Bezirksgericht DiekirchLausdorn-Prozess: Experte kritisiert Mangel an Kommunikation bei Verfolgungsjagd

Bezirksgericht Diekirch / Lausdorn-Prozess: Experte kritisiert Mangel an Kommunikation bei Verfolgungsjagd
Die Wucht des Aufpralls war fatal. Der Fahrer des Streifenwagens sollte seine schweren Kopfverletzungen nicht überleben. Foto: Police Lëtzebuerg

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Ein Mangel an Kommunikation soll zum tragischen Unfall in Lausdorn geführt haben, bei dem im April 2018 ein Polizist ums Leben kam. So lautet zumindest das Fazit des Ermittlers der Polizeiinspektion am Montag zum Auftakt des Prozesses am Bezirksgericht Diekirch. Keinen Hehl macht der Experte zudem aus seiner persönlichen Auffassung, dass Verfolgungsjagden in der Ausbildung der Beamten viel zu kurz kämen.

Kurz nach Mitternacht postieren sich in der Nacht zum 14. April 2018 vier Polizeieinheiten aus Wiltz, Diekirch und Ulflingen in Weiswampach. Unterstützt werden sie u.a. von einer Hundestaffel der „Unité de garde et de réserve“ und vier Polizeischülern, die in der Region ihr Praktikum verrichten. Ziel ist es eigentlich, nach Abschluss einer Tanzveranstaltung in der Nähe nach Drogen zu fahnden. Doch bis zur Sperrstunde sind es noch einige Stunden, weshalb sich die Einsatzleitung dafür entscheidet, die Zeit mit einer Fahrzeugkontrolle entlang der N7 zu überbrücken.

Die Stelle, an der die Einheiten stehen, ist ideal. Das wird der Ermittler der „Inspection générale de la police“ (IGP) vor Gericht aussagen. Sie ist gut beleuchtet, weithin sichtbar und bietet ausreichend Platz, um Fahrzeuge sicher rauswinken zu können. Bis 1.50 Uhr verläuft alles nach Plan. Dann aber bremst ein Wagen knapp hundert Meter vor der Kontrolle abrupt ab. Ein Rekrut hebt seine Kelle und winkt den Fahrer heran. Doch dieser ignoriert das Signal und setzt zum Wendemanöver an.

Vor Gericht bestätigen mehrere Zeugen, darunter auch der Beifahrer des Fluchtwagens, dass das Haltesignal gut erkennbar gewesen sei. Dass der Fahrer sogar den Blinker betätigt habe und mit hoher Geschwindigkeit davongerast sei. Fünf Polizisten nehmen die Verfolgung auf: zwei Beamte in einem Streifenwagen, drei weitere Ordnungshüter in einem Polizeitransporter. Über die N7 geht es in Richtung belgische Grenze. Dem Flüchtigen gelingt es, Abstand zu den Verfolgern herauszufahren und seinen Wagen kurz hinter einer Tankstelle in einem Seitenweg zu verstecken. Dort sehen die beiden Insassen Blaulicht vorbeirasen. Sie warten ab, während die Polizisten weiter in Richtung Lausdorn fahren.

Aus den Aussagen beteiligter Beamten und ermittelnder Experten geht hervor, dass der Streifenwagen etwas Vorsprung auf den Transporter hatte. In Lausdorn wollen die Beamten ein vorausfahrendes Fahrzeug kontrollieren. Es stellt sich jedoch heraus, dass es sich um Unbeteiligte handelt. Der Streifenwagen fährt rechts ran und setzt zum Wendemanöver an. Dabei wird das Fahrzeug vom heraneilenden Transporter erfasst. Die Wucht des Aufpralls ist fatal, wie eine Gerichtsmedizinerin vor Gericht aussagt. Der Fahrer des Streifenwagens, ein 39-jähriger Polizist, erleidet derart schwere Verletzungen, dass jegliche Hilfe zu spät kommt. Er stirbt noch an der Unfallstelle. Seine Beifahrerin wird lebensgefährlich verletzt.

Fahrlässige Tötung vs. Trunkenheit am Steuer

Zwei Personen müssen sich nun in Diekirch vor Gericht verantworten: der Fahrer des Polizeitransporters und der Fahrer des Fluchtwagens. Dem Beamten wird fahrlässige Tötung und Körperverletzung vorgeworfen, während sich der flüchtige Fahrer „nur“ wegen Trunkenheit am Steuer erklären muss. Schwerwiegendere Vorwürfe waren im Vorfeld bereits von den zuständigen Ratskammern fallen gelassen worden.

Zum Auftakt des Prozesses waren am Montag zunächst Experten, Ermittler und Zeugen vorgeladen – darunter der Beifahrer im Fluchtwagen und ein Insasse des Polizeitransporters, der beim Unfall schwer verletzt wurde. Trotz des hohen Tempos habe er zu keinem Moment der Verfolgungsjagd eine Gefahr verspürt, so der Beamte. Die genaue Geschwindigkeit habe er aus seiner Perspektive auf der Rückbank aber nicht einschätzen können. Seiner Einschätzung zufolge seien auf beiden Seiten Fehler passiert: „Der eine Fahrer hat nicht in den Rückspiegel geschaut und der andere Fahrer war zu schnell unterwegs. Es war die Summe beider Fehler, die zum Unfall geführt hat“, so der Polizist.

Ähnlich sieht es auch der Ermittler der IGP, der von einem Mangel an Kommunikation sprach. In der Regel sei es der Beifahrer, der im Streifenwagen diesen Part übernehmen soll. Bei Verfolgungsjagden liefen Fahrer nämlich schnell Gefahr, vom sogenannten Tunnelblick überrumpelt zu werden. Es sei jedoch mehr als wahrscheinlich, dass in dieser Nacht ein Mangel an Kommunikation zur Tragödie geführt habe.

Keinen Hehl machte der Experte zudem aus seiner persönlichen Auffassung, dass Verfolgungsjagden bei der Ausbildung der Beamten viel zu kurz kämen. Diesbezügliche Anweisungen seien zum letzten Mal in einer Broschüre im Jahr 2008 thematisiert worden. Es fehle an offiziellen Richtlinien, was die Generalinspektion der Polizei schon mehrmals bemängelt habe. Es sei jedoch nichts passiert. „Bis heute fehlt es an einer ordentlichen Vorgehensweise“, so der Ermittler.

„Zu viel getrunken“

Zur Sprache kam am Montag auch ein toxikologischer Experte des Staatslabors. Zeitnahe konnte beim flüchtigen Fahrer keine Blutprobe entnommen werden. Deswegen mussten sich die Ermittler auf Aussagen von Zeugen und Rechnungen aus den Gaststätten verlassen. Demnach muss der Angeklagte zum Zeitpunkt des Unfalls ein erhöhter Blutalkoholspiegel von mindestens 0,57 Gramm pro Liter gehabt haben, womit der erlaubte Wert übertroffen gewesen sei.

Dies bestätigte auch der Beifahrer, der den ganzen Abend mit dem Angeklagten verbracht hatte. Betrunken habe dieser nicht direkt gewirkt. „Vom gesetzlichen Standpunkt her hatte er aber zu viel getrunken“, gab der Zeuge zu Protokoll. Er sei sich auch sicher, dass sein Bekannter das Haltezeichen der Polizei gesehen habe.

Der Prozess wird am Donnerstag unter anderem mit den Aussagen der beiden Angeklagten fortgesetzt.