majerus ist freischaffende Produktdesignerin. „In Luxemburg versteht niemand, was ich mache“, sagt sie. In der Tat ist ihr Beruf sowohl konzeptuell als auch technisch, vielfältig und kreativ – doch als Künstlerin versteht sich die junge Luxemburgerin nicht. Nach der Kunstsektion in der Sekundarschule studierte Majerus Produktdesign an der renommierten Designakademie in Eindhoven. Anschließend erlaubte ein Atelierplatz im „Hariko“ in Bonneweg ihr, in der hiesigen Kunstszene Fuß zu fassen. Momentan arbeitet sie nebenbei als Kulturvermittlerin im hauptstädtischen „Casino“.

Tageblatt: Beschreiben Sie sich in drei Wörtern.

Lucie Majerus: Aufgeschlossen, verrückt und optimistisch.

Worum geht es beim Produktdesign?

Es geht um die Funktion, auch wenn es nur eine dekorative ist, und nicht nur um die Geschichte, die man erzählt. Das Produkt kann alles sein – sogar eine Erfahrung. In Holland wurden wir sehr konzeptuell ausgebildet. Oft wurde uns gesagt, als Designer könnten wir die Welt retten, weil wir in Systemen denken und so auf neue Ideen kommen. Aber nein – das können wir nicht. Trotzdem kann ich mein Wissen, meine Technik und meine Herangehensweise an vieles anpassen. Ich habe an der Uni viele Techniken gelernt, die mich faszinieren – Siebdruck, Holz, Textil, Plastik, Keramik … Für mein „Human Ivory“-Projekt, bei dem ich Schmuck aus Weisheitszähnen mache, habe ich sogar Kurse bei einem Steinschleifer und einer Schmuckdesignerin genommen. 

Welche Rolle spielt Ökologie in Ihrer Arbeit?

Sie ist eine Voraussetzung. Natürlich habe ich mein Studium im Produktdesign hinterfragt, weil man ja eigentlich nichts produzieren sollte. Andererseits leben wir in einer Kultur, in der wir Sachen benutzen und brauchen. In meinen Projekten versuche ich herauszufinden, welche alternativen Materialien ich benutzen kann. Wichtig ist mir auch der emotionale Wert von Objekten oder Materialien. In nächster Zeit arbeite ich beispielsweise mit alten CFL-Zuggardinen, ein Stoff, das jede*r wiedererkennt. Die Produktion sollte nachverfolgbar sein, die Kund*innen sollten wissen, wo und von wem das Produkt hergestellt wurde. Zwar kann ich nicht entscheiden, wie die Menschen mit meinen Objekten umgehen werden. Dadurch, dass ich einen gewissen Preis frage, sind die Menschen sich dieses Wertes vielleicht eher bewusst.

Mit welchem/welcher Künstler*in würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten?

Mit der Textildesignerin Donna Wilson, bei der ich fast ein Praktikum gemacht hätte. Ihre farbigen Designs werden in Schottland produziert.

Welchen Teil des Kunstschaffens gefällt Ihnen am wenigsten?

Erstens versteht hier niemand, was ich beruflich mache, weil es relativ konzeptuell ist. Ich habe Produktdesign studiert, entwerfe aber auch Bühnenbilder und Kostüme. Obwohl ich für meine Arbeiten viel recherchiere und auch Geschichten erzähle, mache ich keine Kunst. Das ist schwierig zu verstehen. In den Niederlanden weiß jeder, was Dutch Design ist. Zweitens muss ich um jeden Cent verhandeln. Ich habe meinen Tarif, doch es ist schwierig, den zu rechtfertigen. Ich habe mittlerweile viel Erfahrung, muss meine Produktionskosten
und Steuern mit einrechnen.

Wie erfahren Sie die Kunstszene als Frau?

An der Uni gab es mehr Frauen als Männer, obwohl man vielleicht denken könnte, das sei in technischen Workshops umgekehrt. Manche Menschen reagieren erstaunt, wenn ich sage, dass ich im Holz arbeite und schweißen kann. Für viele Designerinnen, die ich kenne, ist es finanziell nicht einfach. Die meisten arbeiten nebenbei.

Was würden Sie sich für die luxemburgische Kunstszene wünschen?

Mittlerweile kann ich nicht mehr alles selbst ausführen. Ich lasse den Siebdruck und einige Näharbeiten von anderen Ateliers machen, doch für viele Techniken gibt es hier kein Angebot. Ich will die Textilindustrie nach Luxemburg zurückbringen, damit wir alles selbst machen können. Insgesamt fehlt der Makerspace, den es in vielen Großstädten gibt. Ich wünsche mir einen Ort, an dem es verschiedene Materialien und Maschinen gibt, die jede*r nutzen kann. Doch die Grundstücke sind zu teuer und das Mindset fehlt.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Dann will ich selbstständig sein. Mein Traum ist es, ein Designinstitut in Luxemburg aufzumachen, für das ich halbzeits die künstlerische Leitung übernehmen würde. Denn Design ist Teil des Lebens: Alles, was wir nutzen, sehen oder tragen, wurde entworfen. Design heißt nicht unbedingt, dass es unbezahlbarer Luxus ist. In Luxemburg fehlt es noch an Bewusstsein und Wertschätzung dafür.

Welche luxemburgische Künstlerin empfehlen Sie?

Die Designerin Mado Klümper.

 Foto: Editpress/Anouk Flesch
 Foto: Editpress/Anouk Flesch
 Foto: Editpress/Anouk Flesch
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