EditorialKritische Nachfragen unerwünscht: Wenn die Regierung die Karten nicht offenlegt

Editorial / Kritische Nachfragen unerwünscht: Wenn die Regierung die Karten nicht offenlegt
Auf kritische Nachfragen von Journalisten kann Premierminister Xavier Bettel manchmal ungehalten reagieren Foto: Editpress/Julien Garroy

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Was wäre die Welt der Politik doch so viel einfacher, wenn diese lästigen Journalisten nicht wären? Man tritt vor die Öffentlichkeit und kann seine Wahrheit so darstellen, dass man selbst immer im besten Licht erscheint. Vor allem: keine lästigen Nachfragen nach diesen oder jenen Fakten, die das gerade Gesagte widerlegen, anzweifeln oder zumindest kritisch dastehen lassen. Aber Luxemburg ist ja zum Glück keine Diktatur und die Pressefreiheit ist in der Verfassung verankert. Oder wie es Xavier Bettel im Februar ausdrückte: „Eine unabhängige und freie Presse ist ein fundamentaler Pfeiler der Demokratie und muss gestärkt werden.“

Wie unabhängig und frei die Medien hier in Luxemburg wirklich sind, darüber kann man durchaus diskutieren. Es gibt ein schwieriges Verhältnis zwischen Presse und Politik, das nur schwer von der Hand zu weisen ist. Doch die meisten Journalisten versuchen, so unabhängig wie nur möglich zu berichten. Sie sollen den Finger in die Wunde legen – egal, ob es den Patienten nun schmerzt oder nicht. Die Medien als „Pfeiler der Demokratie“ werden nicht umsonst als „vierte Macht“ bezeichnet. Doch ist ihre Kontrollfunktion nur so solide wie die Informationen, die den Journalisten zugänglich sind. Und sich in die Karten blicken zu lassen – das widerstrebt auch der derzeitigen Regierung.

Dabei sind in Zeiten von Fake News und Halbwahrheiten harte Fakten wichtiger als je zuvor. Erst recht, wenn die Welt während einer Pandemie kopfsteht. Doch wenn Bettel und seine Regierungskollegen es mit der Pressefreiheit ernst meinen, wieso verschanzen sie sich hinter Intransparenz und schlechter Kommunikation?

In der Ausnahmesituation lässt die Regierung während der Pressekonferenzen nur je zwei Fragen pro Medienorgan zu. Im April 2020 verteidigte sich Bettel gegenüber dem Luxemburger Wort, weil der Regierung vorgeworfen wurde, „sich wegzuducken“. Damals ging es um die Namen der Taskforce-Mitglieder, die wochenlang nicht veröffentlicht wurden, und die intransparente Datengrundlage, auf der die Entscheidungen der Regierung gefällt wurden. Vorwürfe, die uns seitdem begleiten: Die Menschenrechtskommission warf der Regierung im Juli fehlende Transparenz vor. Die Opposition im Parlament führte während fast jeder Diskussion um die Corona-Regeln ins Feld, dass die Regierung entweder keine ausreichenden Daten für ihre „inkohärenten“ Maßnahmen vorlege oder zu schlecht kommuniziere. Die Journalistengewerkschaft ALJP kritisierte die Regierung wegen zensierter Pressekonferenzen – die Fragen der Journalisten und die darauf folgenden Antworten wurden nicht übertragen – so lange, bis das Thema Anfang 2021 vor dem Parlament landete und Bettels Medienministerium einknickte.

Journalisten werden von den Ministerien gerne hingehalten: Anfragen bleiben tage- und wochenlang unbeantwortet oder werden ganz vergessen, Informationen nur stückweise herausgegeben. Trotzdem decken Journalisten während der Pandemie immer wieder auf, dass Aussagen oder herausgegebene Zahlen der Regierung nicht stimmen. Um nur die rezentesten Beispiele zu nennen: Im Dezember hielten die Erklärungen der Gesundheitsministerin, wieso Luxemburg Corona-Hotspot ist, einem Faktencheck nicht stand. Bildungsminister Meisch musste im Februar die Schulen schließen, weil das Coronavirus sich dort deutlich stärker verbreitete, als er noch zu Anfang der Pandemie behauptet hatte. Dabei hatte er Kritik von Journalisten an einem vorläufigen, unwissenschaftlichen Bericht im Dezember noch heftigst zurückgewiesen. Meischs Mantra, Schulen seien ja keine „Treiber“ der Pandemie, entspricht nicht der Realität.

Für die Impfkampagne lässt die bisherige Erfolgsbilanz der Regierung in Sachen Kommunikation nicht das Beste vermuten. Wenn Premierminister Bettel wirklich der Meinung ist, dass eine freie Presse wichtig für die Demokratie ist und „gestärkt werden“ muss, sollte er als Medienminister Nägel mit Köpfen machen und in Luxemburg ein Informationsfreiheitsgesetz einführen. 

