Liberale Muslime werden von einer EU-finanzierten Studie als „islamophob“ bezeichnet

Liberale Muslime werden von einer EU-finanzierten Studie als „islamophob“ bezeichnet
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Der „European Islamophobia Report 2018“ stellt nicht nur echte Islamhasser an den Pranger, sondern vor allem auch liberale Muslime. Obwohl von einer Erdogan- nahen türkischen Denkfabrik herausgegeben, wird der Report von der EU finanziert.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer

Den Cover des Reports zieren drei Innenminister, von denen zwei inzwischen nicht mehr im Amt sind: Neben Horst Seehofer stehen da Herbert Kickl (Österreich, FPÖ) und Matteo Salvini (Italien, Lega). Dem CSU-Politiker werden seine migrationspolitischen Auseinandersetzungen mit Kanzlerin Angela Merkel und sein Kommentar zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern vorgehalten: „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden.“

Der Spruch wurde zu Recht als zynisch kritisiert. Ob er als Beleg für „Islamophobie“ taugt, ist fraglich. Gleichwohl kommt der Report zu dem Schluss: „Insgesamt betrachtet dieser Bericht Minister Seehofer als einen der Hauptinitiatoren der Islamophobie.“ Er befindet sich damit in guter und schlechter Gesellschaft – auf ganzen 848 Seiten werden fundierte Kritiker fundamentalistischer Islam-Strömungen und sogar Muslime in einen Topf mit „Moslems raus“-Parolen schmierenden Extremisten geworfen.

Der Co-Herausgeber und Junckers „Trunkenheit“

Der Wiener Politologin Nina Scholz etwa wird das Islamophobie-Kainsmal aufgedrückt, weil sie das in Volksschulen geltende Kopftuchverbot verteidigt hat. Auch ihre Teilnahme an einer Diskussion zum Thema „Einfluss des politischen Islam“ gilt als Islamophobie-Beweis. Die Autorin hat gemeinsam mit dem ebenfalls im Report gelisteten Islamismusexperten Heiko Heinisch das Buch „Alles für Allah – Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“ veröffentlicht.

Dass sie sich für verfolgte Muslime, wie den wegen seiner Forderung nach Gleichberechtigung der Religionen seit 2002 in Saudi-Arabien inhaftierten Raif Badawi einsetzt, wird im Islamophobie-Urteil nicht etwa als mildernder Umstand erwähnt.

Der vom Politologen Farid Hafez von der Universität Salzburg gemeinsam mit Enes Bayrakli vom türkischen SETA-Institut herausgegebene Report entdeckt Islamophobie selbst dort, wo sie niemand vermutet: bei Muslimen! So ist die einen säkularen Islam predigende Berliner Frauenrechtlerin und Imamin Seyran Ates als eine der „zentralen Figuren im islamophoben Netzwerk“ gelistet. Ebenso der wegen seines Plädoyers für einen aufgeklärten Islam von Fundis angefeindete Theologe Mouhanad Khorchide von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.

Das ist so, als bezichtigte man Juden, die ultraorthodoxe Glaubensbrüder kritisieren, des Antisemitismus. Hafez steht dazu: „Ates verbreitet abstruse islamophobe Verschwörungstheorien“, sagt der „Islamophobieforscher“ zum Tageblatt. Tatsächlich wird Ates nicht müde, vor dem politischen Islam zu warnen. Viele Morddrohungen und tätliche Übergriffe, die ihr ein Leben unter Polizeischutz bescherten, könnten Indiz für die Plausibilität ihrer Warnungen sein.

Grenzen zwischen Kritik und „Phobie“ werden verwischt

Auffallend: Der wissenschaftlich sein wollende Report nennt seriöse Kritik am politischen Islam in einem Atemzug mit Rechtsextremisten und sonstigen Hasspredigern. Der (gewünschte?) Effekt: Berechtigte Kritik wird durch Kontextualisierung mit rassistischen Vorfällen, die es unbestritten in großer Zahl gibt, als „islamophob“ neutralisiert – übrigens ein beliebter Kniff des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan: Kritik an ihm brandmarkt er als „islamfeindlich“, gerne garniert mit einem Holocaust-Vergleich.

Dass dieses Ansinnen im Report zwischen den Zeilen durchklingt, sollte nicht verwundern. Auftraggeber ist das SETA-Institut, das als Erdogan-nahe gilt, was Hafez bestreitet: „Der Bericht wird von keiner Erdogan-nahen Stiftung herausgegeben, SETA ist ein unparteilicher Thinktank, ich habe volle Handlungsfreiheit als Herausgeber.“ Die türkische Denkfabrik, die auch Ableger in Washington, Kairo, Brüssel und Berlin hat, tarnt die Unparteilichkeit allerdings gut: Ihr Direktor Burhanettin Duran ist in diesen Tagen intensiv damit beschäftigt, in vielen Tweets die „dank der diplomatischen Fähigkeiten von Präsident Erdogan eingeleitete Operation Friedensquelle“ zu bejubeln, Kritikern der türkischen Syrien-Offensive einen „Propagandakrieg gegen Erdogan“ vorzuwerfen und mit mäßig wissenschaftlichen Parolen wie „Möge Allah unseren Soldaten helfen“ zu begleiten. Gefallen wird Duran, dass der Report mit Kopftuchkritikern so hart ins Gericht geht. 2015 hatte der Politologe unter Protest die Istanbuler Sehir-Universität verlassen, weil der neue Rektor Ali Atif Bir unter anderem das früher in der Türkei geltende Kopftuchverbot verteidigt hatte.

„Der Großteil von der EU finanziert“

Co-Herausgeber Bayrakli quittierte Kritik des EU-Kommissionspräsidenten an der türkischen Offensive mit diesem Tweet: „In seiner ‚unübertroffenen Weisheit‘ oder besser ‚Trunkenheit‘ droht Jean-Claude Juncker, türkische Sicherheitszonenpläne nicht finanziell zu unterstützen.“

Bleibt noch die Frage, wer den Report finanziert. Erdogans AK-Partei? Nein, die EU zahlt. Wie viel Geld aus Brüssel in das Projekt fließt, kann Hafez nicht beziffern, aber „jedenfalls wird der Großteil von der EU finanziert“. Der österreichische Europaabgeordnete Lukas Mandl (ÖVP) will das jetzt genau wissen und hat eine entsprechende Anfrage an die EU-Kommission geschickt. Die Antwort steht noch aus.

BillieTH
23. Oktober 2019 - 15.58

et là on est étonné à Bruxelles (et à Steinfort) que le discours de l'union européene est devenue complètement incrédible et infiable en matière de migration.

Nomi
23. Oktober 2019 - 14.47

""Obwohl von einer Erdogan- nahen türkischen Denkfabrik herausgegeben, wird der Report von der EU finanziert."" Daat ass dach de wierklechen Skandal un der Etude !