Belgien Krawalle in Anderlecht

Belgien  / Krawalle in Anderlecht
Nachdem ein 19-Jähriger mit seinem Scooter einen Unfall mit einem Polizeifahrzeug hatte und dabei gestorben war, fanden sich viele dazu berufen,  unter anderem städtisches Mobiliar zu zertrümmern Foto: AFP/Olivier Gouallec

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Trotz Corona-Ausgangssperre ist es am Osterwochenende in Brüssel zu schweren Krawallen und fast 100 Festnahmen gekommen. Innenminister Pieter de Crem sprach von „völlig inakzeptablen“ Vorgängen und beschuldigte die beteiligten Jugendlichen, „nicht nach unseren Werten zu funktionieren“. Der für Brüssel zuständige Staatssekretär Pascal Smet stellte aber auch das Vorgehen der Polizei infrage.

Die Unruhen im Brüsseler Problemviertel Anderlecht waren ausgebrochen, nachdem ein Jugendlicher bei einer Verfolgungsjagd ums Leben gekommen war. Der 19-jährige Adil war mit einem Motorroller vor einer Polizeistreife geflohen und schließlich mit einem Polizeiwagen zusammengestoßen. Dabei zog er sich tödliche Verletzungen zu. Die Hintergründe der missglückten Kontrolle waren zunächst unklar.

Offenbar als Reaktion auf den Todesfall kam es am Samstag und Sonntag zu schweren Krawallen. Vermummte Jugendliche griffen Polizisten mit Steinen an und zertrümmerten städtisches Mobiliar. Nach offiziellen Angaben wurden vier Polizeiwagen demoliert und mehrere private Fahrzeuge in Brand gesteckt. Die Polizei setzte Tränengas ein und nahm fast 100 Menschen fest, darunter viele Minderjährige.

Die Familie von Adil distanzierte sich von den Krawallmachern, forderte aber auch eine vollständige Aufklärung des Todesfalls. Adil sei in seinem Viertel als freundlicher und „guter“ junger Mann bekannt gewesen, zitiert die Tageszeitung Le Soir einen Streetworker. In Anderlecht habe es schon viele ähnliche Todesfälle gegeben. Einige Jugendliche hätten Adil rächen wollen.

Nach Polizeiangaben kamen viele der Krawallmacher jedoch nicht aus Anderlecht, sondern aus anderen Gemeinden. Anderlechts Bürgermeister Fabrice Cumps zeigte sich überrascht von der Eskalation. Man habe einen Trauermarsch erwartet und diesen auch zulassen wollen – trotz der strikten Ausgangssperre. Allerdings habe sich schnell gezeigt, dass viele Jugendliche andere Absichten hatten.

Staatssekretär solle sich besser informieren

Staatssekretär Smet beklagte einen „Bruch des Vertrauens“ zwischen den Jugendlichen und der Polizei. Es gebe Misstrauen und sogar Hass – und zwar auf beiden Seiten. Die Polizei habe möglicherweise Fehler gemacht, sagte der sozialistische Politiker. Nach dem Ende der Ausgangssperre müsse man sich um eine Entspannung der Lage in Anderlecht und anderen Brüsseler Problemvierteln bemühen.

Die Polizeigewerkschaft SLFP reagierte empört. Smet solle sich besser informieren, bevor er die Polizisten kritisiert, heißt es in einer Erklärung. Die Corona-Krise habe schon mehr als 3.600 Todesopfer gefordert, die Politik müsse sich hinter die Sicherheitskräfte stellen.

Obwohl das „Confinement“ schon seit vier Wochen gilt, bekommt Belgien die Corona-Krise nur schwer in den Griff. Die Zahl der Erkrankten stagniert auf hohem Niveau, vor allem in Alten- und Pflegeheimen sterben immer mehr Menschen. Die Sterbequote gehört mit zu den höchsten in Europa, eine Lockerung der Maßnahmen gegen das Coronavirus ist nicht in Sicht.