Jessica Oé
25. März 2021 - 14.28

Guten Tag Härr DanV. Ich hatte Ihren Kommentar schlicht nicht gesehen, sonst hätte ich Ihnen gerne schon früher geantwortet. Ein Informationsfreiheitsgesetz, so wie es beispielsweise Deutschland schon kennt, würde die staatlichen Behörden verpflichten einen "voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen bei Behörden" zu gewähren. So müssten Journalistenanfragen zeitnah (bei einer Verspätung von mehr als einem Monat muss eine Begründung vorgelegt werden) und komplett beantwortet werden. In Luxemburg sind die Journalisten aktuell vom guten Willen der Presseabteilungen und der jeweiligen Minister abhängig. Mehr Informationen zum deutschen Gesetz finden Sie hier: https://www.bmi.bund.de/DE/themen/moderne-verwaltung/open-government/informationsfreiheitsgesetz/informationsfreiheitsgesetz-node.html Die Forderung nach einem solchen Gesetz ist auch nicht neu. Die Journalistenverbände und Journalisten hier im Land fordern dies schon seit Jahren. Die Pressefreiheit garantiert hingegen die Unabhängigkeit der Presse. Ohne den uneingeschränkten Zugang zu den staatlichen Informationen ist der Journalist aber in seinem Handeln eingeschränkt. Mit freundlichen Grüßen, Jessica Oé

DanV
25. März 2021 - 14.17

@ Tageblatt @ Jessica Oé Kritische Nachfragen nicht erwünscht? Beim Tageblatt wie es scheint, auch nicht. Was wäre denn nun dieses „Informationsfreiheitsgesetz“?

Alex Hoffmann
21. März 2021 - 10.30

Die Regierung kann nicht transparent sein andernfalls würde das aus Lügen aufgebaute Kartenhaus einstürzen ! Die Strategie wird hierzulande genau wie in Deutschland angewendet! Hohe Inzidenzwerte durch unzuverlässige PCR Tests, verfälschte angegebene Fallzahlen durch das RKI, Zermürbung der Bevölkerung durch immer verlängerte 'lock down's' ! Warum? Der Grund : IMPFUNG ! Impfung für alle Bürger mit obligatorischem Impfpass! Und das wird in sehr naher Zukunft gefordert! Die Folge: Einmal Impfung für alle, immer Impfung für alle! Die Konsequenzen für uns und unsere Kinder will Ich mir nicht vorstellen!

M8lues
20. März 2021 - 10.19

@Til Eule vor dem spiegel Sehr schön beschrieben. Bei jedem Satz des Premierministers denke ich mir: « Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! »

Dita
19. März 2021 - 17.16

(Oder wie es Xavier Bettel im Februar ausdrückte: „Eine unabhängige und freie Presse ist ein fundamentaler Pfeiler der Demokratie und muss gestärkt werden.“) gut gesoot, et ass awer wéit weg vun der Realitéit Haaptsach, den XB huet dat gesot, an da misst dat jo dann och sou sin, dat ass genau dem XB seng Strategie ee Supersaatz, an domat ass Alles roueg , hie kann dat aus dem FF

Till Eule vor dem Spiegel
19. März 2021 - 17.01

@en ale Sozialist: Wie ein Staubsaugervertreter bringt der Herr Staatsminister seine Politik an den Mann und macht im Endeffekt immer mehr den Eindruck eines Seelenverkäufer. Da sind kritische Fragen der Journalisten unerwünscht, weil das zu verkaufende Produkt nicht hergibt, was es verspricht.

en ale Sozialist
19. März 2021 - 15.57

Premier Bettel kommt in die Bredouille. Er redet viel , zu viel, er ist ein Phrasendrescher, der sich allmählich selbst entlarvt.

Lili
19. März 2021 - 11.13

Super geschriwwen an den Nol op de Kapp getraff. Leider gëtt et keen onzenséierte Journalismus méi. Mir sin an der Diktatur ukomm an hänken vun der Willkür vum Premier of. En Despot.

DanV
19. März 2021 - 11.08

@ Jessica Oé Und welche Punkte sollten in diesem "Informationsfreiheitsgesetz" stehen? Ich frage aus der Neugier heraus, nicht aus Kritiklust. Was wäre der Unterschied zur Pressefreiheit?

jung luc
19. März 2021 - 10.17

Transparenz in der Politik gab es nicht, gibt es nicht und wird es wahrscheinlich auch nie geben. Informationsfreiheit gibt es nur wenn man der Regierung genehm ist und die richtigen Fragen stellt. Eine freie Presse gibt es nicht mehr.

Pumukel
19. März 2021 - 10.05

Wenn Journalisten über Journalisten schreiben...

Fern
19. März 2021 - 9.37

Wann neischt mei daerf hannerfrot gin, dann sin mer keng demokratie mei mais eng Diktatur (dank Corona)

De soziale Fred
19. März 2021 - 9.13

BRAVO Mme Oé, ee ganz gudden Artikel. Niewebäi gesôt: a wann da mol een eng geheim Information opdeckt an esou frech ass dât publik ze maachen, da muss deen sech viru Gericht veräntwerten a get schlussendlech dofir verurdeelt.