/ Landwirtschaft 2.0 in Luxemburg
Gesunde Hühner, die genügend Platz haben, grunzende Schweine und glückliche Ziegen. Daneben eine Lagerhalle, in der neben den Heuballen kleine Spieltraktoren geparkt sind. Mehrere Dorfbewohner, die beim Naturata-Laden, der im Hof integriert ist, ihren Wocheneinkauf erledigen. All das sieht man, wenn man über den „Kass-Haff“ in Rollingen spaziert. Und das ist auch ausdrücklich erwünscht: Für Besucher ist der Hof nämlich täglich geöffnet.
„Egal, ob eine Mutter mit Kinderwagen über den Hof geht und ihrem Kind die Tiere zeigt, oder ob eine Schulklasse kommt, um den Arbeitsalltag am Hof mitzuerleben: Unser Ziel ist es, so viele Menschen wie möglich hier zu haben, damit sie sich mit unserer Idee verbinden können“, erzählt Tom Kass. Etwas außerhalb des Dorfes hat er mit seiner Frau Anja Staudenmayer den gemeinsamen Traum einer biodynamischen Farm verwirklicht. Der Hof ist ein Vorzeigebeispiel für andere Landwirtschaftsbetriebe. Dafür wurden Tom und Anja am vergangenen Mittwoch auch mit dem diesjährigen „Präis Hëllef fir d’Natur“ ausgezeichnet.
Biodynamischer Bauernhof
Die Idee, biodynamische Landwirtschaft zu betreiben, kam den beiden während der Studienzeit. Sie studierten Allgemeine Agrarwissenschaften. Zu der Zeit, zwischen 1992 und 1999, wurde an Universitäten erstmals über Biolandwirtschaft gesprochen. Bei diversen Praktika und Besichtigungen biodynamischer Bauernhöfe im Ausland kamen beide näher mit der Thematik in Kontakt. Der Hof von Toms Vater, der damals noch wie ein herkömmlicher Bauernhof funktionierte, bot die Grundlage, um das Gelernte und Erlebte auch in Luxemburg umzusetzen.
„Wir haben den Hof übernommen, unter der Bedingung, ihn als Biobauernhof weiterzuführen“, erinnert sich Tom. „Eigentlich wollten wir den alten Hof auch behalten, wir bemerkten
jedoch schnell, dass dieser in mancher Hinsicht den Richtlinien eines Biobauernhofes nicht gerecht werden konnte. Hauptsächlich fehlte es an Platz.“
Biodynamische Landwirtschaft
Die biodynamische Landwirtschaft ist eine weltweite Bewegung. Deren Grundlage ist der „landwirtschaftliche Kurs“ von Rudolf Steiner, eine Sammlung mehrerer Vorträge, die Steiner in der Pfingstwoche 1924 in Koberwitz gehalten hat. Damals bemerkten die Gutsherren erste negative Auswirkungen chemischer Zusätze auf die Qualität ihrer Produkte.
Das Ideal der biodynamischen Wirtschaftsweise ist die Kreislaufwirtschaft: Der Landwirt hält so viele Tiere, wie er mit seinem Land ernähren kann. Deren Mist, der speziell mit Wasser und verschiedenen Heilpflanzen angemischt wird, sorgt dann für eine hohe Bodenfruchtbarkeit, die Lebensmittel für den Menschen hervorbringt. Zusätzlich wird auch mit im Wasser aufgelösten Quarz-Kristallen gearbeitet. Chemische Pestizide und Dünger sind tabu. „Wenn etwas mit Wasser angerührt wird, nennt man das ’dynamisieren‘, deshalb auch der Begriff ’biodynamisch‘“, erklärt Tom Kass.
Tom und Anja beschlossen, den alten Hof und das dahinter liegende Bauland zu verkaufen. Das Geld nahmen sie als Grundlage für den jetzigen „Kass-Haff“, in den sie im September 2013 eingezogen sind. Der neue Hof unterscheidet sich in vielerlei Art von herkömmlichen Bauernhöfen. So auch in seiner Rechtsform. Es handelt sich beim „Kass-Haff“ nämlich nicht um ein Privatunternehmen, sondern um eine Sàrl. Diese gehört zu 30 Prozent Tom, zu 30 Prozent Anja und zu 30 Prozent der Oikopolis-Gruppe, zu der auch die landwirtschaftliche Genossenschaft BioG und die Bio-Laden-Kette Naturata zählen. Die restlichen zehn Prozent teilen sich unter 23 Aktien-Teilhabern auf. Dabei handelt es sich um Privatunternehmen, die den Biohof unterstützen möchten. „Das Projekt würde es so nicht geben, wenn nicht so viele Menschen mithelfen würden“, erklärt Tom Kass gegenüber dem Tageblatt.
Pädagogische Komponente
Die pädagogische Komponente ist neben der Lebensmittelproduktion eine der Hauptaufgaben des „Kass-Haff“. „2003 erhielten wir eine Anfrage vom ‚Haus vun der Natur‘, ob wir Kindergartenklassen bei uns empfangen würden. Heute kommen ungefähr 300 Gruppen im Jahr zu uns“, schildert Tom die enorme Entwicklung. Das sind um die 6.000 Kinder im Jahr. Die meisten davon sind immer noch Kindergartenklassen. Eine davon wird sogar seit 2013 in einem Klassensaal auf dem Hof unterrichtet. Die Kinder helfen bei den alltäglichen Aufgaben, lernen
die Arbeit auf dem Hof kennen und sehen, wo ihr Essen herkommt.
Es kommen auch ältere Schüler, die sich mit Themen wie „artgerechte Tierhaltung“ oder „ökologische Landwirtschaft“ auseinandersetzen. Nicht nur Kinder werden in den Hof mit eingebunden. Auch Erwachsene können sich hier in angenehmer Atmosphäre treffen. Regelmäßig wird Yoga und „Pilates um Haff“ angeboten.
Insgesamt befinden sich auf dem 100 Hektar großen Hof 100 Rinder, zehn Säue, 200 Hühner ein paar Pferde und Ziegen. Der „Kass-Haff“ produziert eigenständig 30 Produkte, die teilweise in der hofeigenen Käserei hergestellt werden und alle im Naturata-Laden gleich neben dem Hühnerstall verkauft werden. Ein kürzerer Transportweg für Lebensmittel ist wohl kaum möglich.
Von Melody Hansen
- Petinger Gemeinderat lehnt Motion bezüglich Polizistenrückkehr ab - 28. März 2024.
- 24-Stunden-Staffellauf gegen den Krebs - 25. März 2024.
- So verfolgten die Fans der „Roten Löwen“ das Spiel - 21. März 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos