BalkanKosovo und Serbien nach Zwangseinigung im Zwist um fehlende Unterschrift

Balkan / Kosovo und Serbien nach Zwangseinigung im Zwist um fehlende Unterschrift
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic will den EU-Plan über eine Annäherung an Kosovo nicht unterzeichnen Foto: AFP/Armend Nimani

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Nach ihrer Zwangseinigung am Ohridsee streiten sich die unwilligen Nachbarn Kosovo und Serbien erneut – dieses Mal über die fehlenden Unterschriften. Belgrad erklärt die auf EU-Druck erzielte Vereinbarung wegen der verweigerten Abzeichnung für rechtlich nicht bindend.

Streitbare Nachbarn lassen sich beim Dauerzank selbst von einer erzielten Vereinbarung nicht stören. Am mazedonischen Ohridsee hatten sich Kosovos Premier Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vucic am Wochenende auf starken Druck des Westens auf einen Fahrplan zur Umsetzung des EU-Plans zur Normalisierung der labilen Nachbarschaftsehe der einstigen Kriegsgegner verständigt. Doch kaum nach Hause zurückgekehrt, liegen sich die notorischen Balkan-Streithähne erneut in den Haaren. Der Grund: Wegen der Weigerung von Vucic wurde ihre Zwangseinigung nicht abgezeichnet.

Er habe bewusst weder den EU-Plan noch den dazugehörigen Annex abgezeichnet, weil Kosovo „kein international anerkannter Staat“ sei, brüstete sich Vucic nach seiner Rückkehr aus Nordmazedonien auf einer Presse-Konferenz in Belgrad: Es sei schwer nachzuweisen, dass das Abkommen ohne Unterschriften bestehe, auch wenn „Serbien bereit zu dessen Umsetzung“ sei – bis zu Belgrads „roten Linien“.

2020 hatte Vucic in Washington noch keine Probleme gehabt, um am Katzentisch des damaligen Präsidenten Donald Trump gemeinsam mit dem damaligen Kosovo-Premier Avdullah Hoti ein Vertragswerk mit den USA zur Verbesserung der Kooperation mit Pristina abzuzeichnen. Launig schließt er nun die Unterzeichnung des EU-Kosovo-Plans auch in Zukunft aus: „Ich habe einen unerträglichen Schmerz in der rechten Hand, mit der ich unterschreibe. Dieser Schmerz wird sich in den nächsten vier Jahren fortsetzen.“

„Lügner-Aca“ lautet die Aufschrift der in Belgrad verklebten Plakate, die Vucic mit einer langen Pinocchio-Nase zeigen. Während serbische Nationalisten dem Politchamäleon wegen der faktischen Anerkennung der von Belgrad bisher abgelehnten Eigenstaatlichkeit des seit 2008 unabhängigen Kosovo „Verrat“ vorwerfen, steht in Pristina auch sein Gegenspieler Kurti in der Kritik.

Die EU ist genervt

Weil Kurti sich nun zu der bisher von ihm rigoros abgelehnten Schaffung eines Verbands der serbischen Kosovo-Kommunen bereit erklärt, droht ein ehemaliger Berater dem Premier mit einem Molotowcocktail-Anschlag. Kurtis Stellvertreter Besnik Bislimi wurde bereits mit einer Torte beworfen.

Auch die Kritik, der sie sich in ihren eigenen Ländern ausgesetzt sehen, lässt die Kontrahenten eher dünnhäutig agieren. Einerseits wolle „die andere Seite“ die bei ihren Gesprächen erzielten Vereinbarungen nicht unterzeichnen, erregt sich Kurti. Andererseits behaupte Serbiens Präsident zwischen den Treffen, dass er nichts davon umsetzen werde: „Ist er ein Doktor No oder ein Mister Njet?“, fragt er sich in Anspielung auf die russophilen Neigungen seines Gegenspielers: „Wir wissen auf jeden Fall, dass er kein Doktor ist.“

Die EU scheint derweil vom endlosen Nachkarten ihrer zum Ausgleich genötigten Problemschützlinge vor allem genervt. Die Vereinbarung von Ohrid sei für beide Staaten „rechtlich bindend“ und ein „integraler Teil ihres europäischen Weges“, stellt der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell klar: „Beide Seiten haben sich auf die Umsetzung verständigt. Wir werden sorgfältig beobachten, wie das geschieht.“