Esch2022Lauschend durch die Stadt: Bei drei „Soundwalks“ kann man Esch entdecken

Esch2022 / Lauschend durch die Stadt: Bei drei „Soundwalks“ kann man Esch entdecken
Der Schweizer Klangkünstler Andres Bosshard und David Glod. Glod ist stellvertretender Direktor der Umweltverwaltung, die sich für das Projekt verantwortlich zeigt. Foto: Editpress/Alain Rischard

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„Soundwalks“ nennen sich Spaziergänge, in denen der Schwerpunkt auf dem Hören der Umgebung liegt. Drei solcher Spaziergänge in Esch sind unter dem Titel „Walking, listening and recomposing everyday Sounds of Esch“ Bestandteil des Kulturjahres. 

Ohren auf: Der gebürtige Norweger Trond Maag und der Schweizer Andres Bosshard empfangen ihre Besucher am Montagnachmittag in der Nähe der Bushaltestelle gegenüber der „Rockhal“ auf Belval. Bosshard hat zwei Pylonen dabei. Der Klangkünstler hält sie sich an die Ohren und dreht sich langsam im Kreis, immer eine Viertel-Umdrehung weiter. Die Gruppe soll es ihm nachmachen. Und in der Tat, das Resultat ist eindrucksvoll. Man hört in jeder Position etwas völlig anderes. Einmal die Baustelle, einmal den wartenden Bus, einmal das Café auf der anderen Straßenseite, einmal die vorbeigehenden Passanten. Das, obwohl man sich keinen Zentimeter bewegt, sondern lediglich einmal um die eigene Achse gedreht hat. 

Trond Maag
Trond Maag Foto: Editpress/Alain Rischard

Bosshard ist sich nach dieser spielerischen Einleitung der Aufmerksamkeit der Gruppe sicher. Das Publikum weiß jetzt, um was es beim E22-Projekt geht. Maag, ein Klangurbanist, macht anhand der Bodenpflasterung auf dem Weg deutlich, wie die Gegebenheiten das Hören beeinflussen. Der Bodenbelag auf Belval spielt eine große Rolle. „Das Pflaster kann man als Vinylplatte verstehen“, sagt er, „und du bist die Nadel des Plattenspielers.“ Will heißen: Man muss die Geräuschkulisse bewusst wahrnehmen, sich auf das Hören konzentrieren. Erst dann wird man sich auch seiner Umwelt richtig bewusst. Und wenn man dann darüber redet, bekommen Geräusche plötzlich eine ganz andere Bedeutung. 

Auf Belval sind die Geräusche oft mit Krach verbunden. An der Place de l’Académie merkt man das besonders. Neben der Großbaustelle der neuen Hochhäuser begann am Montag der Aufbau der Bühne für das LOA-Festival am kommenden Wochenende. Die Lärmkulisse ist unangenehm, zudem dröhnt ein Flugzeug über das Viertel hinweg.

Bewegt man sich aber nur wenige Meter bergauf in Richtung „Square Mile“, ist die akustische Wahrnehmung eine ganz andere. Es wird ruhiger, das Flugzeug ist weg, von den Bauarbeiten hört man so gut wie nichts mehr. Dafür treten die Geräusche der Kraftfahrzeuge in den Vordergrund. Die Architektur beeinflusst die Wahrnehmung dabei ganz gewaltig. Das erfährt die Gruppe an der Bushaltestelle „Porte des Sciences“. Die Fassaden des Universitätshauptgebäudes und der „Maison des scienes humaines“ verstärken in der engen Passage den Lärm der Autobusse erheblich. So stark, dass eine Unterhaltung kaum möglich ist. Bosshard und Maag zeigen auf die hier wartenden Passagiere. Niemand unterhält sich, wenn ein Bus vorbeifährt. Kein guter Ort für Menschen demnach. Nur ein Beispiel, wie die Akustik des öffentlichen Raums die Lebensqualität der Menschen beeinflussen kann.

Das Bewusstsein hierfür zu schärfen, ist Andres Bosshards und Trond Maags Ziel. Ihr Esch2022-Projekt umfasst drei Klangwege. Einer auf Belval („Fading Thunders of Belval“) und zwei im Zentrum von Esch („City Stories for the Ear“ und „Memories of the Blue Noise“). Letztere haben das Wasser und die Gärten zum Thema. Es gibt Führungen, in erster Linie ist der „Soundwalk“  aber eine Selbsterfahrung. Informationen gibt es auf https://urbanidentity.info/soundexperienceesch/. Dort können auch die Routen downgeloadet und ein Feedback abgegeben werden.  

Ein paar Meter Spaziergang genügen, und die Wahrnehmung der Geräusche ist eine ganz andere
Ein paar Meter Spaziergang genügen, und die Wahrnehmung der Geräusche ist eine ganz andere Foto: Editpress/Alain Rischard